Die Darts-Saison 2025 erlebte aus deutscher Sicht einen äußerst erfolgreichen Startschuss. Bei der PDC European Q-School in Kalkar gingen fünf der insgesamt 16 Tour Cards an deutsche Spieler. Neben renommierten Namen wie Max Hopp und Kai Gotthardt sicherte sich auch der 22-jährige Leon Weber ein Ticket für die Profi-Tour. Weber, der schon vor Turnierstart als Geheimfavorit gehandelt wurde, erlebte am Q-School-Finaltag in Kalkar eine unvergessliche Zitterpartie.
Wenige Tage nach dem größten Erfolg seiner Karriere erinnert sich Weber im Exklusiv-Interview mit Dartsnews.de an sein Finale Furioso am entscheidenden Tag der Q-School, blickt auf sein Debüt als PDC-Profi voraus und enthüllt, wie intensiv er die Pro Tour spielen wird.
Es ist noch nicht einmal drei Tage her, als dein Name in der Q-School Order of Merit dunkelgrün wurde und du die Tour Card nach einem nervenaufreibenden Sonntag endlich sicher hattest. Konntest du diesen Erfolg schon verarbeiten?
Leon Weber: Verarbeiten noch nicht, weil ich noch keine Zeit dafür hatte. Für mich ging es am Montag direkt wieder auf die Arbeit, dann hatte ich schon direkt viel Organisatorisches zu erledigen, um alles Mögliche für die Tour abzuklären - unter anderem ein Gespräch mit meinem Arbeitgeber. Aber ja, der Sonntag war wirklich sehr, sehr anstrengend für mich.
Aus deutscher Sicht konnten einige Tour Card-Gewinner - beispielsweise Pascal Rupprecht, Tim Wolters oder Paul Krohne - aus privaten und beruflichen Gründen nur phasenweise an den Pro Tour-Turnieren teilnehmen. Wie sieht das bei dir aus? Wirst du die gesamte Tour spielen?
Ja! Ich hatte gestern wie gesagt das Gespräch mit meinem Arbeitgeber. Glücklicherweise habe ich einen Arbeitgeber, der hinter mir steht. Natürlich muss ich meine Arbeitszeit runterschrauben, da es zeitlich nicht mehr machbar ist. Aber ich habe die Rückendeckung und werde die Tour komplett spielen.
Du hast ein sehr beeindruckendes Jahr 2024 gespielt. Mit welcher Erwartungshaltung bist du nach Kalkar gereist?
Mir war klar, dass mein Spiel und mein Niveau ausreichen könnten, um die Tour Card zu holen. Allerdings lief es in den letzten Wochen im Training nicht wirklich gut und dementsprechend war es nicht meine Erwartung, mir die Karte unbedingt holen zu müssen. Aber ich habe alles gegeben und auch wenn sich die Spiele für mich nicht gut angefühlt haben, hat es irgendwie gereicht.
Du bist gleich am ersten First-Stage-Tag ins Viertelfinale eingezogen und hast dich für die Final-Stage qualifiziert. Wie wichtig war dieser erfolgreiche Auftakt für dich?
Ich denke, für das Selbstbewusstsein war es gut, allerdings muss ich ehrlich sagen, dass ich die beiden Tage gerne noch gespielt hätte. Ich saß am Dienstag und Mittwoch in der Halle und habe meine Freunde unterstützt. Aber da sich mein Spiel nicht wirklich gut angefühlt hat, hätte ich die beiden Tage gerne als Training mitgenommen. Aber klar, die Hauptsache war erst ein mal durchzugehen.
Du hast von Beginn an mit starken Averages und sehr konstanten Leistungen überzeugt. Warum warst du mit deinen Spielen nicht zufrieden?
