In Butlins Minehead bot sich ein vertrautes Bild:
Luke Littler meisterte seine erste Hürde bei einem großen Turnier mit einer Selbstverständlichkeit, die seinem Alter weit voraus ist. Die 18-jährige Sensation – amtierender Weltmeister und frisch gekürte Nummer eins der Welt – wirkt abgeklärt, konzentriert und nahezu unerschütterlich. Gleichzeitig erreicht der Medienrummel um den Teenager eine neue Dimension. Nach seinem souveränen 6:1-Sieg über den niederländisch-schwedischen Qualifikanten Jeffrey de Graaf nahm sich Littler ausführlich Zeit für die Presse und sprach offen über Erwartungsdruck, Erfolgsdruck und die ständige Jagd nach Titeln.
Kaum ein anderer Spieler seiner Generation steht derart im Rampenlicht. Doch statt unter der Last zu zerbrechen, scheint Littler sie als Antrieb zu nutzen. Seine Worte zeigen, wie sehr er sich in kurzer Zeit verändert hat – und wie klar er seine neue Position im Darts-Kosmos einschätzt.
„Lange war ich der Jäger – jetzt wollen mich alle fangen“
Gleich zu Beginn des Gesprächs spricht Littler über das Leitmotiv seiner aktuellen Karriere: den Wandel vom Herausforderer zum Gejagten. „Lange Zeit war ich derjenige, der versucht hat, aus allen schlau zu werden“, sagt er. „Aber jetzt bin ich derjenige, den alle schlagen wollen. Das fing eigentlich schon nach meinem ersten Lauf bei der WM an. Ab da wollten mich alle fangen – und das hat sich nicht geändert.“
Viele Spieler empfinden diese Rolle als Belastung. Littler dagegen scheint genau daraus seine Lockerheit zu ziehen. Er verweist auf die Worte seines Dauerrivalen Luke Humphries – jenes Spielers, den er in den vergangenen Monaten in mehreren großen Finals getroffen hat. „Wenn uns niemand stoppt – Humphries wurde hier von Gian van Veen gestoppt – dann stehen wir einfach weiter gemeinsam im Finale. Und solange ich gut werfe, ist das alles, was zählt.“
Solider Start in Minehead – und das ständige Suchen nach dem nächsten Gang
Sein erstes Match in Butlins bewertet Littler als ordentlich, aber keineswegs makellos. „Ich hatte keinen fantastischen Start“, sagt er. „Aber ich wusste, dass es irgendwann kommt.“ Dieser berühmte „nächste Gang“, über den Kommentatoren so oft sprechen, scheint ihm jederzeit zur Verfügung zu stehen.
Doch für viele Beobachter stellt sich die Frage, ob Littler irgendwann an einen Punkt kommt, an dem diese Leistungsreserven versiechen. Der junge Weltmeister bleibt gelassen. „Diese Frage wurde mir kürzlich auch gestellt. Natürlich hat jeder Spieler mal eine Flaute. Aber solange ich weiter trainiere und mein Spiel spiele, glaube ich nicht, dass ich bald in so eine schlechte Phase rutsche. Bisher habe ich jedes Mal den Gang gefunden, wenn ich ihn gebraucht habe.“
Zum ersten Mal als Weltnummer eins angekündigt
Ein besonderer Moment in Butlins war seine Vorstellung auf der Bühne. Zum ersten Mal wurde Littler offiziell als neue Nummer eins der Welt präsentiert – ein Augenblick, von dem viele Profis ihr ganzes Leben träumen. „Es war ein tolles Gefühl“, sagt er mit einem breiten Lächeln. „Einfach fantastisch.“
Der 18-Jährige erlebt aktuell eine Phase, die er selbst als die beste seiner bisherigen Karriere bezeichnet. „Alles scheint gut zu laufen. Bei jedem Turnier, das ich spiele, gibt es entweder ein Finale oder einen Titel. Seit ich auf die Tour gekommen bin, geht es ohne Unterbrechung weiter – und das wird vorerst auch nicht aufhören.“
Ruhm, Medienrummel und der Wunsch nach Normalität
Doch bei all dem Erfolg stellt sich die Frage, ob sich Littler manchmal nach Momenten der Anonymität sehnt. Ein Journalist fragt ihn direkt: Würde er nicht gerne für fünf Minuten einfach nur Luke Littler sein – und nicht „Luke The Nuke“?
