Mensur Suljovic ist wieder da – und wie. Auf der Bühne des legendären Alexandra Palace feierte der 53-jährige Wiener einen emotionalen Auftaktsieg bei der
Darts WM 2026. Mit seinem 3:1-Erfolg gegen den Kanadier David Cameron meldete sich der „Gentle“ eindrucksvoll zurück – nicht nur sportlich, sondern auch menschlich. Wie so oft bei Suljovic ging es danach weniger um Statistiken als um Herz, Leidenschaft und Lebensweisheit.
„Es ist ein großartiges Gefühl“, sagte er
mit seinem typischen Schmunzeln. „Ich glaube, es ist das siebzehnte Mal, dass ich hier spiele. Ich fühle mich gut, ich spiele gut. Hoffentlich stehe ich die nächsten siebzig Jahre noch hier.“ Ein Satz, der alles über Mensur Suljovic verrät: ehrlich, humorvoll und voller Liebe für das Spiel.
„Das Leben war schwer“ – Ein Sieg mit Bedeutung
Für Suljovic kam dieser Erfolg zur rechten Zeit. Die letzten Jahre hatten Spuren hinterlassen: Verletzungen, Formkrisen, verpasste Turniere. Besonders schmerzte das Jahr, in dem er die WM verpasste – ein Tiefpunkt in einer an Erfolgen reichen Karriere. Dass er nun wieder am Oche steht und direkt gewinnt, macht diesen Moment umso bedeutsamer.
Mensur Suljovic trifft in der zweiten Runde der Darts WM 2026 auf Joe Cullen
„Das Leben war schwer“, sagte er sichtlich bewegt. „Ich tue alles für mich – und für meinen Vater. Ich trainiere jeden Tag. Alles, was ich mache, mache ich für mich. Morgen will ich besser sein, nächstes Jahr vielleicht noch besser.“ Keine lauten Ansagen, keine großen Versprechen – nur ehrliche Worte eines Routiniers, der seine Karriere mit realistischer Demut betrachtet.
Gegen Cameron überzeugte Suljovic mit einem Average knapp unter 95 Punkten – solide, aber aus seiner Sicht kein Grund zum Jubeln. „95 im Schnitt ist nichts“, stellte er klar. „Ich spiele besser, aber ich verfehle Doppelfelder. Dann sagen die Leute: schöner Average. Aber was bringt das, wenn du Doppel 16 verpasst? Der Average bedeutet nichts. Du musst gewinnen. Wenn du gewinnst und gut checkst, fühlst du dich gut.“Es ist diese Entschlossenheit, die seine Karriere geprägt hat – der Glaube, dass Darts sich am Ende nicht in Zahlen messen lässt, sondern in Konzentration, Nervenstärke und Gefühl.
Nächster Gegner: Freund und Widersacher Joe Cullen
In Runde zwei trifft Suljovic auf
Joe Cullen, einen alten Bekannten auf der Tour. Die beiden verbindet eine lange Rivalität – aber auch ehrlicher Respekt. „Joe ist mein Freund. Wirklich, ich mag ihn sehr. Er ist ein sehr netter Mann“, sagte der Österreicher.
Trotzdem bleibt Suljovic realistisch: „Im Moment ist Joe nicht gut. Ich bin auch nicht gut. Vielleicht ist einer von uns plötzlich gut.“ Dann fügte er mit einem Lächeln hinzu: „Joe Cullen ist einer der besten Spieler der Welt. Wirklich. Hundert Prozent.“ Typisch Mensur – selbstkritisch, respektvoll und mit feiner Ironie.
Zwischen Ranglisten und Neuanfang
In der Rangliste spielt Suljovic derzeit keine große Rolle, doch der Österreicher schaut nach vorn. „Das Ranking ist anders“, meinte er. „Dein Gefühl, deine Karriere, alles ist anders.“ Für ihn zählt nicht die Position, sondern das Gefühl, wieder dazuzugehören. „Ich hoffe, dass ich 2026 ein neuer Mensur bin. Dass ich dann wirklich zurückkomme.“
Auch mit Rückschlägen hat er seinen Frieden gemacht. „Jedes Match ist anders. Jedes Turnier ist eine andere Performance. Die WM ist völlig anders als ein Players Championship“, sagte er. Dass er in diesem Jahr bei manchen Turnieren zuschauen musste, tat weh. „Ich saß zu Hause und habe die Players Championships geschaut, während ich selbst nicht gespielt habe. Das ist komisch. Das ist mein Leben. Aber so ist es.“ Ein ehrlicher Einblick in die Gefühlswelt eines Spielers, der Darts nicht nur als Beruf, sondern als Lebensinhalt versteht.
„Alles ist Darts“ – Ein Leben für das Spiel
Suljovic lebt und atmet Darts wie kaum ein anderer. Bei ihm gibt es keine klare Trennung zwischen Bühne und Privatleben. „Alles ist Darts“, sagt er schlicht. „Jedes Match ist anders. Es ist manchmal verrückt, aber das bin ich.“Trotzdem sucht er fernab des Trubels nach Balance. Nach Jahren voller Druck scheint er seinen Frieden zu machen – mit sich selbst und mit dem Spiel. Heute ist für ihn nicht mehr Ruhm das Ziel, sondern Zufriedenheit.
Respekt für Paul Lim – und der Traum vom langen Weg
In der Pressekonferenz sprach Suljovic auch über das Alter. Anlass war Paul Lim, der mit 71 Jahren noch immer WM-Atmosphäre erlebt. Suljovic, selbst 53, zeigte großen Respekt: „Sehr, sehr viel Respekt für Paul. E-Darts, Steeldarts, 16 Gramm, 27 Gramm – das ist völlig anders. Aber was er macht, ist unglaublich.“
Er nutzt die Gelegenheit, auch andere Routiniers zu loben. „Jeffrey de Graaf hat fantastisch gespielt, achtmal 180 geworfen, nur ein paar Doppel verpasst. Das ist Darts. Paul Lim spielt im Moment sogar besser. Wirklich Respekt.“Und auf die Frage, ob er sich selbst in 20 Jahren noch am Oche sieht, lachte er: „Warum nicht? Ich hoffe es. Ich gebe mein Bestes, die nächsten siebzig Jahre.“
Zwischen Traum und Realität
Mit einer Million Pfund Siegprämie und mehr Spielern als je zuvor ist die Darts-WM größer denn je. Doch Suljovic wirkt immun gegen den Hype. „Ich denke nie: Ich werde diese Million gewinnen“, sagte er und grinste. „Meine Frau denkt das vielleicht“, fügte er hinzu und entschuldigte sich lachend: „Sorry, Ladies.“
Er vergleicht die WM mit einem Glücksspiel – ehrlich und bodenständig. „Du kaufst ein Los und denkst: vielleicht gewinne ich. Du gehst in ein Casino und denkst: ich gewinne. Das ist das Gefühl. Aber am Ende denke ich nur an die erste Runde. Danach an die zweite.“So klingt ein Spieler, der den Kampf angenommen hat, ohne den Spaß an der Sache zu verlieren – und der vielleicht noch viele Jahre lang von der Bühne des Ally Pally herablächeln wird.