Für
Andreas Harrysson wurde die
Darts WM im Londoner Alexandra Palace zu einem unvergesslichen Erlebnis. Der 50-jährige Schwede sorgte gleich in seinem ersten Spiel für eine der emotionalsten Geschichten der Auftaktrunde, als er den an Nummer zwölf gesetzten
Ross Smith sensationell aus dem Turnier warf. Kaum war das Match vorbei, stand Harrysson mit glänzenden Augen vor den Kameras – überwältigt vom Moment, vom Ort und von der Tatsache, dass ein Lebenstraum endlich Wirklichkeit geworden war.
„Fantastisch. Wirklich absolut fantastisch“,
stammelte er fast ungläubig. „Hier bei meinem Debüt auf der größten Bühne zu gewinnen – das ist ein Traum, den ich nie vergessen werde.“
Überwältigt vom Ally Pally
Der Alexandra Palace hat seit Jahren den Ruf, das Herz des Darts zu sein. Doch was er dort erlebte, übertraf alle Erwartungen. „Als ich den Hügel hinauffuhr und zum ersten Mal diesen Blick über London sah, wusste ich sofort: Das hier ist besonders“, erzählte Harrysson. „Ich war einen Tag früher da, der Saal war leer, das Licht fiel durch die Fenster – und ich dachte nur: wow.“
Andreas Harrysson sorgte für eine riesige Überraschung, indem er Ross Smith mit 3-2 besiegte.
Spätestens auf der Bühne fühlte er die ganze Wucht des Publikums. „Im ersten Satz schaute ich mich um und dachte: Was für ein Lärm! So intensiv, so laut – das spürt man sofort.“ Für jemanden, der bisher vor allem bei nationalen Turnieren und kleineren internationalen Events gespielt hatte, war die Bühne im „Ally Pally“ eine neue Welt.
Doch Harrysson ließ sich nicht einschüchtern. Er kämpfte sich in die Partie, blieb ruhig, auch als Smith im vierten Satz kurz vor dem Sieg stand.
Zittern bei den Matchdarts
„Ehrlich gesagt, ich dachte, es wäre vorbei“, gab der Schwede später zu. Ross Smith hatte Matchdarts – und Harrysson schon mit dem Schlusspfiff gerechnet. „Aber als er verpasste, sagte ich mir: Jetzt oder nie. Nimm die Chance und spiel frei auf.“
Dieser Moment veränderte das Match. Harrysson traf wichtige Doppel, checkte unter Druck stark und drehte die Partie noch. „Jedes Finish zählte“, betonte er. „Die 72, die 112 – und natürlich das letzte. Den letzten Dart zu treffen, war der schönste Moment.“
Sein Spiel sei vielleicht nicht das technisch Beste gewesen, sagte er selbstkritisch, aber auf die Doppelfelder war er eiskalt. „Ich habe sicher nicht mein Top-Level erreicht, aber ich habe das Richtige im richtigen Moment getan. Meine Doppelquote war entscheidend.“
Vertrauen für mehr
Mit dem Sieg gegen den gesetzten Favoriten tankte Harrysson Selbstvertrauen. „Ross ist ein großartiger Spieler“, würdigte er seinen Gegner. „Aber ich weiß, was ich kann. Wenn ich mein bestes Spiel abrufe, kann ich hier jeden schlagen.“
Eine selbstbewusste Aussage von einem Mann, der sich erst kurz vor der WM ganz dem Darts verschrieben hat. Auf die Frage nach seinem Ziel blieb er gelassen: „Jeder träumt natürlich vom Titel. Aber ich denke von Match zu Match. Wenn ich siebenmal mein A-Game zeigen kann, bin ich zufrieden.“
Harrysson weiß, dass sein Teil des Turnierbaums nun offen ist. In Runde zwei wartet
Thibault Tricole oder Motomu Sakai – keine leichte, aber machbare Aufgabe. „Ich kenne Tricole gut, wir haben schon oft gegeneinander gespielt“, sagte er. „Aber am Ende zählt nur, was ich selbst auf die Bühne bringe.“
Vom Arbeitsplatz auf die Weltbühne
Harryssons Weg zur Weltmeisterschaft ist ein Musterbeispiel für Durchhaltevermögen. Seit 1994 steht er am Oche, über drei Jahrzehnte spielte er vor allem in Schweden. Doch erst in den vergangenen Jahren nahm der Traum vom „Ally Pally“ echte Form an.
„Ich habe erst vor einem Monat aufgehört zu arbeiten, um mich voll auf dieses Turnier zu konzentrieren“, erzählte er offen. „Ich trainiere jetzt vielleicht eine oder zwei Stunden am Tag – wahrscheinlich nicht genug, aber das bin eben ich.“
Sein Erfolg gegen Smith bringt ihm nicht nur Aufmerksamkeit, sondern auch wertvolles Preisgeld. Damit stehen ihm neue Türen offen – besonders im Hinblick auf die
Q-School, wo Spieler um eine PDC Tour Card kämpfen. „Natürlich spielt das Preisgeld eine Rolle“, sagte Harrysson. „Aber ich versuche, noch nicht an die Zukunft zu denken. Erstmal das nächste Spiel.“
Mit einem Augenzwinkern fügte er hinzu: „Ich habe schon geschaut, was nötig wäre, um Q-School zu vermeiden – vielleicht ein Viertelfinale. Aber das ist noch Zukunftsmusik.“
Darts in Schweden auf dem Vormarsch
Harrysson steht nicht nur für seine eigene Geschichte, sondern auch für den Aufschwung der Darts-Szene in Schweden. „Das Niveau ist in den letzten Jahren stark gestiegen“, erklärte er. „Es gibt viele gute Spieler, und ich bin stolz, ein Teil davon zu sein.“
Dass er mit 50 Jahren sein WM-Debüt gibt, macht seine Reise umso bemerkenswerter. „Ich bin natürlich kein junger Spieler mehr“, sagte er lachend. „2013 beschloss ich, noch einmal alles zu geben. Ein Teamkollege schaffte es damals in die Nationalmannschaft. Da dachte ich mir: Wenn er das schafft, kann ich das auch.“
Von da an nahm der Traum Gestalt an. „Vor etwa zehn Jahren fing ich an zu glauben, dass ich eines Tages im Alexandra Palace stehen kann“, blickte er zurück. Heute lebt dieser Traum – als einer der überraschendsten und sympathischsten Momente der WM 2026.