„Ich bin kein Aufgeber, das ist nur ein Formtief“ - Dave Chisnall atmet erleichtert auf nach Sieg in der Auftaktrunde der Darts WM 2026

PDC
Freitag, 19 Dezember 2025 um 11:30
Dave Chisnall (1)
Dave Chisnall trat nach seinem Erstrundenmatch bei der Darts WM 2026 mit einem breiten Lächeln vor die Kameras. Nicht, weil er ein Feuerwerk abgebrannt hätte. Nicht, weil plötzlich wieder alles mühelos funktionierte. Sondern, weil am Ende ein Sieg stand. Nach Monaten voller Zweifel und Rückschläge fühlte sich genau das für den Engländer wie ein Befreiungsschlag an.
Der Erfolg gegen Fallon Sherrock brachte sportlich, emotional und atmosphärisch alles mit, was diese WM-Bühne auszeichnet. Chisnall wusste genau, dass er sich das Leben selbst schwer gemacht hatte. Gleichzeitig erkannte er positive Signale. Vor allem seine Finishes gaben ihm Auftrieb. Mit einer Doppelquote von 47 Prozent widerlegte er eines der hartnäckigsten Narrative über sein Spiel. „Über die Jahre hört man immer wieder, ich sei schlecht auf die Doppeln“, sagte er grinsend. „Aber das habe ich hier nicht gezeigt. Das war einfach gut.“

Ein Spiel auf der Kippe

Chisnall analysierte den Verlauf der Partie ohne Beschönigung. Aus seiner Sicht hätte das Match jederzeit kippen können. „Wenn Fallon ihre Doppel trifft, wird es deutlich enger“, erklärte er. „Sie verpasst Chancen wie diese 158, und das hilft mir natürlich. Gewinnt sie den ersten Satz mit 3:1, weißt du nicht, wie das Ganze ausgeht.“
Dave Chisnall in Aktion auf der WM-Bühne
Dave Chisnall besiegte Fallon Sherrock in der Auftaktrunde der Darts WM 2026
Trotzdem verweigerte er sich dem Blick zurück. Für ihn zählte allein das Ergebnis. „Ich bin froh über den Sieg und weiß, dass ich mich steigern kann. Wenn mein Scoring besser wird und ich weiter konsequent auf die Doppeln gehe, habe ich gegen jeden Gegner eine Chance.“
Auffällig: Chisnall reist ohne große Erwartungen zu dieser WM. Das ist keine Schutzbehauptung. „Es liegt kein Druck auf mir“, betonte er. „Ich spiele einfach mein Spiel. Wenn mir das gelingt, kann ich weit kommen.“ Gleichzeitig sprach er offen über die anhaltenden Probleme. „Ich kämpfe seit neun oder zehn Monaten. Und ehrlich gesagt weiß ich nicht einmal genau, warum.“
Diese Ungewissheit macht die Situation besonders zermürbend. Chisnall spürt, wie nah er seinem alten Niveau ist, doch die letzte Konsequenz fehlt. „Wenn dieses eine Puzzleteil sitzt, bin ich extrem schwer zu schlagen“, sagte er. „Aber es greift noch nicht.“
In der zweiten Runde wartet mit Ricardo Pietreczko ein Gegner, den Chisnall respektiert, aber nicht fürchtet. „Jeder weiß, dass Ricardo ein guter Spieler ist. Aber ich bin es auch“, stellte er klar. „Eines ist sicher: Ich werde dort nicht so spielen wie heute. Das kann besser. Das muss besser.“

Technische Baustellen und mentale Geduld

Ungewöhnlich offen sprach Chisnall über seine technischen Schwierigkeiten. Vor allem sein Wurf bereitet ihm Probleme. „Manchmal ziehe ich den Arm zu weit zurück, manchmal werfe ich zu hastig“, erklärte er. „Dann fliegen die Darts überall hin. Und das Frustrierende ist: Ich merke es, aber ich kann es nicht immer stoppen.“
Gerade diese Erkenntnis macht die Situation so kompliziert. „Je mehr du versuchst, es zu korrigieren, desto schlimmer wird es manchmal“, sagte er. Immerhin betreffe es nicht sein gesamtes Spiel. „Es ist nur ein Teil davon. Also konzentriere ich mich auf das, was funktioniert."
Externe Hilfe lehnt Chisnall weiterhin ab. Vorschläge, mit Coaches oder Kollegen zu arbeiten, wischt er beiseite. „Das interessiert mich nicht besonders“, meinte er. „Ich bin, wer ich bin. Wenn es nicht läuft, dann läuft es nicht. Aber ich weiß, dass es zurückkommt.“ Sein Vertrauen in sich selbst sei ungebrochen. „Das ist ein Formtief, mehr nicht.“
Auf Nachfrage ordnete er diese Phase dennoch ein. Es sei eine der schwierigsten seiner Karriere. Gleichzeitig erinnerte er an frühere Rückschläge. „Als meine Mutter gestorben ist, war das vermutlich die härteste Zeit. Ich habe monatelang schlecht gespielt. Aber ich bin da durchgekommen.“
Diese aktuelle Phase fühlt sich anders an. „Ich weiß nicht, warum das passiert. Es passiert einfach“, sagte er. „Das Einzige, was ich tun kann, ist weiterzukämpfen. Wenn ich eine Chance bekomme, muss ich sie nutzen.“

Sherrock, Bühne und Publikum

Das Los gegen Fallon Sherrock hatte im Vorfeld gemischte Gefühle ausgelöst. Chisnall sprach offen darüber. „Eigentlich willst du auf dieser Bühne nicht gegen eine Frau spielen“, sagte er ehrlich. „Nicht, weil sie nicht gut ist – das ist sie –, sondern weil du weißt, wie das Publikum reagieren kann. Sie lieben den Underdog.“
Umso positiver fiel sein Fazit aus. „Das Publikum war fantastisch“, lobte er. „Kein Buhen, kein Pfeifen. Einfach Respekt für uns beide.“ Diese Atmosphäre habe zu einem flüssigen Spiel beigetragen, trotz der schwankenden Qualität. Für Chisnall war das keine Selbstverständlichkeit, sondern ein Faktor, den er ausdrücklich würdigte.

Ehrlichkeit bis ins Detail

Ob er stolz auf seine Leistung sei, beantwortete Chisnall ohne Umschweife. „Ich bin stolz, dass ich gewonnen habe. Es ist lange her, dass ich im Fernsehen gewonnen habe“, sagte er. „Aber ich bin nicht stolz auf mein Spiel. Ich kann viel besser spielen und das muss ich auch, wenn ich hier weiterkommen will.“
Ein kurioses Detail blieb nicht unerwähnt. Während des Matches saßen zeitweise zwei Wespen auf ihm, ohne dass er es bemerkte. „Die Security hat sie in der Pause entfernt“, lachte er. „Aber das hatte keinen Einfluss.“

Rangliste? Nebensache

Dass er in der Weltrangliste deutlich zurückgefallen ist, beschäftigt Chisnall kaum. „Ich schaue nicht auf Rankings“, stellte er klar. „Wenn Leute sagen, du bist von drei auf 21 gefallen, dann sage ich: Das ist Darts. Du warst gut, also standest du oben. Jetzt hast du ein schlechtes Jahr, also fällt das Geld weg.“
Diese nüchterne Sicht passt zu seinem gesamten Auftritt. Keine Ausreden, kein Drama. Nur die Überzeugung, dass es weitergeht. „Ich bin seit fünfzehn, sechzehn Jahren dabei“, sagte Chisnall. „Ich bin kein Aufgeber, das ist nur ein Formtief.“
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