EXKLUSIV-INTERVIEW | Kai Gotthardt nach Tour Card-Gewinn: "Ich will mich über die Pro Tour für die WM qualifizieren"

PDC
durch Nic Gayer
Donnerstag, 16 Januar 2025 um 16:00
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Hinter Kai Gotthardt liegen bewegende 12 Monate zurück. Der Esslinger sorgte mit einem gebrochenen Barrel und herausragenden Darts nicht nur auf der Ally Pally-Bühne für Furore, sondern stellte seine Klasse auch mit dem Gewinn der PDC Europe Super League, einem Triumph bei der Modus Super Series und dem Finaleinzug beim renommierten WDF World Masters unter Beweis.

Am vergangenen Freitag krönte der 29-Jährige die bislang beste Saison seiner Karriere mit dem Gewinn einer PDC Tour Card, wodurch Gotthardt in den kommenden zwei Jahren auf der Profi-Tour an den Start gehen wird. In einem exklusiven Interview mit Dartsnews.de ließ The Tunnel die Q-School 2025 Revue passieren und formulierte ein ambitioniertes Ziel für seine erste Saison als PDC-Profi.

Dein Tour Card-Gewinn am Freitag liegt erst wenige Tage zurück - wie glücklich bist du, dir deinen großen Traum von der PDC Profi-Tour erfüllt zu haben?

Kai Gotthardt: Ich bin natürlich sehr happy, aktuell fühlt sich alles noch sehr surreal an. Es kommt viel auf mich zu, wir haben viel zu tun, um alles für die Turniere zu planen. Aber ich freue mich drauf, das wird eine gute Erfahrung.

Die aus deutscher Sicht typische Frage nach der Tour Card-Nutzung erübrigt sich bei dir. Du bist Vollprofi und wirst die gesamte Tour in Angriff nehmen, richtig?

Ganz genau, ich werde alles spielen. Ohne Wenn und Aber.

Du bist als WM-Teilnehmer, PDC Europe Super League-Champion und Modus Super Series-Wochengewinner zur Q-School gefahren. Mit welcher Erwartungshaltung bist du in Kalkar gestartet?

Die Tour Card war auf jeden Fall das klare Ziel. Das ist auch die logische Schlussfolgerung aus dem guten letzten Jahr. Es muss einfach weiter nach vorne gehen. Ich hatte nicht wirklich Lust, wieder das ganze Jahr auf der Challenge Tour zu spielen. Man weiß nie, wo man noch spielen kann, rutscht man mal nach, rutscht man nicht nach, was kommt als nächstes? Deswegen hat es jetzt gut gepasst mit der Tour Card.

Hast du nach deinen großen Erfolgen im letzten Jahr bei der Q-School 2025 etwas mehr Druck empfunden?

Nein, das hat sich genau so angefühlt wie das ganze Jahr. Ich habe mir gar keinen Druck gemacht, weil ich einfach weiß, was ich zurzeit spielen kann und meine Leistung aktuell einfach abrufen kann. Ich habe mir da keinen Kopf gemacht und das hat auch super funktioniert.

Du bist mit vier Siegen an Tag eins der First Stage und einem Viertelfinal-Einzug an Tag zwei gut in die Q-School gestartet und konntest dich problemlos für die Final Stage qualifizieren. Wie zufrieden warst du mit deinem Turnier-Auftakt?

Am ersten Tag war ich vom spielerischen her sehr zufrieden und scheide dann in einem sehr guten Match gegen Matthias Ehlers aus, wo ich weit über 90 im Average gespielt habe. Das war ein bisschen ärgerlich, weil ich gerne zwei Tage Pause gehabt hätte. Die ersten Partien am zweiten Tag liefen gar nicht gut, auch vom Average her habe ich da nicht wirklich gut gespielt, so weit ich es im Kopf habe. Hinten raus habe ich es aber durch gebracht und war froh, einen Tag Pause zu haben und die First Stage nicht über drei Tage spielen zu müssen.

Leon Weber hat uns gestern erzählt, dass er gerne die komplette First Stage gespielt hätte, um im Rhythmus zu bleiben. Du mit all deiner Erfahrung hingegen wärst froh über die längere Pause gewesen?

