KOLUMNE | Trotz Littler-Dominanz und ausbleibenden Sensationen: Deshalb waren die UK Open 2025 ein Turnier für die Geschichtsbücher

PDC
durch Nic Gayer
Mittwoch, 05 März 2025 um 20:00
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Kaum hatte Luke Littler am Sonntagabend seine UK Open-Trophäe gen Arena-Dach gereckt, schon wurden die ersten Stimmen unter Darts-Fans und -Experten laut, dass selbst das unberechenbarste Turnier des PDC-Kalenders durch die Dominanz des 18-Jährigen berechenbar geworden ist. Auf den ersten Blick könnte man dazu tendieren, dieser These zuzustimmen. Littler geriet auf dem Weg zu seinem UK Open-Triumph nur in seiner Erstrundenpartie gegen Peter Wright so wirklich in Bedrängnis und fuhr den zweithöchsten Final-Sieg in der Turniergeschichte ein.

Doch wo eine These ist, ist die Antithese meist nicht weit: Die UK Open sind ein viel zu großes und vielfältiges Turnier, um sie nur anhand eines Spielers und weniger Partien zu bewerten. Deshalb haben wir den "FA Cup des Darts" genauer unter die Lupe genommen und zeigen in diesem Artikel auf, warum die UK Open 2025 trotz der Dominanz des 18-jährigen Wunderkinds ein Turnier für die Geschichtsbücher waren.

Niko Springer auf Phil Taylors Spuren: Der zweithöchste UK Open-Average aller Zeiten

Die UK Open 2025 brauchten nicht lange, um auf Hochtouren zu kommen: Am frühen Freitagnachmittag sorgte Niko Springer im Duell gegen Cor Dekker bereits für den zweithöchsten Average der Turniergeschichte. Mit 115,92 Punkten reihte sich der Meenzer Bub in der ewigen Rangliste auf Platz zwei hinter Phil Taylor ein, der im Jahr 2010 die bisherige Bestmarke von 118,66 Punkten in seinem Viertrunden-Sieg über Kevin Painter aufgestellt hatte.

Springer setzte sich daraufhin in der zweiten Runde mit 6-5 gegen den Niederländer Patrick Geeraets durch, unterlag in Runde drei allerdings mit 5-6 gegen den Iren Dylan Slevin. Dennoch stellte der 24-Jährige erneut unter Beweis, warum er als eine der heißesten Aktien des PDC-Circuits gehandelt wird. Springer, der sich kürzlich mit über 113 Punkten im Average für das European Tour-Turnier in Riesa qualifizierte, scheint in seinem ersten Jahr als PDC Tour Card-Holder immer besser Fuß auf der Profi-Tour zu fassen.

Der Untergang des Titelverteidigers: Dimitri Van den Bergh spielt den schlechtesten Average seiner Profi-Karriere

Von Rekord-Averages hin zu persönlichen Tiefpunkten - die UK Open 2025 hatten alles im Angebot. Während sich Niko Springer früh im Turnier in den UK Open-Geschichtsbüchern verewigte, spielte Titelverteidiger Dimitri Van den Bergh in seinem Achtelfinal-Duell gegen Michael Smith seinen schlechtesten Average in über zehn Jahren als PDC Tour Card-Holder.

Van den Bergh bleibt damit weiterhin eines der größten Rätsel des PDC-Circuits. Nach Jahren der Suche nach sich selbst, in denen sich der 30-jährige Belgier in ständigen Rhythmuswechseln und mentalen Gesten selbst zu verlieren schien, kehrte Van den Bergh zu Beginn des Jahres mit einem erfrischend neuen Ansatz auf die PDC-Bühne zurück: The Dreammaker ließ nicht nur seinen Walk-on-Song und die sich immer wiederholenden Dance-Moves im alten Jahr zurück, sondern wirkte seit Beginn der neuen Saison auch wieder im Einklang mit sich selbst und seinem Spiel am Dartboard.

