Gary Anderson hat der Dartswelt bewiesen, dass er längst nicht zum alten Eisen gehört. Mit einem brillanten
Auftritt in der zweiten Runde der Darts WM 2026 und einem Average von über 105 Punkten zeigte der Schotte, dass Erfahrung und Leidenschaft noch immer triumphieren können. Der zweifache Weltmeister spielte frei auf, voller Selbstvertrauen und Klasse – ein „Flying Scotsman“, der wieder über der Bühne schwebte.
Nach seinem überzeugenden Sieg blieb Anderson typisch gelassen. „Jeder ist heutzutage gut“, sagte er mit einem leichten Grinsen. „Aber da waren auch ein paar Legs mit Würfen von sechzig und weniger dabei – der Average hätte sogar noch höher sein können.“ Trotz kleinerer Phasen der Unzufriedenheit überwog die Freude. „Im ersten Satz lief das Scoring brillant, doch die Doppel wollten nicht. Im zweiten Satz fielen sie, und dann wächst das Vertrauen sofort.“
Von der Pro Tour auf die große Bühne
Anderson hatte schon auf der Pro Tour und der European Tour mehrfach angedeutet, dass er noch immer starke Zahlen spielen kann. Die Frage war nur: Kann er dieses Niveau auch auf der größten Bühne abrufen? Seine Antwort fiel eindrucksvoll aus. „Heutzutage ist Gewinnen schon ein schönes Gefühl“, erklärte er. „Und ja, ich kann es also immer noch. Die Leute glauben, Darts sei ein Spiel für die Jungen – das stimmt einfach nicht.“
Gary Anderson trifft in der dritten Runde der Darts WM 2026 auf Jermaine Wattimena
Einen Anteil an dieser neuen Leichtigkeit hatte auch sein Sohn Ty. Anderson reiste früh zur WM an und verbrachte mehrere Tage mit ihm in London. „Wir sind schon am Samstag gekommen, haben drei Tage zusammen im Zimmer verbracht. Ty schleppt mich ständig los, um 121 zu spielen – er ist völlig versessen auf dieses Spiel. Das ist besser, als nervös auf dem Bett hin und her zu wippen.“
Respekt für Connor Scutt
Trotz dominanter Vorstellung fand Anderson nur lobende Worte für seinen Gegner
Connor Scutt, der ihn forderte wie selten zuvor. „Connor ist ein fantastischer Spieler, genauso wie Justin Hood im Match davor“, betonte Anderson. „Viele kennen Justin noch nicht, aber glaubt mir – der Kerl ist nicht nur stark, sondern auch einer der nettesten Typen im Circuit.“
Auch über Scutt sprach er voller Anerkennung. „Er ist ein Kämpfer mit Herz. Natürlich wird er sich heute mächtig ärgern, aber er bekommt noch viele Chancen auf dieser Bühne. Seine Zeit wird kommen.“
Jermaine Wattimena als nächste Hürde
In der dritten Runde wartet mit
Jermaine Wattimena ein erfahrener Gegner, den Anderson nicht unterschätzt. „Über die letzten 18 bis 24 Monate war Jermaine fantastisch“, sagte der Schotte. „Das wird ein hartes Match.“ Mit seinem bekannten trockenen Humor fügte er hinzu: „Jedes Mal, wenn man von einem Kracher spricht, wird’s Murks. Aber im Ernst – das wird ein richtig schwieriges Spiel.“
Geburtstag, Selbstvertrauen und alte Flights
Passend zur starken Leistung feierte Anderson einen Tag vor seinem Spiel seinen Geburtstag – ein zusätzlicher Motivationsschub. „Alte Kerle können immer noch Darts spielen, ab und zu“, sagte er mit einem Augenzwinkern. „Ich liebe dieses Turnier – und hasse es zugleich. Jedes Mal, wenn ich hier antrete, bin ich wieder ein Jahr älter.“
Vor allem aber sei dieses Match für ihn psychologisch wichtig gewesen. „Es ist schön, mal wieder so zu spielen, wie ich weiß, dass ich es kann. Das passiert nicht mehr oft, aber heute Abend war’s so.“ Anderson sprach offen darüber, dass er im Grunde nichts gegen ein „ruhigeres Leben“ auf der Pro Tour hätte. „Ich hätte kein Problem damit, mein Leben lang Pro Tours zu spielen. Aber es ist einfach schön, auf der Bühne gut zu spielen.“
Ein weiterer Faktor war das Material. „Ich bin zu meinen alten Shafts und Flights zurückgekehrt. Nach der letzten WM haben mich genug Leute daran erinnert, wie gut sie waren. Heute Abend haben sie genau das gemacht, was ich wollte.“
Fokus statt Hype – und ein Wort zu Peter Wright
Während derzeit die beiden „Lukes“ – Humphries und Littler – das Rampenlicht beherrschen, behält Anderson seine Bodenhaftung. „Sollen sie reden, so viel sie wollen. Ich bin hier, um Pfeile zu werfen“, sagte er. „Sie sind die besten der Welt, keine Frage. So wie früher alle Phil Taylor jagten.“
Er betonte zugleich, dass die Leistungsdichte im Darts so hoch wie nie sei. „Wir sehen bei diesem Turnier, dass niemand unbesiegbar ist. Selbst die Topspieler straucheln.“
Mit deutlichen Worten nahm Anderson auch seinen Freund Peter Wright in Schutz. „Wir sind keine Roboter. Zwei schlechte Spiele, und schon heißt es: Er ist fertig, er hört auf. So läuft das nicht.“ Dabei erinnerte er an Michael van Gerwen: „Der Kerl hat zehn Jahre auf höchstem Niveau gespielt. Wenn er mal ein kleines Tief hat, schreien alle gleich Krise. Lasst die Jungs atmen.“
Keine Spur von Nervosität
Der frühere Anderson war bekannt dafür, an seiner Nervosität zu leiden – oft buchstäblich. Heute ist er ein anderer Mensch. „Früher war ich so angespannt, dass mir schlecht wurde. Ich stand draußen und habe gekotzt, bevor ich rausmusste“, erzählte er offen. „Jetzt ist dieses Gefühl einfach weg.“
Stattdessen genießt er seinen Sport wieder – mit einer wichtigen Ausnahme. „Ich hasse Interviews“, sagte er lachend. „Aber das Spiel selbst? Ich liebe es noch immer.“
Inspiration aus Erfahrung
Inspiration findet Anderson bei den Veteranen des Sports. Besonders beeindruckte ihn kürzlich der 71-jährige Paul Lim. „Der Mann müsste das alles nicht mehr machen, aber er liebt Darts so sehr, dass er einfach weitermacht. Alter bedeutet nichts, wenn du das Spiel liebst.“
Und auch für sich selbst schließt Anderson eine lange Zukunft auf der Bühne nicht aus. „Ich will bis zu meinem 60. Lebensjahr spielen, damit ich meinem Sohn noch eine ordentliche Abreibung verpassen kann, sobald er sechzehn“, sagte er mit einem Schmunzeln.
Stolz auf die Entwicklung des Sports
Zum Ende blickte Anderson mit Stolz auf die Entwicklung seines Sports. „Mein erstes Turnier? Da gab’s einen Hühnerkorb und ein Gratis-Set Darts“, lachte er. „Du hast das Finale verloren und ein Set Elk Master-Darts bekommen – das war dein Preis.“
Heute ist Darts längst ein globales Phänomen, und Anderson spürt das Wachstum mit Freude. „Es ist riesig geworden. Jetzt siehst du Kinder, die mit sechs oder sieben Jahren Pfeile werfen. Das ist fantastisch für die Zukunft des Sports.“