„Darts war immer ein Hobby“ – Gary Anderson denkt über seine Karriere nach

PDC
Samstag, 22 November 2025 um 8:30
Gary Anderson
Gary Anderson hat einmal mehr gezeigt, warum er zu den beliebtesten und respektiertesten Spielern im Dartsport gehört. Der zweifache Weltmeister, der seine Turnierstarts inzwischen sehr genau auswählt, lieferte bei den Players Championship Finals in Minehead eine souveräne Vorstellung ab und besiegte Mario Vandenbogaerde mit 6:2. Hinter dem typischen Humor des Schotten verbarg sich jedoch eine bemerkenswerte Ehrlichkeit: Anderson ringt zunehmend mit Motivation, körperlichen Rückschlägen und einer Dartszene, die immer professioneller wird.
Schon kurz nach dem Match gab er Einblicke in seinen Gemütszustand und blickte dabei ebenso selbstkritisch wie humorvoll auf seine Karriere zurück: „Wenn ich noch einmal von vorne anfangen könnte, wäre es vielleicht besser gewesen, Snooker zu spielen“, sagte er mit einem Augenzwinkern. „Das ist viel einfacher.“

„Darts war für mich immer ein Hobby“ – Anderson über seine Arbeitsweise

Wenige Sekunden später wurde es deutlich ernster. Anderson betont, dass er nie zu den Trainingsweltmeistern gehört hat: „Ich hätte mehr Zeit in die Sache investiert. Dart war für mich immer ein Hobby, so verrückt das auch klingt. Ich weiß, dass die Leute sagen, ich würde viel trainieren, aber das stimmt einfach nicht.“ Er setzt noch einen drauf: „Komm und lebe sechs Monate lang mit mir, filme jede Sekunde – du wirst sehen: Ich übe wirklich fast gar nicht.“
In einer Ära, in der Spieler wie Luke Littler oder Josh Rock täglich mehrere Stunden trainieren, wirkt diese Aussage beinahe aus der Zeit gefallen. Anderson macht jedoch deutlich, dass er diesen Aufwand weder früher betrieben noch heute vorhat.

Die Rückkehr der Noir-Darts – und die Suche nach dem richtigen Gefühl

Für Aufmerksamkeit sorgte in Minehead auch seine Rückkehr zu den legendären schwarzen Unicorn-Noir-Darts, mit denen Anderson einst große Erfolge feierte. Die Entscheidung fiel jedoch spontan – und unter gewissen Umständen: „Seit Wolverhampton war ich meistens im Bett. Das hier war buchstäblich das erste Mal, dass sie seitdem wieder aus der Schachtel kamen. Und sie liefen überraschend gut.“
Sogar sein Ausrüster zeigte sich skeptisch. „Ich habe gestern mit Jack von Unicorn gesprochen und gesagt: ‚Vielleicht hole ich meine alten Darts zurück.‘ Seine Antwort kam sofort: ‚Nein, tu das nicht! Wirf sie weg, wenn du musst, aber geh nicht zurück.‘“ Anderson probierte sie trotzdem aus – und war positiv überrascht. Ob sie dauerhaft bleiben? „Sie sind wunderschön, der Griff ist fantastisch – vielleicht sogar zu gut. Wenn ich den richtigen Platz finde, könnte es ein Hüter sein.“

Krank, schwach, aber immer noch da

Vollständig fit ist Anderson allerdings noch nicht. Nach dem Grand Slam of Darts fühlte er sich zeitweise so schlecht, dass er kaum spielen konnte. „Ich hatte massive Halsschmerzen, Fieber, ich konnte nicht einmal meinen Kaffee schlucken. Aber ich war hierhergekommen, egal was passiert. Selbst wenn ich auf dem Sterbebett läge“, scherzt er. „Manchmal ist es so, als wäre ich schon tot und das hier die Hölle – ein bisschen wie in der Matrix!“
Sportlich lief es beim Grand Slam ebenfalls nicht nach Plan: Zum ersten Mal schaffte er es nicht über die Gruppenphase hinaus. Übertriebenen Ärger verspürt er deshalb aber nicht. „Es hat mir nichts gebracht. Ich habe gegen Beau Greaves und Niko Springer gut gespielt – er war einfach besser in den Finals. Mehr ist es nicht.“

Gary Anderson tritt in der zweiten Runde gegen Ricardo Pietreczko an
Gary Anderson tritt in der zweiten Runde gegen Ricardo Pietreczko an

Die neue Generation muss ALLES spielen

Einer der spannendsten Aspekte des Gesprächs mit Gary Anderson dreht sich um die mentale Belastung im Profidarts. Anderson betont, dass besonders junge Spieler hart zu sich selbst sind, wenn sie früh aus einem Turnier ausscheiden – und dass das Teil des Geschäfts ist. „Für junge Menschen ist das ihr Traum, ihr Leben. Sie müssen hart sein“, sagt er. Wer im Ranking aufsteigen wolle, müsse täglich trainieren, Woche für Woche spielen und jedes Turnier mitnehmen. „Das ist hart, aber es gibt keinen anderen Weg.“
Der Kontrast zu Andersons eigener Karriere könnte größer kaum sein. Er gibt offen zu, dass er längst nicht mehr so akribisch arbeitet wie viele seiner Kollegen. Während andere Tag und Nacht trainieren, „doktert“ er – wie er es nennt – nur noch herum.

Ein Leben jenseits des Darts

Heute stehen für Anderson andere Dinge im Mittelpunkt. „Ich habe im Moment einfach keine Zeit, um Dart zu spielen“, sagt er. In seinem Leben sei so viel los, dass der Sport weit nach unten gerutscht sei. Um wieder an die Weltspitze zu kommen, müsste er sich komplett darauf einlassen – doch die hundert Prozent habe er derzeit nicht.

Unterstützung für Adrian Lewis

Bemerkenswert ist auch Andersons Einsatz für Adrian Lewis. Schon Anfang des Jahres hatte er betont, wie sehr er sich ein Comeback des ehemaligen Weltmeisters wünsche. Mit seinem eigenen vollen Terminkalender werde es aber schwierig, selbst die Q-School zu spielen. „Aber ich würde mich freuen, wenn Adrian zurückkommt. Er ist fantastisch – ein echter Spieler der alten Schule.“ Lewis sei jemand, mit dem man lache, scherze und „Old-Boy-Cricket“ spielen könne, dazu ein außergewöhnliches Talent. Doch seine Familie gehe vor, betont Anderson – genauso, wie es sein sollte.

Andersons Fazit

Rückblickend zeigt sich Anderson zufrieden und zugleich realistisch. Er bereut nichts, weiß aber, dass er vielleicht noch mehr hätte erreichen können, wäre er kompromisslos den harten Weg gegangen. Doch statt Wehmut bleibt er sich selbst treu: „Ich hatte einen guten Lauf. Das war’s. Ende der Geschichte.“
Und dennoch: Auch wenn Anderson Darts stets als Hobby betrachtet hat, bleibt er eines der größten Naturtalente der Sportgeschichte. Genau deshalb hofft die Dartswelt weiterhin, dass sein persönliches Ende der Geschichte noch nicht geschrieben ist.
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