Steht Gary Anderson einer möglichen Rückkehr in die Premier League offen gegenüber? "Nein. Nicht einmal, wenn ich die WM gewinne."

PDC
Mittwoch, 10 Dezember 2025 um 15:30
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In einem stimmungsvollen Edinburgh nimmt sich Gary Anderson Zeit für ein ausführliches Gespräch mit Online Darts. Der zweifache Weltmeister wirkt entspannt, auch wenn die nächste Darts WM bereits vor der Tür steht. Doch hinter dem gelassenen Auftreten steckt ein Spieler, der genau weiß, was er kann – und was nicht. „Ich bin noch immer gefährlich“, sagt Anderson mit einem Lächeln, das deutlich macht, dass hier keiner spricht, der sich schon verabschiedet hat.
„Das ist eine der besten Bühnen, auf denen man spielen kann – absolut“, schwärmt der Schotte, während er durch den Saal blickt. In seiner Heimat wird Anderson gefeiert wie ein Held, auch wenn er selbst das selten so sieht. „Es passiert nicht oft, dass ich so behandelt werde. Aber hier in Edinburgh? Großartig. Die Atmosphäre ist immer top.“

Auf Tour für den Rhythmus – und das richtige Gefühl

Im Dezember tourt Anderson traditionell mit einer Reihe von Exhibition-Abenden durch das Land. Diese Abende dienen nicht nur der Unterhaltung, sondern auch als perfekte Vorbereitung für den Alexandra Palace. „Dezember ist ideal. Das sind eigentlich deine Trainingsmatches“, erklärt er. „Gestern waren wir in Dumfries – da laufen richtig gute Darter herum. Da wird aus einer Exhibition ganz schnell ein ernstes Match, das kannst du mir glauben.“
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Gary Anderson startet seine WM Kampagne gegen Adam Hunt.
Das Timing ist günstig, denn der 53-Jährige arbeitet derzeit wieder intensiv an seinem Material. „Ich habe mich in Peter verwandelt, oder?“, lacht er und spielt auf Peter Wright an, den ewigen Tüftler unter seinen Landsleuten. „Ich hatte das Gefühl, dass meine Darts zu schnell fallen, also spiele ich jetzt mit Plastik-Shafts. Früher konnte ich diese All-in-one-Flights nicht ausstehen. Aber ehrlich gesagt funktionieren sie richtig gut.“

„Erst mal die erste Runde überstehen“

Ally Pally und Gary Anderson – eine Kombination, die immer etwas Magisches hat. Trotzdem bleibt der „Flying Scotsman“ realistisch, was seine Chancen betrifft. „Weißt du noch, dass ich letztes Jahr in der ersten Runde rausgeflogen bin? Das war komplett meine Schuld, eine dumme Niederlage“, erinnert er sich. Dieses Mal wartet mit Adam Hunt ein alter Bekannter aus demselben Managementstall.
„Adam ist ein guter Spieler. Und die erste Runde… frag Van Gerwen, frag Humphries – das ist das nervenaufreibendste Match überhaupt. Du musst diese erste Hürde nehmen.“ Durch die neue Regel, dass jeder im Turnier in Runde eins startet, sieht Anderson den Wettbewerb ausgeglichener. „Früher hattest du Gegner, die schon ein Match auf der Bühne gespielt hatten, während du noch kalt warst. Das ist jetzt vorbei. Es fühlt sich gerechter an.“

Zwischen Ambition und Gelassenheit – steckt noch ein Titel in ihm?

