Luke Humphries wandte sich nach seinem
4:1-Sieg gegen
Kevin Doets mit einer Mischung aus Zufriedenheit und neuem Hunger an die Medien. Der Weltmeister von 2024 qualifizierte sich mit einem überzeugenden Auftritt für das
Viertelfinale der
Darts WM 2026. Doch wie so oft bei „Cool Hand Luke“ drehte sich das Gespräch nicht nur um das, was gut lief, sondern vor allem um das, was noch besser werden muss. Denn eines stellte Humphries unmissverständlich klar: Dieses Niveau reicht noch nicht aus, um einen zweiten Weltmeistertitel einzufahren.
„Es war ein starker Sieg“,
begann Humphries nüchtern (YouTube). „Der Start des Matches hat im Grunde sofort den Ton gesetzt.“ Vor allem der erste Satz fühlte sich für ihn nahezu perfekt an. Gleichzeitig zeigte er großen Respekt vor seinem Gegner. „Kevin hat großartig gespielt, vor allem wenn man seine letzte Partie gegen Nathan Aspinall betrachtet. Hätte er dieses Niveau gehalten, hätte ich ihm am Ende einfach die Hand schütteln und ‚fair play‘ sagen müssen.“
Kontrolle ohne Höchstform
Humphries spürte früh im Match, dass er die Kontrolle hatte. Nicht, weil er sein absolutes Topniveau abrief, sondern weil er stabil blieb. „In so einem langen Format gibt es immer Phasen, in denen es kurz weniger gut läuft“, erklärte er. „Ein paar unsaubere Scores, ein paar schwächere Legs. Das gehört dazu. Man darf da nicht zu kritisch sein.“
Luke Humphries trifft im Viertelfinale der Darts WM 2026 auf Gian van Veen
Dennoch gab es entscheidende Momente, in denen er zuschlug. Bei einer 3:1-Führung in Sätzen war keine Spur von Panik zu erkennen – trotz Erinnerungen an frühere Partien, in denen ein komfortabler Vorsprung noch einmal unter Druck geriet. „Es sitzt dir nicht als Angst im Hinterkopf“, sagte er. „Aber es gibt dir Erfahrung. Du denkst: Jetzt muss ich durchdrücken und es schnell zumachen.“
Humphries tat genau das – mit Bedacht. Keine Hektik, keine Überrumpelung, sondern mit dominanten Darts. „Diese 180 im richtigen Moment gab mir Ruhe. Dann weißt du: Du bekommst Chancen, das hier zu beenden.“
Schnitt über 100, aber noch nicht zufrieden
Die Zahlen sprechen für sich: Humphries spielt bei dieser WM mit einem Average von über 100. Dennoch zeigte er sich bemerkenswert selbstkritisch. „Es ist ein solides Niveau, aber nicht das Niveau, mit dem ich dieses Turnier gewinne.“ Seiner Einschätzung nach liegt die Messlatte deutlich höher als bei seinem ersten WM-Titel. „Damals konnte ich mich hier und da durch ein paar Matches ‚durchmogeln‘. Das geht jetzt nicht mehr. Die Auslosung, das Niveau – alles ist härter.“
Mit Blick auf mögliche Gegner wie
Gian van Veen im Viertelfinale und eventuell
Gary Anderson oder Justin Hood in den späteren Runden weiß Humphries, was auf ihn zukommt. „Du musst zwei, drei Spiele hintereinander auf deinem allerbesten Niveau spielen. Sonst reicht es nicht.“
Gian van Veen: eine knifflige Hürde
Das Viertelfinale gegen Gian van Veen wird für Humphries alles andere als einfach. Der Niederländer hat ihn in diesem Jahr bereits viermal geschlagen. Dennoch weigert sich der Engländer, diesen Ergebnissen zu viel Bedeutung beizumessen. „Wenn ich die hier bei der WM gewinne, zählen diese vier anderen Niederlagen nicht mehr“, stellte er klar. „Wenn du mir anbietest: Du verlierst dreimal, aber gewinnst bei der WM, dann unterschreibe ich sofort.“
Gleichzeitig erkennt Humphries die Qualität seines Gegners an. „Es waren alles sehr enge Spiele. Das ist ein längeres Format, das könnte etwas zu meinen Gunsten sein, aber das heißt nicht, dass ich ihn einfach so schlage.“ Die Botschaft ist eindeutig: Unterschätzung kommt für ihn nicht infrage.
