Wayne Mardle hat im Darts so gut wie alles erlebt – als Spieler, Kommentator und Analytiker. Doch selten sprach der frühere Publikumsliebling so offen über die Generation, die den Sport derzeit neu definiert. Im
Gespräch mit Online Darts zeichnet der Engländer ein präzises Bild der aktuellen Machtverhältnisse in der PDC – und für ihn führen alle Linien auf zwei Namen hinaus:
Luke Littler und
Luke Humphries.
Für Mardle steht fest: Auch wenn die
Darts WM 2026 auf dem Papier so offen wie lange nicht erscheint, entscheidet sich der Weg zum Titel über die beiden dominanten Spieler der vergangenen zwölf Monate. „In diesem Jahr ging es um zwei Spieler: Luke Humphries und Luke Littler. Kann sie im Moment überhaupt jemand stoppen?“, fragt er und liefert die Antwort gleich mit: „Es ist schwer zu glauben, dass jemand beide ausschaltet. Man kann sie einzeln schlagen, aber der Sieger verliert danach oft selbst wieder. Die einzige Konstante: Sie stehen in den Finals.“
Littler und Humphries – zwei Spieler, ein Maßstab
Lange galt Littler in seinem ersten großen Jahr als verwundbar – vor allem in frühen Runden, so lautete das gängige Narrativ. Doch laut Mardle ist diese Annahme endgültig überholt. „In den letzten vier oder fünf Turnieren habe ich meine Meinung geändert. Anfangs hieß es: Schlag ihn früh, sonst ist er zu stark. Aber das Format spielt keine Rolle mehr. Er ist dem Rest voraus – außer Humphries“, erklärt er.
Wayne Mardle erreichte selbst fünfmal das Halbfinale der Darts-WM
Der Unterschied liegt für Mardle nicht in spektakulären Finishes, sondern in purer Kontrolle. „Humphries und Littler diktieren Matches, weil sie durchgehend Druck auf den Score ausüben. Ihre Scoringpower macht es fast unmöglich, mitzuhalten.“
Mardle beobachtet, wie konstant die beiden ihre Gegner unter Zugzwang setzen: Jeder 140er, jeder Tripple-Treffer formt eine Spirale, in der der Rest des Feldes kaum Luft bekommt. „Wenn Humphries seinen Rhythmus findet, bleibt niemand dran. Littler hat denselben Effekt – mit erst 18 Jahren.“
Keine Vergleiche, aber deutliche Parallelen
Trotz all seiner Begeisterung weigert sich Mardle, Littler direkt mit Legenden wie Phil Taylor oder
Michael van Gerwen zu vergleichen. „Ich vergleiche nicht. Comparison is the thief of joy, merk dir das“, sagt er. Doch er erkennt sehr wohl Parallelen.
„Die Scoringphasen von Littler und Humphries liegen auf dem Niveau von Van Gerwen in seinen besten Jahren. Taylor spielte anders, methodischer, aber was die Effektivität angeht, stehen sie ihm in nichts nach.“ Besonders die Geschwindigkeit der großen Aufnahmen erinnert ihn an die Hochzeiten des Niederländers. „Michael ging 180, 180, 105, 36 aus. Littler und Humphries machen dasselbe, nur auf ihre Art. Es sieht anders aus, ist aber genauso tödlich.“
Wenn Mardle von Druckmomenten spricht, schwingt Anerkennung mit. „Unter Druck gibt es nur drei Spieler auf diesem Niveau: Taylor, Van Gerwen und Littler. Er knickt nicht ein. Er knickt unter Druck nie ein. Das ist selten.“
Auf dem Weg zum besten Darts aller Zeiten?
Als Analyst wird Mardle immer wieder gefragt, ob Littler schon Van Gerwens sagenhaftes Niveau aus den Jahren 2016 und 2017 erreicht. Diese Phase nennt er „das beste Darts, das ich je gesehen habe“. Und dennoch: Er sieht einen entscheidenden Unterschied.