Die Frage hört Gary Anderson seit Jahren: Ist da noch ein dritter WM-Titel drin? Seine Antwort fällt ehrlich, fast pragmatisch aus. „Ich schließe es nicht aus. Aber ich weiß, wie hart die Jungs arbeiten. Mein Leben ist anders – Familie, Projekte, Verpflichtungen. Ich habe nicht mehr diese unendliche Zeit zum Trainieren. Gib mir mehr Zeit, und es gäbe keinen Grund, warum ich nicht wieder in meiner alten Form spielen könnte.“
Anderson verweist auf seine aktuellen Leistungen. „Auf der Pro Tour spiele ich manchmal Averages, die besser sind als die der jungen Kerle. Alter spielt keine Rolle – solange du die Stunden machst.“
Beim Grand Slam of Darts 2023 erlebte er einen bitteren Rückschlag: Anderson führte deutlich gegen Luke Humphries, ließ das Match aber entgleiten. „Das war komplett mein Fehler. Ich hatte das Spiel in der Tasche“, sagt er selbstkritisch. Beim diesjährigen Turnier zeigte sich dasselbe Muster: „Gegen Beau Greaves musste ich gut spielen – sie ist unfassbar stark. Und das tat ich auch. Aber gegen Van Gerwen war ich miserabel. So ist es eben manchmal.“
Trotz wechselhafter Ergebnisse bleibt Anderson einer der beliebtesten Spieler im Circuit. In sozialen Medien ist er kaum aktiv, doch über seine Partnerin Rachel bekommt er die Unterstützung der Fans mit. „Die Leute sind fantastisch. ‚Komm schon Gary, du kannst das gewinnen!‘ rufen sie. Ich wünschte, ich könnte! Aber ich werde es versuchen – immer.“
Sein Humor bleibt dabei ungebrochen. „Wenn ich meinem Sohn Ty sage, dass ich noch ganz ordentlich werfen kann, meint er nur: ‚Dad, du bist rubbish.‘ Und ehrlich? Ich kann’s ihm nicht mal völlig verdenken.“ Ob er seinen Sohn als künftigen Profi sieht? „Nein. Ich dränge ihn zu nichts. Wenn ich irgendwann aufhöre, fahre ich sicher nicht durchs ganze Land für seine Turniere. Außerdem – er wird eh nie so gut wie ich“, sagt er grinsend.

Über Littler, Humphries und den Druck an der Spitze

Natürlich fällt auch der Name Luke Littler – aktuell der Shootingstar der Dartswelt. Anderson ordnet den Hype jedoch realistisch ein. „Littler ist jetzt die Nummer eins, ja. Aber Humphries musste zwei Jahre lang unfassbare Preisgelder verteidigen. Erst jetzt verliert er diesen Platz. Das zeigt, wie stark er war.“
Für 2025 sieht Anderson deshalb eine spannende Entwicklung: „Jetzt beginnt für Littler das Verteidigen. Dann siehst du wirklich, aus welchem Holz er geschnitzt ist.“
Die Debatte über die ungleiche Verteilung der Preisgelder rund um die Weltmeisterschaft beschäftigt den Schotten schon länger. „Die Lücke zur WM ist gewaltig. Ein Spieler außerhalb der Top 32 kann mit einem WM-Titel plötzlich in die Top vier springen. So ist nun mal das System.“ Vor allem die Profis der ersten Runde verdienen aus seiner Sicht mehr Beachtung. „Diese Jungs reisen rund um die Welt, nur um dann vielleicht nach einem Match gleich wieder nach Hause zu fliegen. Darüber sollte man reden.“
Anderson wird oft unter die besten fünf Spieler der Dartsgeschichte gezählt – selbst Legenden wie Phil Taylor sehen das so. Er selbst winkt ab. „Ich denke nie darüber nach. Ich bin einfach Gary. Ich hatte das Glück, gegen Phil zu spielen, gegen Michael in seiner Hochphase, gegen Humphries und jetzt Littler. Das war eine großartige Zeit.“

„Wenn ich die WM gewinne, nehme ich mir vielleicht ein Jahr frei“

Und wie steht es um seine Zukunft? Die Spekulationen über ein baldiges Karriereende begleiten ihn seit Jahren. „Wäre doch langweilig, wenn ich es jetzt schon verraten würde, oder? Ich halte es spannend“, sagt er verschmitzt.
Als ihn das Thema nicht loslässt, fügt er hinzu: „Man weiß es nie. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Wenn ich die WM gewinne, nehme ich mir vielleicht ein Jahr frei.“ Ganz weg sieht er sich aber noch nicht. „Ich bin immer noch in den Top 16, obwohl ich weniger spiele und manches Turnier auslasse. Das ist doch kein schlechter Beleg, dass ich’s noch draufhabe.“
Ein Thema beschäftigt Fans besonders: die Premier League. Eine Rückkehr scheint ausgeschlossen – zumindest im aktuellen Format. „Nein, keine Chance. Selbst wenn ich die WM gewinne und die Nummer zwei der Welt wäre. Sechzehn Wochen am Stück – die Leute denken, das sind nur ein paar Abende, aber du reist mittwochs los, spielst donnerstags, versuchst freitags heimzukommen… das zermürbt dich.“
Gedanken über mögliche Reformen hat er dennoch. „Ich sage seit Jahren: Macht zwei Ligen, A und B, im Wechsel jede Woche. Dann wäre es machbar.“
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