Tatsächlich sind Averages um die 85 Punkte nicht das, wo ich sein möchte. Ich sehe ja auch, was ich sonst spielen kann - klar habe ich vorher nicht konstant 95 oder so gespielt, aber ich weiß, dass ich dazu in der Lage bin und habe viel dafür trainiert. Auch wenn es im Training nicht wirklich gut lief, aber ab und zu waren auch starke Spiele dabei. Bei der Q-School hat es sich aber in jedem Spiel so angefühlt, als ob noch deutlich mehr gehen könnte. Das hört sich jetzt blöd an, weil ich mir eine Tour Card geholt habe und jetzt hier rummeckere... aber so hat es sich angefühlt.
Am ersten Tag der Final Stage konntest du direkt ins Viertelfinale einziehen und drei Punkte für die Order of Merit sammeln. Damit warst du von Beginn an einer der Favoriten auf die Tour Card. Hat dieser starke Auftakt etwas an deiner Herangehensweise verändert?
Der Start hat schon etwas verändert, weil ich vor diesem Tag weiterhin gedacht habe, dass ich mir die Karte nicht holen muss und ein Tour Card-Gewinn eher überraschend wäre. Aber wenn du am ersten Tag drei Punkte holst, dann stehst du schon sehr kurz davor und dann willst du sie auch haben. Das führt auch dazu, dass man an den kommenden Tagen in jedem Spiel, in dem es um einen Punkt geht, mehr Druck empfindet, weil man weiß, dass einen dieses Spiel noch einen Schritt näherbringen kann. Also ich denke schon, dass das meine Ausgangslage und meine Gedanken etwas beeinträchtigt hat.
Du hast an beiden darauffolgenden Tagen jeweils einen Zähler für die Order of Merit gesammelt. Warst du damit zufrieden, oder hätte an diesem Punkt der Deckel auch schon drauf sein können?
Natürlich war nach Tag zwei und drei schon dieser Gedanke da, weil ich öfter die Möglichkeit hatte, noch ein, zwei Punkte mehr zu holen. Eigentlich wäre an jedem Tag ein bisschen mehr drin gewesen und ich hätte mir diesen Stress am letzten Tag ersparen können. Man trauert den Punkten schon ein wenig hinterher, weil man genau weiß, dass man am letzten Tag einen guten Gegner bekommen und in Runde eins rausgehen kann. Marcel (Althaus, Anm. d. Red.) hat am letzten Tag Bombe gespielt und ich gehe in Runde eins raus... also ja, ich hätte mir die Tour Card gerne ein bisschen früher gesichert.
Was ging dir durch den Kopf, als du dann tatsächlich am entscheidenden Tag in Runde eins ausgeschieden bist?
Während des Spiels war ich eigentlich noch echt entspannt, weil ich durchgehen geglaubt habe, dass mein Niveau ausreichen sollte, um das Spiel an mich zu reißen. Aber Marcel hat absolut nichts ausgelassen und hat dann auch Finishes wie 158 rausgenommen und hat mir keine Luft zum Atmen gelassen. Ich war danach total neben der Spur, weil ich wusste, das könnte es jetzt gewesen sein, nachdem ich die ganze Woche darauf hingearbeitet habe.
Im Live-Ranking warst du auf Rang fünf weiterhin gut positioniert, musstest aber darauf hoffen, dass dich nicht zu viele Spieler überholen. Wie hast du die entscheidenden Stunden verbracht?
Ich war ab der Althaus-Niederlage bis zum Finale in der Halle und saß durchgehend am Tisch mit meiner Freundin und ein paar Kollegen. Wir hatten mehrere Handys im Einsatz, eins für das Ranking, die anderen für die Spiele meiner Kontrahenten. Es war ein auf und ab... es gab Phasen, in denen alles für mich, später wieder alles gegen mich lief. Das war eine ganz große Achterbahnfahrt.
Wie schön war der Moment, als du die Tour Card dann endlich sicher hattest? Wie viel Last ist von deinen Schultern gefallen?
Ganz kurz zuvor hatte Max Czerwinski, ein guter Freund von mir, sich die Tour Card geholt. Ich habe weiterhin über meine Schulter gespitzelt, um zu sehen, wie das Spiel zwischen Daniel Klose und Pero Ljubic läuft. Wir hatten das Spiel auf DartConnect offen, aber das war etwas verspätet. Also habe ich immer in Richtung Board geschaut und auf die Reaktionen geachtet - als ich dann gesehen habe, dass Pero anfängt zu jubeln, da sind bei mir alle Dämme gebrochen. Ich kann das Gefühl gar nicht beschreiben.
