Wenn Dartfans an René Eidams denken, fällt unweigerlich ein Name: Michael van Gerwen. Bei der Darts-WM 2016 brachte der Deutsche den damaligen Dominator der Szene an den Rand einer historischen Erstrundenniederlage – ein Match, das bis heute in Erinnerung bleibt. Im „Tungsten Talk“, dem Talk-Format der MODUS Super Series, sprach Eidams jetzt über genau dieses Spiel, seinen Weg in den Profisport und die Herausforderungen eines Lebens zwischen Dartboard und Unternehmertum.
Vom Kneipen-Softdart zur European Tour
Seine ersten Pfeile warf Eidams nicht auf Steeldartscheiben-, sondern auf Softdartautomaten – und das im elterlichen Pub. „Ich habe mit Softdarts begonnen, im Pub meiner Eltern. Im Jahr 2014 habe ich an meinem ersten PDC-Event teilgenommen. Da habe ich zum ersten Mal Steeldart gespielt und mich direkt für die European Tour in Hildesheim qualifiziert – das war mein Start.“
Dass Softdart in Deutschland weiterhin eine bedeutende Rolle spielt, zeigt sich für Eidams auch heute noch im Alltag: „In meiner Heimatstadt kannst du in den ganzen Pubs nur Softdart spielen, kein Steeldart.“
Den entscheidenden Impuls zum Wechsel brachte für ihn die große Bühne: „Geld und TV-Übertragungen. Ich habe angefangen, die ersten WMs im Fernsehen zu schauen und dachte mir ‚Wow, das ist großartig. Ich möchte Steeldart spielen.‘“
Auch in diesem Jahr konnte sich René Eidams bereits für ein European-Tour-Event qualifizieren: Im April nahm er am German Darts Grand Prix in München teil
Sprungbrett Super League und ein WM-Märchen
Ein Jahr nach seinem Tour-Debüt folgte der Durchbruch: Sieg bei der German Super League 2015, Qualifikation für die WM 2016. Der Weg dahin war alles andere als linear. „Ich bin reingerutscht, weil sich Max Hopp bereits für die WM qualifiziert hatte und Dragutin Horvat einen Unfall hatte – und auf einmal stand ich im Finale und dachte mir: 'Wow, das war nicht in meinen Plänen.'“
Nach seinem Super-League-Triumph besiegte er auf der Ally Pally-Bühne zunächst den Thailänder Thanawat Gaweenuntawong – „das war ein sehr nervöses Spiel“ – bevor er im Hauptfeld auf Michael van Gerwen traf. Trotz klarer Außenseiterrolle entwickelte sich ein echtes Drama. Eidams kämpfte sich von 0-2 auf 2-2 in Sätzen zurück, verlor am Ende aber denkbar knapp mit 2-3.
„Ich war auf der Arbeit, als ich die Auslosung sah, und dachte – Wow! Das war eine großartige Möglichkeit für mich, auf der größten Bühne gegen einen der besten Spieler der Welt zu spielen. Also dachte ich mir: Hab Spaß, spiele Darts, gewinn ein Leg – das war mein Plan.“
Und dann? „Ich weiß es nicht. Ich kann mich nicht mehr an das Spiel auf der Bühne erinnern. [...] Ich hatte noch kein einziges Leg gewonnen – und dann sagte ich mir: Come on – wir gehen in die Pause und dann bitte, hol dir ein Leg. Das war mein Ziel.“
Magen-OP und mentale Stärke
Sein Spitzname The Cube entstand – wie so oft im Dartssport – mit einem Augenzwinkern. „Der kommt von Maik Langendorf. [...] Er sagte: Du schaust aus wie ein Würfel – also ein Cube im Englischen.“
Seitdem hat sich Eidams optisch stark verändert – nicht zuletzt durch eine Magenoperation. „Ich hatte eine Magenoperation und habe in der Folge eine Menge Gewicht verloren. [...] Es war nicht so einfach, das mit Darts zu vereinbaren.“
Trotz aller Einschränkungen: Aufgeben war keine Option. „Ich habe mich dazu entschieden, den professionellen Weg zu gehen – also zum Beispiel den UK Open-Qualifier zu spielen, oder die Q-School – also alles zu spielen, was geht.“ Parallel baute er seine eigene Firma auf – was den Spagat zwischen Job und Training zur Dauerherausforderung machte.
Dass René Eidams auch fast ein Jahrzehnt nach seinem WM-Auftritt noch sportlich von sich reden macht, bewies er im Jahr 2023 eindrucksvoll mit seinem Wochentitel bei der MODUS Super Series. Für Eidams, der zum ersten Mal am innovativen Format teilnahm, ein ganz besonderer Erfolg: „Ich war sehr stolz darauf, hier zu spielen – und mein Plan war, das Turnier zu gewinnen. Und dann ist das auch noch passiert.“ Leicht fiel ihm der Einstieg allerdings nicht. Die besonderen Bedingungen vor Ort – völlige Abschottung vom Außenkontakt während der Spielzeiten – forderten auch seine mentale Stärke. „Wir gehen in den Practice Room und haben keine Smartphones, keinen sozialen Kontakt. Normalerweise verbringe ich zwischen meinen Spielen Zeit mit meiner Partnerin und spreche über die Spiele oder andere Dinge, um den Kopf frei zu bekommen – das ist hier nicht möglich. Aber man kann es lernen und ich denke, es ist gut für das mentale Spiel.“
Dass Eidams mental stark und dabei gleichzeitig analytisch denkt, zeigt sich auch in seinem Engagement für den Nachwuchs. Früh erkannte er das Talent von Niko Springer, der inzwischen zu den vielversprechendsten Talenten des PDC-Circuits gehört: „Niko Springer habe ich vor 6–7 Jahren auf einem kleinen regionalen Turnier gesehen. Ich sagte: Wow – das ist ein sehr guter Spieler, ein großes Talent.“ Kurzerhand nahm er ihn unter seine Fittiche: „Also sprach ich mit ihm und schlug ihm vor, ihn die nächsten Jahre ein wenig zu begleiten und mit ihm zu trainieren.“ Daraus entwickelte sich eine kleine Trainingsgruppe, die unter anderem auch Fabian Schmutzler und Marcel Gerdon umfasste – beide ebenfalls etablierte Namen in der deutschen Dartszene. Besonders in Springer sieht Eidams großes Potenzial: „Er ist ein sehr talentierter Spieler und ich denke, er wird in den nächsten 2–3 Jahren den Sprung an die Spitze schaffen.“
Trotz seiner Rolle als Mentor und seinem Einsatz für die deutsche Dartszukunft hat Eidams auch die eigene Karriere noch nicht abgeschrieben – im Gegenteil: Im Frühjahr 2024 gelang ihm ein später, aber umso wichtigerer Erfolg mit einem Turniersieg auf der Challenge Tour. Ein Ergebnis, das seine Ambitionen neu befeuerte: „Der Turniersieg kam sehr spät, glaube ich. Aber das war gut für meine Mentalität und für meine Darts. Auch, um mehr Ziele und weitere Pläne für die Zukunft zu haben.“
Dennoch bleibt er realistisch, wenn es um die Balance zwischen Beruf und Sport geht. „Ich stecke viel Zeit in meine Firma und es ist nicht so einfach, das mit dem Training unter einen Hut zu bekommen. Ich schaue also entspannt in die Zukunft.“ Eine Rückkehr auf die große Bühne schließt der Hagener dabei keineswegs aus – er verfolgt sie eben nur auf seine eigene, ruhige Art.