Zwischen Genie und Wahnsinn: Dimitri Van den Bergh’s Leistungen gleichen aktuell einer Wundertüte
Zwischen Genie und Wahnsinn: Dimitri Van den Bergh’s Leistungen gleichen aktuell einer Wundertüte

Mit einem Halbfinale beim Winmau World Masters und starken Auftritten gegen Gary Anderson und Nathan Aspinall legte Van den Bergh einen Start nach Maß in die neue Saison hin. Auch bei den UK Open setzte er sich relativ ungefährdet gegen Raymond van Barneveld durch und überzeugte anschließend vor allem bei seinem 10-9-Comeback-Sieg über Chris Dobey. Am Ende blieb jedoch vor allem sein skurriler Auftritt gegen Michael Smith im Gedächtnis - ein einmaliger Ausrutscher oder der Beginn einer handfesten Krise? In den kommenden Wochen und Monaten wird es spannend zu beobachten sein, in welche Richtung sich die Karriere des Belgiers entwickeln wird.

Das Kugel-Gate von Minehead: Kurioser Auslosungs-Fail sorgt für Schlagzeilen

Neben den sportlichen Schlagzeilen sorgten die UK Open 2025 auch abseits des Dartboards für reichlich Gesprächsstoff: Eine der meistdiskutierten Szenen des Wochenendes ereignete sich am Freitagabend, als nach Abschluss der 4. Runde eine weitere Auslosung stattfand. Um die Begegnungen der 5. Runde zu ermitteln, wurden John McDonald und Alan Warriner-Little von ITV-Moderator Ned Boulting unterstützt.

Als Boulting seine erste Kugel aus dem Lostopf zog und das Duell zwischen Ryan Searle und Luke Humphries ausloste, unterlief dem routinierten Moderator ein Anfängerfehler: Boulting platzierte die Kugel mit der Nummer 23 nicht wie vorgesehen auf dem Tableau, sondern warf sie in den Lostopf zurück. Kurioserweise entschied sich das Trio dafür, die Prozedur regulär fortzusetzen. Noch verrückter ist die Tatsache, dass die Humphries-Kugel während der Auslosung aller anderen Partien kein zweites Mal gezogen wurde und gegen Ende des Vorgangs als letzte Kugel im Lostopf übrig blieb.

Extremsport Darts: Martin Schindler vom eigenen Pfeil getroffen

Passend zu einem aus deutscher Sicht enttäuschenden Darts-Wochenende sorgte - abgesehen von Niko Springer - eine kuriose Szene abseits des eigentlichen Spielbetriebs für die größten Schlagzeilen: In seinem Duell gegen Jonny Clayton wurde Martin Schindler Opfer eines außergewöhnlichen Bouncers.

Während sich Schindler nach einer Spiel-Unterbrechung mit den üblichen Practice-Darts aufwärmte, prallte einer seiner Darts am Board ab und segelte auf direktem Weg zurück zum Absender. Der 28-Jährige musste den Dart schließlich aus seinem eigenen Schuh entfernen, was nicht nur zu einem viralen Clip in den Sozialen Medien, sondern auch zu lautem Gelächter unter den Fans in Minehead sorgte.

Keine Gnade mit Kumpel Searle: Humphries verpasst Heavy Metall eine 10-0-Klatsche

Genug der Minehead-Geschichten - zurück zum Sportlichen: Der Nummer eins der Weltrangliste, Luke Humphries, gelang am vergangenen Wochenende ein seltenes Kunststück: Sein 10-0-Whitewash gegen Ryan Searle in Runde fünf war der erste 10-0-Sieg bei den UK Open seit 2016, als Jelle Klaasen dem Australier Kyle Anderson keine Chance ließ. Insgesamt wurde dieses Ergebnis erst zum vierten Mal in der UK Open-Historie erzielt.

Zungen-Attacke und UK Open-Meilenstein: Der ewige James Wade

Humphries, der seinem 10-0-Sieg über Searle einen dominanten 10-2-Erfolg gegen Ryan Joyce folgen ließ, wurde im Viertelfinale schließlich von The Machine James Wade gestoppt. Im Englischen würde das Turnierwochenende des UK Open-Rekordteilnehmers Wade wohl mit dem Wort "Box Office" beschrieben werden. Von einer Zungen-Attacke über Verletzungssorgen im Finale hin zu eiskalten Checkouts - ein Rückblick auf ein Wochenende, an dem James Wade die Darts-Welt daran erinnerte, dass der Profi-Circuit ohne den 41-Jährigen ein schlechterer Ort wäre.

