In seiner aktuellen Analyse wirft PDC-Statistiker Christopher Kempf einen detaillierten Blick auf die 2025er-Daten – mit einer zentralen Frage: Welche Rolle spielt es für das Scoring, ob ein Spieler ein Leg beginnt oder nicht?
In der Welt des Darts gilt es längst als gesichert: Legs gegen den Anwurf zu gewinnen, ist deutlich schwieriger. Im Schnitt sinkt die Siegchance für Spieler, die nicht beginnen dürfen, auf etwa 38 %. Der
World Grand Prix mit seiner „Double-In“-Regel bildet eine Ausnahme – doch bei klassischen 501-Turnieren bleibt der Startvorteil statistisch klar.
Dass Spieler, wenn sie gegen den Anwurf antreten, schlechter abschneiden, liegt oft nicht an technischen Schwächen, sondern an unbewussten mentalen Reaktionen. Die Herausforderung beginnt bereits mit den ersten drei Aufnahmen: Fast immer beginnen beide Spieler mit drei Scoring-Aufnahmen. Doch bereits hier zeigt sich ein Unterschied – abhängig davon, ob man beginnt oder nicht.
Ein Punkt, der den Unterschied macht
Zwar erwarten die Analysten bei den meisten Spielern keine massiven Abweichungen, doch einige Profis zeigen klare Präferenzen. Stars wie
Luke Littler,
Michael van Gerwen,
Gary Anderson,
Raymond van Barneveld,
Luke Humphries oder
Peter Wright erzielen im Schnitt mindestens einen Punkt mehr pro Aufnahme, wenn sie das Leg eröffnen. Was auf den ersten Blick nach wenig klingt, ist statistisch signifikant – und unterstreicht, wie tief der psychologische Aspekt in das Spielgeschehen eingreift.
Der Wunsch, das eigene Leg zu verteidigen, scheint mit der Erfahrung zu wachsen – genauso wie der Druck, bei gegnerischem Anwurf mitzuhalten.
Gerwyn Price durchbricht das Muster
Einer der wenigen Ausreißer:
Gerwyn Price. Der Iceman wirft bei gegnerischem Anwurf sogar konstanter. Nach neun Darts liegt sein Schnitt hier bei 183 Punkten, während er bei eigenem Anwurf auf 179 kommt. Ein möglicher Erklärungsansatz? „Vielleicht reizt ihn der Nervenkitzel“, wie Kempf überlegt – der Adrenalin-Kick, der entsteht, wenn man gegen den Wurf zurückschlägt, statt einfach nur zu verwalten.
Auch Spieler wie
Stephen Bunting stechen hervor – mit nahezu identischer Scoring-Leistung, egal ob sie als Erster oder Zweiter an das Oche treten. Auf der anderen Seite gibt es Profis wie
Justin Hood (13 Punkte weniger nach neun Darts beim Anwurf) oder
Brendan Dolan (12 Punkte mehr als Nachwerfer), deren Präferenzen zwar klar sind, deren Erfolgsquote sich dadurch jedoch nicht signifikant verändert.
Mehr Punkte, weniger Bedeutung?
Was also bringt ein besserer Scoring-Schnitt, wenn er nicht zu mehr Siegen führt? Vielleicht vor allem: Erkenntnisse. Ein Unterschied von zehn Punkten pro neun Darts mag im Matchverlauf keine extremen Auswirkungen haben – doch er offenbart mentale Muster, die bisher kaum sichtbar waren.
In einer Sportart, in der psychische Widerstandskraft und strategisches Denken eine zentrale Rolle spielen, könnten diese feinen Unterschiede ein Schlüssel sein – nicht unbedingt zum direkten Sieg, aber zu einem tieferen Verständnis dafür, warum Spieler spielen, wie sie spielen.