„Ein Titel würde eine Last von meinen Schultern nehmen, danach kann ich wieder frei nach vorne schauen“ – Luke Woodhouse über das Etikett, das über seinem Kopf hängt

PDC
Samstag, 27 Dezember 2025 um 12:00
Luke Woodhouse (2)
Luke Woodhouse hat genug davon, auf eine einzelne Statistik reduziert zu werden. Seit geraumer Zeit führt der Engländer eine wenig schmeichelhafte Rangliste an: Er gilt als der höchstplatzierte PDC-Profi ohne Titel. Solange kein Pokal in seiner Vitrine steht, bleibt dieses Etikett präsent. Woodhouse lässt sich davon jedoch nicht definieren. Bei der Darts WM 2026 liefert er eindrucksvoll den Beweis, warum er zur erweiterten Weltspitze gehört.
Der 37-Jährige präsentiert sich in starker Verfassung und erreichte souverän die Runde der letzten 32. Dort wartet am Samstag mit Andrew Gilding ein unangenehmer Gegner. Für Woodhouse geht es um mehr als den nächsten Sieg: Jede Partie bietet die Chance, sportlich, finanziell und mental weiter zu wachsen – ein roter Faden in einer Karriere, die von Beständigkeit geprägt ist.

Ein Label, das bleibt – und trotzdem trägt

Seit sieben Jahren spielt Woodhouse auf der PDC Tour, ohne ein Ranglisten- oder TV-Turnier zu gewinnen. Dennoch steht er konstant weit oben und ist auf den großen Bühnen ein vertrautes Gesicht. „Dieses Label – höchstplatzierter Spieler ohne Titel – hängt vorerst über meinem Kopf“, sagt er offen. „Aber man kann es auch umdrehen: Offenbar war ich gut und konstant genug, um hier zu stehen, ohne einen Titel. Das sagt auch etwas.“
Luke Woodhouse in Aktion auf der WM-Bühne
Luke Woodhouse trifft in der dritten Runde der WM Darts 2026 auf Andrew Gilding
Konstanz beschreibt die Laufbahn des Engländers treffend. Während viele Profis starken Schwankungen unterliegen, sammelt er seit rund eineinhalb Jahren fast monatlich Preisgeld und Ranglistenpunkte. Die wiederkehrenden Fragen nach dem fehlenden Titel ermüden ihn. „Ehrlich gesagt bin ich diese Fragen ein bisschen leid“, erklärt er. „Wenn ich in eineinhalb oder zwei Jahren immer noch nichts gewonnen habe, wird es mich vielleicht wirklich stören. Im Moment läuft es aber gut.“
Statt sich an Pokalen festzubeißen, richtet Woodhouse den Blick auf das große Ganze. Sein Ansatz bleibt bewusst einfach: „So gut wie möglich spielen, so viele Matches wie möglich gewinnen und weiter aufbauen. Dann kommen Preisgeld und Ranglistenpunkte von selbst – und hoffentlich folgt der Rest auch.“

Reife statt Verbissenheit

Diese Haltung passt zu dem Realisten, als den sich Woodhouse selbst sieht. Mit zunehmender Erfahrung spielt er entspannter und selbstsicherer als in seinen Anfangsjahren. „Früher habe ich gegen Topspieler manchmal zu sehr gewinnen wollen“, sagt er. „Dann habe ich mein eigenes Spiel aus den Augen verloren. Heute fühle ich mich viel wohler. Ich spiele mein eigenes Spiel – und das ist ein großer Vorteil.“
Diese Ruhe überträgt er auch auf die größte Bühne im Dartsport. Für viele Profis beginnt das Turnier erst richtig nach Weihnachten. „Jeder, der hier gespielt hat, weiß, wie wichtig es ist, nach Weihnachten zurückzukehren“, betont Woodhouse. „Dann ist man wirklich im Herzen der WM. Ich bin sehr froh, dass ich noch dabei bin.“
Die WM bedeutet längst mehr als sportlichen Ruhm. Sie steht exemplarisch für den wirtschaftlichen Aufschwung des Dartsports. In den vergangenen Jahren explodierten Reichweite und Preisgelder, befeuert durch neue Stars und eine wachsende internationale Aufmerksamkeit. Spieler wie Woodhouse profitieren von einer Entwicklung, die vor wenigen Jahren kaum vorstellbar war.

Preisgeldboom verändert Karrieren

„Es ist gigantisch“, sagt Woodhouse über die Dimensionen. „Ein Viertelfinale hier bringt £100.000. Ich bin erst seit sechs Jahren auf Tour. Früher brauchten Spieler dafür fünfzehn oder zwanzig Jahre. In dieser Zeit ist das Preisgeld förmlich explodiert.“
Er erinnert sich gut an seine Anfänge. „In meinem ersten Jahr bekam man £250 für einen Sieg auf der Pro Tour. Wenn man das mit heute vergleicht, wirkt es fast unrealistisch. Wir haben jetzt echte Chancen, unser Leben zu verändern.“
Für Woodhouse bleibt Darts trotz aller Professionalisierung ein Sport der arbeitenden Bevölkerung. Gerade deshalb beeindruckt ihn der aktuelle Wandel. „Es war immer ein Working-Class-Sport. Und jetzt liegen enorme Möglichkeiten auf dem Tisch, sich etwas aufzubauen.“
Gleichzeitig weiß er, dass der Zeitpunkt entscheidend ist. „Ich hatte Glück. Einige Spieler haben das Boot knapp verpasst, sind nicht mehr auf Tour oder haben ihre Tour Card verloren. Die würden alles dafür geben, jetzt um diese Summen spielen zu dürfen.“

Fokus auf Majors statt Pokalfixierung

Mit seiner Position rund um die Top 32 sieht sich Woodhouse in einer komfortablen Ausgangslage. „Ich habe jetzt echte Chancen, davon zu profitieren. Natürlich will ich einen Titel gewinnen – da bin ich ehrlich. Aber das ist nicht mein einziges Ziel.“
Statt Frust nach Turnieren ohne Trophäe setzt er auf nachhaltigen Fortschritt. „Solange ich Matches gewinne und regelmäßig Viertel- oder Halbfinals erreiche, sammle ich Ranglistenpunkte. Das bringt mich zu Turnieren wie dem World Matchplay oder dem World Grand Prix.“ Diese Majors bilden für ihn die entscheidenden Meilensteine. „Mein Ziel ist es, jedes Jahr bei diesen Turnieren dabei zu sein.“
Ein Titel hätte für Woodhouse vor allem eine psychologische Wirkung. „Er würde eine Last von meinen Schultern nehmen, einen Affen vom Rücken. Danach kann ich wieder frei nach vorne schauen.“ Bis es so weit ist, bleibt er seinem Weg treu: ruhig, konstant und überzeugt davon, dass sein eigenes Spiel ihn weiter tragen wird.
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