Kein Spieler gehört so sehr zum UK Open-Inventar wie James Wade, der als einziger Akteur an allen Ausgaben des "FA Cup des Darts" teilnahm. Am vergangenen Wochenende machte The Machine in typischer Wade-Manier aus verschiedenen Gründen auf sich aufmerksam. Sportlich gesehen knackte Wade als erst zweiter Spieler nach Phil Taylor die 50-Siege-Marke bei den UK Open. Mit seinem Finaleinzug erreichte Wade außerdem erstmals seit der European Championship im Oktober 2023 das Endspiel eines PDC-Majors. In der Order of Merit verbesserte er sich dadurch um zwei Plätze und stellte somit als 12. der Rangliste den Anschluss an die Top-10 wieder her.

Wie bereits erwähnt, machte der dreifache UK Open-Champion aber auch abseits des Oches von sich reden. Am kontroversesten diskutiert wurde Wades Verhalten im Viertelfinal-Duell mit Luke Humphries, als er dem Weltranglistenersten zur Begrüßung am Hals leckte. Humphries brachte seinen Unmut über das Verhalten seines Gegners später in einem inzwischen gelöschten Beitrag auf X (früher Twitter) zum Ausdruck: "Ich wollte niemanden umarmen, der meinen Respekt nicht verdient hat, nachdem was er während des Spiels getan hat - das ist einfach meine Ehrlichkeit."

Auch in den finalen Zügen der UK Open wusste James Wade die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Obwohl The Machine im Endspiel gegen Luke Littler gnadenlos unterlegen war und bis zu seinem ersten Doppel-Treffer im zehnten Leg zu null unterzugehen drohte, genoss er die volle Aufmerksamkeit des Publikums. Nach der ersten Pause des Spiels kehrte James Wade humpelnd und mit einem schmerzverzerrten Gesicht auf die Bühne zurück. Als er sich dann auch noch beim Herausziehen eines Darts an der Hand verletzte, war die James-Wade-Show in vollem Gange. Zwischen sportlicher Brillanz und Wade-typischer Eigenart: Die UK Open 2025 standen exemplarisch für das Gesamtpaket James Wade.

Der jüngste UK Open-Champion aller Zeiten: Luke Littler schreibt - wie immer - Geschichte

James Wade wurde im Finale der UK Open 2025 nicht nur von Luke Littler dominiert, sondern auch als jüngster Gewinner des Turniers entthront. Da der Rekord des jüngsten UK Open-Champions aller Zeiten nach wie vor dem 25-jährigen Wade aus dem Jahr 2008 gehörte, war zu erwarten, dass Littler diese Bestmarke in den nächsten Jahren knacken würde. Die Art und Weise, wie er den 17 Jahre alten Rekord brach, war dennoch außergewöhnlich.

Littler setzte sich auf seinem Weg zum UK Open-Titel gegen Peter Wright (10-9), Jermaine Wattimena (10-4), Krzysztof Ratajski (10-8), Gian van Veen (10-4), Jonny Clayton (10-6) und James Wade (11-2) durch. Der 18-Jährige spielte dabei einen Turnier-Average von 104,39 Punkten, seinen höchsten Schnitt erzielte er mit 108,69 Punkten in seinem Erstrunden-Duell gegen Wright. Littlers 11-2-Erfolg über James Wade war außerdem der zweithöchste Final-Sieg der UK Open-Geschichte im Format Best-of-21-Legs - nur Adrian Lewis konnte 2014 mit seinem 11-1-Erfolg über Terry Jenkins einen deutlicheren Triumph einfahren. Außerdem brach Littler den Rekord für die meisten 180er, die jemals in einer UK Open-Kampagne erzielt wurden. Dieser Rekord wurde zuvor von Michael Smith mit 40 180ern gehalten - Littler erzielte am vergangenen Wochenende 47 perfekte Aufnahmen.

Abschließend kann also festgehalten werden, dass die UK Open 2025 weit mehr als nur einen sportlichen Dominator boten – sie lieferten Unterhaltung der Extraklasse. Während Luke Littler mit seiner herausragenden Leistung Geschichte schrieb, sorgte James Wade mit seinen Eigenarten einmal mehr für Gesprächsstoff. Doch genau das macht den Dartsport so einzigartig: Er ist gespickt mit Charakteren, die jede Bühne zum Leben erwecken. Ein Turnier ohne Drama, Emotionen und unvergessliche Momente? In dieser Sportart wäre das wohl die deutlich größere Herausforderung.

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