Der Alexandra Palace öffnet am Donnerstagabend wieder seine Pforten für das größte Dart-Festival des Jahres: die
PDC Darts WM 2026. Der ikonische Londoner Tempel steht wie immer für Lärm, Leidenschaft und Legenden – doch aus schottischer Sicht trägt das Turnier diesmal eine ganz besondere Note. Nicht vier, sondern gleich fünf Spieler aus Schottland stehen im 128-köpfigen Teilnehmerfeld, so viele wie noch nie, und untermauern damit die neue Breite und Qualität, die das Land weiterhin im Profidarts hat.
Die WM 2025 lief für die Tartan-Fraktion noch bitter: Lediglich
Peter Wright schaffte es ins Viertelfinale, während seine Landsleute früh die Koffer packen mussten. Seitdem hat sich jedoch viel getan. Auf der Pro Tour setzten mehrere Schotten klare Ausrufezeichen, holten Titel, Finals und wichtige Ranglistenpunkte – und reisen nun mit spürbar mehr Selbstvertrauen in den Ally Pally.
Fünf Schotten, fünf Geschichten
In diesem ausführlichen Überblick stehen diese fünf schottischen Starter im Fokus:
Gary Anderson, Peter Wright,
Cameron Menzies,
Alan Soutar und WM-Debütant Darren Beveridge. Sie alle bringen unterschiedliche Geschichten, Erwartungen und Fragezeichen mit nach London – vom zweifachen Weltmeister über den strauchelnden Publikumsliebling bis hin zum unbekannten Faktor mit Stunt-Potenzial.
Gary Anderson – „Die alte Magie ist noch da“
Für Gary Anderson war die vergangene Weltmeisterschaft ein Schlag in die Magengrube. Der Champion von 2015 und 2016 verabschiedete sich bereits in Runde zwei nach einem klaren 0:3 gegen Jeffrey de Graaf – ein Ergebnis, das den Ton für ein insgesamt schwieriges Jahr vorgab. Besonders der Grand Slam of Darts hinterließ Fragezeichen, als Anderson erstmals in seiner Karriere als Gruppenletzter ausschied und deutlich machte, wie sehr seine Form abseits der Floor-Turniere schwankt.
Und trotzdem meldete sich der „Flying Scotsman“ eindrucksvoll zurück. Im März holte er sich beim Players Championship 7 seinen 30. Ranglistentitel und dominierte im Finale Adam Lipscombe mit 8:3, nachdem er bereits Größen wie Krzysztof Ratajski und Mike De Decker aus dem Weg geräumt hatte. Dazu krönte er sich beim European Darts Grand Prix erneut zum Champion und zeigte dort mit einem klaren Finalsieg gegen Andrew Gilding, dass er an guten Tagen weiterhin auf Weltklasseniveau spielen kann.
In London startet Anderson gegen Adam Hunt – auf dem Papier eine Aufgabe, die er im Normalfall lösen sollte. Doch die jüngsten Schwankungen verbieten jede Selbstverständlichkeit. In Runde zwei wartet der Sieger aus Connor Scutt gegen Simon Whitlock, zwei Gegner, die auf der großen Bühne jederzeit gefährlich werden können. In einer möglichen dritten Runde droht ein Duell mit Jermaine Wattimena, der ein starkes Jahr spielt und sich als einer der unangenehmsten Gegner im Circuit etabliert hat.
Die Erwartung: Anderson besitzt noch immer das Niveau für einen tiefen Lauf, aber seine mentale Stabilität bleibt der entscheidende Faktor. Er sollte die ersten beiden Runden überstehen, doch spätestens ab dem Achtelfinale entscheidet sein Kopf über alles. Ein Platz unter den letzten 16 wirkt realistisch, alles darüber wäre – gemessen an den letzten Leistungen bei Major-Turnier – eine Überraschung.
Prognose: Achtelfinale
Peter Wright – Ikone zwischen Glanz und Zweifel
Peter Wright zieht das Publikum nach wie vor magisch an. Seine bunten Outfits, das ikonische Irokesenschnitt-Design und sein theatralischer Walk-on machen ihn zu einer Marke, die weit über den Sport hinausstrahlt. Sportlich aber hat der Schotte ein Jahr erlebt, dem es an Farbe fehlte. In der Weltrangliste rutschte er inzwischen auf Rang 30 ab – ein dramatischer Rückgang für einen Mann, der jahrelang die absolute Weltspitze mitprägte.