Ja definitiv, ich muss mich da nicht noch weiter abkämpfen und habe dann lieber zwei Tage Pause, um Vollgas in die Final Stage zu starten. Aber Leon ist noch jung, frisch dabei und voll motiviert.

Im Dezember überzeugte Gotthardt bei seinem WM-Debüt und zog in die zweite Runde ein
Im Dezember überzeugte Gotthardt bei seinem WM-Debüt und zog in die zweite Runde ein

In der Final Stage war aus deiner Sicht der Freitag entscheidend. Du bist zwar mit einem komfortablen Sieg über Jeroen Mioch in den Turniertag gestartet, zu eurem Spiel habt ihr aber beide nicht gefunden, oder?

Definitiv, ich kenne Jeroen ja schon jahrelang und weiß auch, was er spielen kann. Es kam aber einfach keine Gegenwehr und dann habe ich es auch ein bisschen schleifen lassen, viele Darts auf Doppel ausgelassen. Am Ende hat es mit 6-2 aber gereicht und das ist das Wichtigste. Das erste Spiel ist immer das Schlimmste, das steht außer Frage.

Dein darauffolgender Decider-Sieg gegen Boris Krcmar hat sich von außen betrachtet wie ein Schicksalsmoment für den gesamten Turniertag angefühlt. Würdest du das bestätigen?

Ja, du hast völlig Recht, solche Spiele gehören auf jeden Fall dazu. Man wird im seltensten Fall ein Turnier gewinnen, in dem man keinen Matchdart gegen sich und kein enges Spiel dabei hat. Schade für Boris, da lag ich auch wieder zurück, habe mich wieder reingekämpft, lasse wieder schleifen, führe 5-4 und bekomme wieder das Break... es war ein verrücktes Spiel. Dann werfe ich die 180 für 36 Rest, Boris verpasst den einen Matchdart und dann habe ich mir gedacht, "jetzt kann es ja losgehen", nachdem ich das Spiel mit Glück überstanden hatte.

"Jetzt kann es ja losgehen" ist ein gutes Stichwort - das nächste Match gewinnst du mit 6-0 gegen Jamai van den Herik und spielst 109 Punkte im Average. War der knappe Sieg gegen Krcmar eine Art Brustlöser?

Ja, da war irgendwie alles weg, da ist dann alles ganz einfach von der Hand gegangen. Ich glaube, ich habe in dem Match zwei Darts auf Tops verpasst, das waren die einzigen Fehler im ganzen Spiel, sonst wäre ich wahrscheinlich bei über 110 gelandet. Aber um Gottes Willen, das war ohnehin mein bester Average bislang - darauf lässt sich aufbauen.

Nach weiteren Siegen standest du im Finale deinem guten Kumpel Steven Noster gegenüber. Steven legte los wie die Feuerwehr, ging mit drei Highfinishes und 116 Punkten im Average mit 3-0 in Führung. Was ging dir in diesem Moment durch den Kopf?

Das war verrückt, er checkt diese drei Highfinishes und spielt 12, 15 und 12 Darts... ich dachte, das wars, er macht jetzt kurzen Prozess und gewinnt mit 6-0, wenn er so weiter spielt. Dann konnte ich mich ein bisschen reinbeißen - er hat eine große Chance liegen gelassen, als er 72 Rest hat, den ersten Dart in die 16, den zweiten Dart aber in den Schwarzwald wirft. Das wäre die Chance zum 5-3 gewesen, als ich dann auf 4-4 ausgeglichen habe. Am Ende ist es gut für mich ausgegangen. Ich glaube, ich habe hinten raus dann auch wirklich stark gespielt und die Nerven behalten.

"Ich finde meinen Fokus, wenn es in den Decider geht"

Der Finalsieg war dein insgesamt dritter Decider-Erfolg an diesem Turniertag. Du bist für deine Nervenstärke bekannt - wie schaffst du es, in den wichtigen Momenten so cool zu bleiben?

