„Die Schärfe ist einfach nicht da“ – Alarmzeichen für Michael van Gerwen nach heiklem WM-Start

PDC
durch Nic Gayer
Freitag, 19 Dezember 2025 um 16:15
Michael van Gerwen (4)
Tag acht der Darts WM 2026 lieferte erneut reichlich Gesprächsstoff. Für Vincent van der Voort stach jedoch eine zentrale Erkenntnis besonders hervor: Michael van Gerwen kam mit dem Schrecken davon – und das vor allem wegen fehlendem Rhythmus. Im WM-Podcast Darts Draait Door analysierte der zurückgetretene Profi den 3:1-Sieg von „Mighty Mike“ gegen Debütant Mitsuhiko Tatsunami ungefiltert und legte schnell den Finger in die Wunde.
In den ersten Minuten sah van der Voort noch wenig Anlass zur Sorge. Die ersten drei Pfeile, das Gefühl, dass es schon „mal eben“ laufen würde – und dann doch ein Abend, der in alle Richtungen ging. Nicht, weil Tatsunami plötzlich Weltklasse spielte, sondern weil van Gerwen sich selbst das Leben schwer machte. Van der Voort formulierte es ohne Umschweife: „Ich glaube nicht, dass seine Form so schlecht ist. Ich denke nur, es ist insgesamt ein Mangel an Wettkampfrhythmus.“

Fehlender Rhythmus statt technischer Probleme

Für van der Voort liegt der Kern des Problems nicht in der Technik, nicht im Wurf und nicht einmal in der reinen Form. Entscheidend sei vielmehr, wie van Gerwen seine Wochen im Vorfeld des Alexandra Palace gestaltet habe. „Auch die Art des Trainings. Er hat natürlich zu Hause viel locker geworfen. Er hat schon viel gespielt. Aber er hat sich nicht konsequent getestet. Und genau darauf habe ich oft herumgeritten. Er muss trainieren.“
Das Wort „testen“ fiel dabei mehrfach. Nicht einfach eine Stunde werfen, nicht locker den Arm schwingen, sondern trainieren, als stünde ein Gegner gegenüber, der dich in den entscheidenden Momenten fordert. „Und auch wenn du keinen Gegner hast, musst du Spiele machen, bei denen du dich selbst testest. Und man sieht jetzt, die Schärfe ist einfach nicht da.“
Van der Voort räumte ein, dass bei van Gerwen vieles ordentlich aussah, sich aber nie zu einer konstanten Linie verband. „Manche Aufnahmen, manchmal stecken die Darts sehr schön. Sie stehen gut, sie fliegen schön. Die Armbewegung ist auch nicht verkehrt. Aber es ist nicht scharf genug.“
Genau diese Schärfe entscheidet bei einer Weltmeisterschaft über den Unterschied zwischen Überleben und Dominieren. Gegen einen Gegner wie Tatsunami kann man damit noch durchkommen, doch das Gefühl, mit mehreren Gängen weniger zu spielen, bleibt nicht ohne Folgen.

Letztes echtes Match liegt zu lange zurück

Dass van Gerwen gegen Tatsunami kein klares Statement setzte, überraschte van der Voort nicht. Sein Blick ging vor allem auf den Kalender. „Natürlich spielt das eine Rolle. Wir haben natürlich die Exhibitions gespielt. Und das wollte er auch. Aber das ist auch schon wieder anderthalb Wochen her. Und dann musst du in diesen anderthalb Wochen, bis zwei oder drei Tage vorher, dich selbst testen. Und das ist in meinen Augen viel zu wenig passiert.“
Diese WM zeigt bereits mehrere Spieler, die sofort auf hohem Niveau einsteigen. Van der Voort sprach von einer Gruppe, die „schon etwas abgeliefert hat“, mit Topspielern und Herausforderern, die direkt zeigen, wo sie stehen. Van Gerwen gehörte an Tag acht nicht dazu. „Das hat definitiv nicht geklappt.“
Sein Fazit zur Partie fiel entsprechend deutlich aus. „Ja, das war einfach eine schwache Vorstellung… Das war einfach nicht gut. Er kann froh sein, dass er diesen Gegner hatte und damit durchkam.“ Besonders störte ihn die fehlende Konstanz. „Da war überhaupt keine Kontinuität drin. Oder dass er es irgendwann mal gepackt hat. Der dritte Satz war ziemlich gut. Aber der vierte Satz war wieder wirklich sehr schwach.“