„Heute gibt es viel mehr Turniere. Littler wird automatisch öfter verlieren. Van Gerwen gewann damals über die Hälfte aller Events pro Jahr. Littler ist unfassbar, aber Humphries steht ihm kaum nach. Niemand sonst gewinnt aktuell Titel.“
Mardle glaubt, dass sich die Spitzengruppe auf einem Niveau bewegt, das historisch ist – aber die Breite des Feldes stagniert. „Sind die anderen besser geworden? Nein. Wird Littler besser? Wahrscheinlich ja. Humphries hält sein Level. Und Littler spielt schlicht das beste Darts der Welt.“
„Wir haben vergessen, wie gut Humphries ist“
In der öffentlichen Wahrnehmung überstrahlt Littler alles. Wenn die Teenager-Sensation auftritt, verschwimmen die Leistungen anderer. Für Mardle ist das unfair – vor allem gegenüber Humphries. „Wir haben vergessen, wie gut Luke Humphries ist“, betont er. „Und dasselbe gilt für Van Gerwen. Viele tun so, als sei er verschwunden. Aber er stand im letzten WM-Finale, gewann die World Series Finals und bleibt absolute Weltklasse. Vergesst ihn nicht.“
Mardle kritisiert auch, dass leise dominierende Spieler zu wenig Anerkennung erhalten. „Danny Noppert, James Wade, Gerwyn Price – das sind Gewinner. Aber sie gehen unter, weil Littler alles größer erscheinen lässt. Es ist fast ungerecht, wie stark sein Einfluss auf die Wahrnehmung ist.“
Kein Druck für Luke Littler
Mental ist Littler laut Mardle ein Sonderfall. Anders als viele Weltmeister vor ihm spürt er keinen Fluch, keinen Erwartungsdruck. „Ich glaube wirklich, dass dieser Junge völlig unversehrt ist“, sagt Mardle. „Er hat keine Narben, keine Enttäuschungen, die er mit sich trägt. Van Gerwen kämpfte mit Altlasten, als er seinen Titel verteidigte. Littler nicht. Es gibt keinen freieren Darter auf der Welt.“
Auch finanzielle Anreize spielen seiner Meinung nach keine Rolle. „Wenn du schon Millionen verdient hast, dann ist eine weitere Million einfach nur eine Zahl. Er spielt nicht fürs Geld, er spielt, weil er gewinnen will.“
Anders sei es bei Spielern, die dringend Punkte oder Erfolge brauchen. „Peter Wright, Rob Cross, Joe Cullen – sie alle suchen nach ihrer Form. Sie brauchen die WM, um wieder auf Kurs zu kommen. Und das ist der Unterschied: Einige spielen, um zu überleben. Andere, um zu gewinnen. Diesen Unterschied siehst du sofort.“
Die neue Generation drückt nach
Dass der Dartsport im Wandel ist, steht für Mardle außer Frage. „Da draußen laufen dutzende Teenager herum, die Littler ähneln – hungrig, furchtlos, ehrgeizig. Das Establishment muss sich Sorgen machen.“
Doch für den Experten bedeutet diese Bewegung nicht, dass alle Turniere gleich wichtig sind. „Für Littler, Humphries oder Van Gerwen ist eine Pro Tour nichts Besonderes. Aber für junge Spieler wie Charlie Manby oder Beau Greaves geht es um alles.“
Mardle schwärmt besonders von Greaves. „Es gibt keine Frau in der Geschichte, die so Darts spielt wie sie. Sie kann eine Pro Tour gewinnen – absolut.“ Auch Nathan Aspinall lobt er: „Nach seiner Dartitis und den technischen Problemen ist er stärker zurückgekommen. Er entscheidet bewusst, wann er wirft – das ist eine Lektion für jeden Amateur. Technisch ist er vielleicht besser als je zuvor.“
„Die Premier League braucht Veränderung“
Zum Schluss bezieht Mardle klar Stellung zur Premier League. Für ihn ist das aktuelle System überholt. „Acht Spieler sind nicht genug. Es gibt zu viele gute Darter. Mach zwölf draus oder lass sie sich qualifizieren. Wenn du es nicht schaffst, warst du schlicht nicht gut genug.“
Ein transparenteres System würde den Sport gerechter machen, meint er. „Dann kann niemand behaupten, er sei zu Unrecht nicht dabei. Jeder hätte dieselbe Chance – und das wäre dem modernen Dartsport würdig.“