Ich finde in letzter Zeit meinen Fokus viel besser, wenn es in den Decider geht, das habe ich früher überhaupt nicht auf die Kette bekommen. Ich kann es dann einfach an das Board bringen. Warum genau, ist schwer zu sagen, ich bin einfach froh, dass es überhaupt klappt. Wenn es so weitergeht, wäre gut - auch wenn es jedes Mal ein Decider ist.

Nach deinem Sieg über Steven hattest du die Tour Card nach vielen Jahren harter Arbeit sicher. Beschreibe diesen Moment für uns.

Der Druck ist natürlich abgefallen, ich hatte viele Leute, unter anderem mein Management dabei. Die Freude war riesig, aber auch die Enttäuschung bei meinem Freund Steven. Das waren gemischte Gefühle. Ich bin natürlich sehr emotional, habe mich aber ein wenig zurückgehalten, weil es auch hart für ihn war. Aber im Endeffekt wurde danach noch gut gefeiert.

Wie du gerade schon angesprochen hast, bist du als sehr emotionaler Charakter bekannt. Auf dem Floor müsst ihr Spieler euch allerdings ruhig verhalten. Hat das geklappt, oder sind die Emotionen auch mal aus dir herausgebrochen?

Nein, nein, ich kann mich da schon zusammenreißen. Gut, nach dem Finale wäre es eh egal gewesen, aber das habe ich dann schon im Griff.

Dein Tour Card-Gewinn war der krönende Abschluss der letzten 12 Monate. Wie groß war dein Entwicklungsschritt im vergangenen Jahr?

Das Jahr war riesig. ich konnte so viel Erfahrung mitnehmen, was mir die Jahre zuvor gefehlt hat, weil ich viel zu wenig gespielt habe. Vor allem gegen gute Spieler - die kleinen Turniere, die ich hier immer gespielt habe, die bringen dich nicht weiter. Die Gegner bei der Modus Super Series, beim Winmau World Masters, oder auch in Deutschland bei der NEXT GEN, wir haben mittlerweile so viele gute Spieler... da kommt man einfach weiter und das bringt einen nach vorne. Natürlich war das der krönende Abschluss und jetzt kann es nur noch weitergehen - mal schauen, wie weit es geht.

Blicken wir gleich mal auf deine erste Saison als PDC-Profi voraus: Was sind deine Ziele für das Jahr 2025?

Ich will natürlich von vornherein meine Leistung abrufen. Mein Ziel ist es auf jeden Fall mich im ersten Jahr über die Pro Tour für die WM zu qualifizieren, das steht außer Frage und an oberster Stelle. Und dann wird sich zeigen, wie viel mehr geht, oder eben auch nicht. Dass ich dazu in der Lage bin, die guten Spieler zu ärgern oder auch teilweise zu schlagen, das steht außer Frage, das habe ich auch im letzten Jahr schon auf der Pro Tour bewiesen. Aber es ist noch mal etwas komplett anderes, die Turniere als Tour Card-Holder und nicht als Nachrücker zu spielen.

Du hast bereits im vergangenen Jahr als Nachrücker Erfahrung auf der Pro Tour gesammelt. Nimmt dir das etwas die Nervosität und Anspannung vor den ersten Players Championship-Turnieren?

Nein, Anspannung hatte ich nie, weil ich mir da nichts daraus mache, ob ein Michael van Gerwen oderso vor mir steht. Für mich sind das alles Spieler. Ich mache mir da keinen großen Kopf, ich spiele einfach mein Spiel und das ist die Hauptsache. Ich mache mir da echt überhaupt keine Gedanken, was die anderen Spieler betrifft. Ob die jetzt gut sind oder nicht, ist mir relativ egal. Ich denke, dass das ein großer Vorteil von mir ist.

Gib uns zum Abschluss doch noch einen kleinen Ausblick, wie die nächsten Wochen bis zu deinem PDC-Profi-Debüt beim Masters aussehen werden.

Das Trainingspensum werde ich auf jeden Fall etwas steigern und meinen Tagesablauf verändern. Jetzt geht man das natürlich noch mal ein Stück weit anders an, als in den letzten Jahren, in denen man nur auf den kleineren Touren unterwegs war. Vorerst steht aber wie gesagt die Planung für die nächsten Monate an und es ist viel drumherum zu tun. Dann geht es in zwei Wochen beim Masters los.

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