Trainingstipps – solange noch Zeit ist

Bis zum 23.12.2026 bleibt Van Gerwen noch Zeit, und van der Voort glaubt, dass sich in wenigen Tagen durchaus nachschärfen lässt – wenn man es konsequent angeht. „Klar. In ein paar Tagen kann man schon etwas machen. Das geht sicher. Aber dann musst du es auch machen.“
Er erwartet keine Wunder, wohl aber Training, das echten Wettkampfsituationen ähnelt. Keine lockeren Einheiten, sondern Spielformen mit Druck. „Ich denke nur, dass du morgen schon eine Stunde machen musst. Und Spiele spielen musst.“
Ob van Gerwen diese Hinweise annimmt, wollte van der Voort nicht vorhersagen. „Das weiß ich nicht… Man kann es nur anbieten. Und sagen, dass es das ist. Und dann liegt es an ihm, ob er das annimmt. Wenn er denkt, das ist nicht nötig. Dann soll er es vor allem nicht tun.“

Ärger abseits des Boards

Zusätzliche Brisanz bekam der WM-Tag durch einen TV-Moment rund um van Gerwen und seine Ex-Frau Daphne, die an einem Spieltag von Shownews kontaktiert wurde. Van der Voort machte deutlich, dass ihn sowohl das Timing als auch die Art der Veröffentlichung störten. „Ja, stimmt. Ich habe gerade kurz mit ihm darüber gesprochen. Er sagt, sie standen bei Daphne vor der Tür. Und einmal postete sie heute. Das war überhaupt nicht abgesprochen. Sie ist da ein bisschen reingelockt worden.“
Besonders kritisch sah van der Voort den medialen Druck in einer sensiblen Phase. „Da habe ich gesagt, damit bin ich echt nicht glücklich. Wie sie das angegangen sind. Shownews.“ Auch zum verwendeten Inhalt äußerte er sich klar: „Wenn du das ganze Interview sehen würdest, dann würdest du sehen, dass es nur positiv ist. Was sie über ihn sagt. Da kommt nichts Brisantes. Nur so wurde es wieder dargestellt.“

De Decker verzweifelt gegen Kenianer

Während van Gerwen noch entkam, traf Belgien am selben Tag die harte Realität. Mike De Decker schied gegen den kenianischen Debütanten David Munyua aus, der im Alexandra Palace sofort zum Publikumsliebling avancierte. Van der Voort sah in Person von Mike De Decker vor allem einen Spieler, der mit sich selbst kämpft. „Er ist natürlich nicht in Topform. Daher denke ich, dass er auch mit etwas Unsicherheit auf der Bühne stand. Aber ich glaube nicht, dass er damit gerechnet hat.“
Er räumte ein, dass das Publikum voll hinter Munyua stand und die Aufgabe dadurch nicht leichter wurde, kam aber schnell zum Kern zurück. „Nur Mike De Decker in normaler Form… der gewinnt das einfach. Der ist im Moment eben auch hoffnungslos außer Form. Wieder Darts wechseln. Man sieht, dass sein Rhythmus derzeit nicht stimmt.“
Hinzu kam der entscheidende fünfte Satz, in dem De Decker mit zwei 180ern kurz Hoffnung schöpfte, am Ende aber doch die entscheidenden Doppel-Treffer kassierte. „Im nächsten Leg verpasst er einen Dart zum 2:0. Und dann räumt der Kerl mal eben die 135 sauber weg. Ja, dann weißt du auch… dass du in der Ecke sitzt, in der die Schläge landen.“
Van der Voorts Urteil blieb so simpel wie hart – auch mit Blick auf den Average des Kenianers. „Trotz allem. Der Mann spielt am Ende, glaube ich, 80 im Schnitt über das ganze Match. Das musst du einfach gewinnen.“

Wattimena entkommt – muss aber zulegen

Auch Jermaine Wattimena erreichte die zweite Runde, wirklich überzeugend war sein Auftritt jedoch nicht. Van der Voort sprach von „irgendwann etwas Panik“ und nannte es ein Match, aus dem Wattimena „eine Menge lernen“ könne. Der entscheidende Unterschied zu van Gerwen liege jedoch in der Gesamtsaison. Wattimena könne den Auftritt als Ausrutscher abhaken. „Und bei Wattimena kann man wirklich sagen: Das war heute wahrscheinlich ein Ausreißer. Denn der hat das ganze Jahr über gut gespielt.“
Die nächste Aufgabe hat es jedoch sofort in sich. Mit Scott Williams wartet ein Gegner, der zum Auftakt Eindruck hinterlassen hat. Van der Voort ließ daran keinen Zweifel. „Scott Williams hat in der ersten Runde stark gespielt. Das wird also ein sehr schweres Match. Selbst wenn Wattimena gut in Form ist. Dann ist das einfach ein richtig unangenehmer Gegner.“
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