Blicken wir ein bisschen in die Zukunft: Wie sehen deine Ziele für die erste Profi-Saison aus?
Ich will auf jeden Fall erst mal ankommen auf der Tour, ich weiß, dass das eine ganz neue Situation wird. Die ganzen Leute, die man ansonsten im Fernsehen sieht, sind jetzt meine Gegner - daran muss man sich auch erst mal gewöhnen. Ich habe zum Glück viele Deutsche in meinem Umfeld, auch Spieler, die schon länger auf der Tour sind und mir Tipps geben können. Mein Ziel ist es, sobald ich mich eingelebt habe, mein Spiel zu finden und gegen Ende des Jahres wäre natürlich cool, wenn es mit der WM-Quali klappt.
Mit welchen deutschen Spielern bist du in Kontakt und welche Tipps kannst du dir dort abholen?
Ich habe in den letzten Tagen häufiger mit Lukas Wenig geschrieben, der mir seine Hilfe angeboten hat, was mich sehr gefreut hat. Ansonsten bin ich gut mit Niko (Springer, Anm. d. Red.) und Max Czerwinski befreundet. Auch wenn die beiden ebenfalls neue Tour Card-Holder sind, denke ich, dass es schon sehr wichtig ist, ein gutes Umfeld zu haben und nicht alleine zu sein. Auch mit Max Hopp und eigentlich allen Deutschen verstehe ich mich sehr gut. Ich denke, das wird eine coole Zeit, aber trotzdem darf man nicht vergessen, dass das keine Freundschafts-Veranstaltung ist.
Du bist als großer Gary Anderson-Fan bekannt. Hast du dir schon vorgestellt, wie es sein wird, zum ersten Mal mit dem Flying Scotsman am Board zu stehen?
Der Gedanke lässt sich nicht vermeiden. Zum Glück habe ich Gary schon mal auf einer Exhibition getroffen und ein paar Worte mit ihm gewechselt, also der erste "Flash" ist schon mal weg. Aber ich denke, das wird schon etwas Besonderes, wenn man gegen solche Spieler spielt. Ich sehe es aber nicht als Druck, sondern habe einfach Bock darauf. Sobald ich am Board stehe und das Spiel beginnt, möchte ich das Match auch gewinnen - egal gegen wen.
Du hast erst vor drei Jahren mit dem Dartspielen begonnen. Wie wichtig war deine mentale Stärke, um so schnell so erfolgreich zu werden?
Ich habe mit Johannes Lipsius (Mentaltrainer, Anm. d. Red.) zusammengearbeitet, was mir geholfen hat. Als ich angefangen habe, Dart zu spielen, habe ich mich sehr schnell und viel geärgert, kam aber irgendwann zu der Erkenntnis, dass mir die ruhige Art deutlich weiterhilft. Ich denke, diese innere Ruhe ist schon sehr wichtig für mich, weil ich dadurch in Drucksituationen besser bestehen kann. Nach Niederlagen bin ich gekränkt, sehr genervt und manchmal auch echt anstrengend - meine Freundin muss da einiges aushalten. Aber wenn 1-2 Stunden vergangen sind, dann ist mein Ziel, es beim nächsten Mal besser zu machen und noch stärker zu werden. Dafür investiere ich sehr viel.
Worauf freust du dich auf der PDC Profi Tour am meisten?
Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, ich habe einfach unnormal Bock. Mein Leben verändert sich jetzt natürlich komplett, weil ich meinem Job nicht mehr so nachgehen kann wie früher. Natürlich spielt auch das Geld eine Rolle, weil es nicht wenig ist, was man dort verdienen kann. Aber in erster Linie freue ich mich auf die Zeit und versuche damit noch mehr zu wachsen und einfach Spaß zu haben.