„Ja, das habe ich auch schon gesagt“, gibt Littler zu. „Aber mittlerweile habe ich mich so an die Aufmerksamkeit gewöhnt, dass es sich vielleicht seltsam anfühlen würde, wenn ich mich plötzlich eine Woche lang komplett isolieren würde. Es ist ein Lernprozess. Ich lerne jeden einzelnen Tag, damit umzugehen.“
Wenn er an seine erste Weltmeisterschaft zurückdenkt, als er sich zeitweise in einen Wohnwagen zurückzog, um dem enormen Druck auszuweichen, wirkt das Leben von damals heute fast surreal. „Es fühlt sich an, als wäre das eine Million Jahre her“, sagt er. „Aber in meinem Spiel habe ich nicht vor, langsamer zu werden.“
Luke Littler tritt in der zweiten Runde gegen Ross Smith an
Hätte ein langsamerer Fortschritt geholfen?
Im Gespräch taucht schließlich eine Frage auf, die viele Fans und Experten beschäftigt: Hätte Luke Littler nicht lieber einen langsameren, gemächlicheren Weg an die Weltspitze genommen? So wie andere Talente, die erst zwei Jahre Erfahrung sammeln, sich Stück für Stück in der Rangliste vorarbeiten und dann erst die große Bühne betreten? Littler schüttelt nur den Kopf. „Ich habe das alles nicht geplant. Ich bin einfach hineingerutscht, und es kam alles auf einmal“, sagt er. „Das verdanke ich meinen Sponsoren, meiner Familie und natürlich meiner eigenen Arbeit. Und solange es gut läuft, möchte ich das auch so beibehalten.“
Ein Thema, das im Circuit immer wieder diskutiert wird, ist die Teilnahme an den Players Championships – lange Tage in Wigan oder Leicester, die von vielen Profis als mental fordernd und mitunter eintönig beschrieben werden. Sein Finalgegner Luke Humphries hat sogar öffentlich darüber nachgedacht, in der kommenden Saison komplett auf diese Events zu verzichten.
Wäre das auch für Littler ein denkbares Szenario? Der Weltmeister antwortet überraschend klar: „Die
Players Championship Finals sind das einzige große Turnier, das ich noch nicht gewonnen habe. Also würde ich an diesem Wochenende wirklich gerne den Titel holen. Wenn das klappt, werde ich sehen, was ich nächste Saison mache.“ Hinter den Kulissen habe er bereits darüber gesprochen, vielleicht nur das Turnier in Wigan zu spielen und den Rest wegzulassen. „Wenn ich mich qualifiziere, großartig. Wenn nicht, dann nicht. Das ist eine Entscheidung, die wir bald treffen und dann bekannt geben werden.“
Warum alle gegen Littler besser spielen – und ihn das kaum beeindruckt
Ein Phänomen, das die Tour seit Monaten begleitet, ist die Tatsache, dass viele Gegner gegen Littler außergewöhnlich starke Leistungen abrufen. Als würde allein seine Präsenz sie auf ein höheres Niveau heben. Littler nimmt es mit Humor: „Wenn jemand auf der Pro Tour normalerweise einen 80er-Durchschnitt wirft und gegen mich plötzlich 105, denke ich nur: ‘Ja, du brauchst es auch.’ Das gehört dazu.“
Gleichzeitig betont er, dass diese Formspitzen selten nachhaltig sind. „Manchmal werfen sie 110 gegen mich – und in der nächsten Runde wieder 80. Das ist Darts. Solange ich mein eigenes Spiel spiele, gewinne ich.“
So endet das Gespräch dort, wo es begonnen hat: bei der Rolle des Gejagten. Jeder will ihn schlagen. Doch der Teenager wirkt, als mache ihn genau diese Situation nur noch gefährlicher. „Alle sind hinter mir her, aber das war eigentlich schon bei meiner ersten Weltmeisterschaft so. Es hat sich nichts geändert. Ich werfe weiter, ich gewinne weiter – und wenn uns niemand aufhält, sehen wir uns weiterhin in den Finals.“
Mit diesen Worten verlässt Luke Littler das Interviewpodium: selbstbewusst, ruhig und mit der Aura eines Champions, dessen historische Karriere gerade erst begonnen hat.