Wrights ewige Suche nach dem perfekten Setup – wechselnde Darts, Spitzen, Schäfte und Flights – wurde in dieser Saison zur Hypothek. Statt Stabilität gab es Brüche, statt Konstanz nur vereinzelte Lichtblicke. Ironischerweise zeigte er ausgerechnet bei der Weltmeisterschaft 2025 eine seiner besten Leistungen des Jahres, als er bis ins Viertelfinale marschierte und sich erst dort Stephen Bunting mit 2:5 geschlagen geben musste. Im restlichen Kalenderjahr sprang allerdings nur ein einziges Pro-Tour-Finale heraus, das er beim Players Championship 11 ausgerechnet gegen seinen Landsmann Cameron Menzies verlor.
Die diesjährige WM eröffnet Wright mit einem hochinteressanten Duell gegen Noa-Lynn van Leuven, die sich in kurzer Zeit von der Außenseiterin zur ernstzunehmenden Tour-Spielerin entwickelt hat. Der Sieger dieser Partie bekommt es mit Kim Huybrechts oder dem deutschen Super League Sieger Arno Merk zu tun. Spätestens in einer möglichen dritten Runde könnte Michael van Gerwen warten, ein Prüfstein, der angesichts von Wrights unstetem Jahr wie ein Berg wirkt.
Dennoch bleibt Wright jederzeit zu einem großen Lauf fähig, doch die jüngsten Ergebnisse sprechen gegen ihn. Schafft er es nicht, früh Rhythmus und das passende Setup zu finden, droht ein deutlich früheres Aus als im Vorjahr.
Prognose: Runde 3
Cameron Menzies – „Wenn er mental stabil bleibt, kann er jeden schlagen“
Cameron Menzies hat lange im Schatten der großen Namen gestanden, doch 2025 trat er klar ins Rampenlicht. Der 36-Jährige spricht seit Jahren offen über seine psychischen Herausforderungen, die seine Karriere immer wieder ausgebremst haben. Gerade deshalb wirkt seine Entwicklung in dieser Saison so beeindruckend: Menzies erreichte mehrere Finals auf der Pro Tour und sicherte sich seinen zweiten Players-Championship-Titel, als er im April Peter Wright im Endspiel mit 8:3 regelrecht überrollte.
Die WM-Kampagne 2025 endete noch ernüchternd mit einer 1:3-Niederlage gegen Leonard Gates in der ersten Runde. Doch der Cameron Menzies, der nun in den Ally Pally zurückkehrt, ist ein anderer Spieler. Sein Scoring ist stabiler, seine Checkout-Quoten sind gestiegen, und sein Match-Management wirkt deutlich reifer. Menzies bringt heute jene Mischung aus Lockerheit und Ernsthaftigkeit mit, die ihn von einem ewigen Talent zu einem echten Dark Horse bei großen Turnieren machen kann.
Das Draw meint es trotzdem nicht nur gut mit ihm. Direkt zum Auftakt wartet mit Charlie Manby ein hochgehandeltes englisches Supertalent, das sich in kurzer Zeit einen Namen auf der Tour erarbeitet hat. Danach könnten Matt Campbell oder Adam Sevada folgen, bevor in einer möglichen weiteren Runde James Wade oder Ricky Evans auf ihn warten.
Wenn Menzies mental stabil bleibt, besitzt er das Spiel, um einen tiefen Lauf zu starten. Für viele Experten ist er der logischste Kandidat für die Rolle des „Dark Horse“ aus schottischer Sicht – ein Spieler, den niemand unbedingt im Draw haben möchte.
Prognose: Runde 3
Alan Soutar – Feuerwehrmann im Härtetest
Alan Soutar gehört seit einigen Jahren zu den interessantesten Charakteren auf der Tour. Der Schotte ist Spätstarter, Feuerwehrmann im Berufsleben und Kämpfer auf der Bühne – und gerade auf WM-Bühnen wuchs er mehrfach über sich hinaus. 2022 und 2023 erreichte er jeweils das Achtelfinale, mit Siegen über Spieler wie José de Sousa, Mensur Suljovic, Daryl Gurney und Danny Noppert.