Konstanter, aber noch Reserven im Tank
Nach dem Match wirkte Humphries sichtbar energiegeladen, fast erleichtert. „Es fühlte sich gut an, endlich mal ein Spiel zu haben, das etwas konstanter war“, sagte er. „In letzter Zeit war es oft gut, gut, durchwachsen. Jetzt fühlte es sich stabiler an.“ Besonders wichtig für ihn war die Erkenntnis, dass noch mehr möglich ist. „Das gibt Vertrauen. Wenn du gut spielst und trotzdem das Gefühl hast, dass du noch wachsen kannst.“
Genau darin sieht Humphries eine seiner großen Stärken: dann da zu sein, wenn es wirklich darauf ankommt. „Oft habe ich dieses Niveau genau dann gefunden, wenn ich es wirklich brauchte. Nicht immer, aber häufiger als nicht.“ Diese Überzeugung ist entscheidend – vor allem mit Blick auf die absolute Weltspitze, die noch wartet.
Silvesterabend im Stillen?
Und der Silvesterabend? Wilde Partys stehen nicht auf dem Plan. „Ganz ruhig“, lächelte Humphries. „Mit der Familie, das neue Jahr einläuten und früh ins Bett.“ Die große Feier wolle er sich aufheben. „Richtig gefeiert wird erst, wenn das Turnier vorbei ist.“
Der Jahreswechsel fühlt sich für ihn wie ein Neuanfang an. „Letztes Jahr endete enttäuschend. Das ist eine viel bessere Art, das Jahr zu beenden.“ Trotzdem bleibt er vorsichtig. „Es war ein gutes Jahr, aber ein großartiges Jahr wird es nur, wenn ich Weltmeister werde.“
Bewunderung für Anderson und Premier-League-Debatte
Humphries sprach außerdem mit spürbarer Bewunderung über Gary Anderson, der in der anderen Turnierhälfte Eindruck hinterlässt. „Gary ist ein Idol. Die Leichtigkeit, die Selbstverständlichkeit – als Spieler schaut man da immer noch mit Ehrfurcht hin.“ Ob Anderson in die Premier League Darts gehört? Humphries würde ihn dort gerne sehen. „Als Fan und als Spieler würde ich ihn noch einmal sehen wollen.“
Gleichzeitig weiß er, wie belastend dieses Pensum sein kann. „Das Reisen, der Terminplan – das ist nicht für jeden.“ Auch die Diskussion über eine mögliche Erweiterung der Premier League griff Humphries auf. Seine Meinung ist differenziert. „Acht ist wirklich Elite. Zehn könnte vielleicht gehen. Zwölf? Dann verlierst du etwas von dieser Exklusivität.“
Der vielleicht interessanteste Teil des Gesprächs drehte sich um die Frage, was einen Top-Darter wirklich ausmacht. Für Humphries ist die Antwort eindeutig: Mentalität. „70, 80, vielleicht sogar 90 Prozent sind mental“, stellte er fest. „Wenn du mental gut drauf bist, folgen die Darts meist von selbst.“
Er sprach offen über Phasen in seiner Karriere, in denen er den Kopf hängen ließ. „Diese Erfahrungen machen dich stärker. Die Topspieler haben diese Denkweise nicht einfach so – sie entsteht durch alles, was du erlebst.“ Positiv zu bleiben in den entscheidenden Momenten sei der Unterschied zwischen Gewinnen und Verlieren.
Luke Humphries steht wieder dort, wo er stehen will: am Neujahrstag im Viertelfinale, zum fünften Mal in seiner WM-Karriere. Eine Leistung für sich – aber für einen Spieler mit seinen Ambitionen nur eine Zwischenstation. „Das Mindestziel ist immer das Finale. Vor allem, wenn du das Turnier schon einmal gewonnen hast.“