Die WM 2025 war allerdings der harte Gegenentwurf. Soutar erwischte einen rabenschwarzen Tag und verlor bereits in Runde eins mit 1:3 gegen den deutschen Kai Gotthardt. Die darauffolgende Saison verlief durchwachsen: Einige Viertelfinals auf dem Floor, aber insgesamt fehlte der große Durchbruch. In der Live Order of Merit bewegt er sich im soliden Mittelfeld, doch sein Potential deutet nach wie vor weiter nach oben.
In diesem Jahr startet Soutar gegen Teemu Harju, einen Finnen, der auf der European Tour mehrfach gezeigt hat, dass er keinen großen Namen fürchten muss. Soutar geht als Favorit auf die Bühne, kennt aber die Fallhöhe nach seinem Vorjahresaus nur zu gut. In der zweiten Runde wartet mit großer Wahrscheinlichkeit Gian van Veen, einer der Aufsteiger der letzten Jahre, der ein überragendes Jahr hinter sich hat und längst den Ruf eines Topspielers trägt.
Soutar besitzt die Erfahrung und den Kampfgeist für einen erneuten weiten WM-Lauf, doch Losglück sieht anders aus. Vieles deutet darauf hin, dass die zweite Runde sein realistisches Maximum darstellt, sofern er nicht erneut die Ally-Pally-Magie findet, die ihn schon zweimal ins Achtelfinale gebracht hat.
Prognose: Runde 2
Darren Beveridge – Debütant mit Stunt-Potenzial
Darren Beveridge ist der unbekannteste Name im schottischen Quintett, aber genau das macht ihn so reizvoll. Der 33-Jährige rangiert um Platz 75 der Weltrangliste und gibt nun sein Debüt auf der größten Bühne des Darts. Zwar stand Beveridge bereits sechs Mal bei Major-Turnieren am Oche – fünf Mal bei den UK Open und einmal bei den Players Championship Finals –, doch der Alexandra Palace ist für ihn Neuland.
In dieser Saison blitzte sein Potenzial mehrfach auf. In einem Finale, das er knapp gegen Ryan Searle verlor, spielte Beveridge einen Average von knapp 99 Punkten und setzte mit einer hohen 180-Frequenz ein fettes Ausrufezeichen. Auch auf verschiedenen Floor-Turnieren zeigte er, dass er auf Augenhöhe mit etablierten Tourspielern agieren kann.
Zum Start seiner WM-Karriere bekommt Beveridge direkt einen echten Brocken vorgesetzt: Dimitri Van den Bergh. Der Belgier präsentiert sich in diesem Jahr zwar alles andere als in Bestform, blüht aber gerade auf den großen Bühnen häufig auf und hat bereits mehrfach bewiesen, dass er im Ally Pally zu den gefährlichsten Spielern gehört. Sollte Beveridge dennoch die Überraschung schaffen und Van den Bergh aus dem Turnier werfen, wartet in Runde zwei der Sieger aus Madars Razma gegen Jamai van den Herik – ebenfalls kein Selbstläufer, aber deutlich weniger namhaft als die Auftakthürde.
Prognose: Runde 1
Schottlands WM-Mission im Ally Pally
Mit Gary Anderson, Peter Wright, Cameron Menzies, Alan Soutar und Darren Beveridge schickt Schottland 2026 ein so starkes wie vielseitiges Quintett in den Ally Pally.
Die Rollen scheinen klar verteilt: Anderson und Wright tragen den Erwartungsdruck, Menzies lauert als gefährliches Dark Horse, Soutar kämpft gegen ein hartes Los und Beveridge versucht sich erstmals auf der größten Bühne des Sports.
Vorschau: Runde 1
Schottische Spieler bei der Darts-Weltmeisterschaft 2026
| Gary Anderson | V | Adam Hunt |
| Darren Beveridge | V | Dimitri Van den Dergh |
| Cameron Menzies | V | Charlie Manby |
| Peter Wright | V | Noa-Lynn van Leuven |
| Alan Soutar | V | Teemu Harju |
Schotten in der PDC-Weltrangliste
| Platzierung | Spieler | Preisgeld |
| 14 | Gary Anderson | 444.5 |
| 26 | Cameron Menzies | 325.25 |
| 30 | Peter Wright | 301.5 |
| 54 | Alan Soutar | 106.5 |
| 75 | Darren Beveridge | 54.75 |
| 99 | William Borland | 28 |
| 104 | Andy Boulton | 26 |
Mit Andy Boulton und William Borland sind in diesem Jahr zwei weitere Schotten nicht dabei.