Scott Williams hat im Alexandra Palace genau das geliefert, was er im Vorfeld angekündigt hatte: pures Entertainment gepaart mit echtem Kampfgeist. Mit einem überzeugenden Sieg über Paolo Nebrida sicherte sich der Engländer seinen Platz in der zweiten Runde der PDC Darts WM 2026 – und das mit einer Mischung aus Feuer, Emotion und Entschlossenheit.
Den entscheidenden Moment setzte Williams mit einem spektakulären Double-Double-Finish, das seinen Abend perfekt abrundete. Auch wenn es von den Rängen nach einem souveränen Auftritt aussah, gab der selbsternannte Entertainer danach offen zu, wie hart das Match tatsächlich war. „Ehrlich gesagt war das tougher, als es auf der Bühne wirkte“, erklärte Williams nach seinem Sieg. „Ich wusste, dass mir Paolos Tempo nicht liegen würde. Also musste ich etwas tun, um meinen Rhythmus zu finden und ins Spiel zurückzukommen.
Williams beweist Köpfchen und Nervenstärke
Seine Absicht, den Spielfluss aktiv zu beeinflussen, zeigte sich früh. Bereits im ersten Satz sorgte Williams mit einer No-Look-180 für Aufsehen – ein Moment, der seine Handschrift trug. „Ja, sie werden sagen, es war keine richtige Blinde“, scherzte Williams lachend. „Aber ich habe wirklich geworfen, ohne hinzuschauen – einfach, um ins Match zu kommen. Paolo hat stark gespielt, ich musste also etwas Besonderes bringen.“
Scott Williams, der dartende Entertainer, wieder in der Spur.
Trotz aller Showelemente fand Williams schnell lobende Worte für Nebrida, der ihn über weite Strecken forderte und statistisch lange Zeit mithielt. „Nach 2:0-Legs waren unsere Averages fast identisch – knapp 99 Punkte“, sagte Williams. „Das nehme ich, besonders, wenn man bedenkt, dass ich vor zwei Monaten noch mit Dartitis zu kämpfen hatte. Paolo war stabil, präzise und hat mir alles abverlangt. Aber am Ende habe ich die Triples besser getroffen. Respekt an ihn, er war klasse – aber ich bin hier, um Spiele zu gewinnen und Geld zu verdienen.“
Wie so oft im Londoner Darts-Tempel ließ sich Williams von der Atmosphäre treiben. Er suchte die Interaktion mit dem Publikum, brachte Energie auf die Bühne und zeigte, warum er sich selbst als Entertainer versteht. „Es ist einfach das Publikum“, betonte er. „Ein bisschen Spaß, ein bisschen Clown – das bin ich. Wenn die Fans auf meiner Seite sind, bin ich stärker. Ich liebe es, mit ihnen zu spielen.“
Seine Strategie sei bewusst gewesen, erklärte Williams weiter. Nebridas vergleichsweise langsames Tempo habe Anpassung erfordert. „Das war heute Teil des Plans“, sagte er. „Er startet seine Routine erst, wenn ich vom Oche weg bin. Also musste ich das Beste daraus machen – und das hat funktioniert.“
Nächste Herausforderung: Wattimena oder Gruellich
In Runde zwei wartet entweder Jermaine Wattimena oder Dominik Gruellich – und damit ein völlig anderer Stil. „Das nächste Spiel wird das komplette Gegenteil“, grinste Williams. „Beide gehören nicht zu den langsamsten Spielern, daher muss ich mich taktisch anpassen und mein Timing neu finden.“
Kann Dominik Grüllich bei seinem WM-Debüt siegen?
Ein Schlüssel zum Erfolg gegen Nebrida war sein starkes Doppelspiel. In den entscheidenden Momenten traf Williams eiskalt und unterstrich damit, dass sein Training Wirkung zeigt. „Meine Doppel liefen richtig gut“, meinte er. „Ich weiß nicht, wie hoch meine Quote war, aber ich habe kaum Chancen liegen gelassen. Das nimmt man gerne mit in die nächste Runde.“
Williams verriet zudem, dass die Vorbereitung in den Tagen vor der WM besonders intensiv war. Gemeinsame Sessions mit Landsmann Justin Hood stärkten zusätzlich sein Selbstvertrauen. „Wir haben backstage trainiert, und du hast sofort gemerkt, dass wir beide bereit sind“, sagte er. „Ich freue mich für ihn, aber aktuell zählt nur mein eigenes Spiel. Ich bin zufrieden – und das war heute zu spüren.“
Ein Jahr voller Veränderungen
Abseits des Oche sprach Williams auch offen über ein schwieriges Jahr voller privater Turbulenzen. „Die Vorbereitung lief diesmal komplett anders“, erzählte er. „Ich bin kürzlich umgezogen, und privat war viel los. Mein Sohn musste ins Krankenhaus – ihm geht’s mittlerweile gut – aber das war natürlich belastend.“
Hinzu kam der sportliche Druck, £100.000 an Preisgeld in der Rangliste zu verteidigen. Doch Williams zeigte sich unbeeindruckt. „Ganz ehrlich – mir ist das egal“, sagte er. „Ich liebe einfach diesen Sport. Ich bin froh, hier zu stehen und Teil dieser Bühne zu sein.“
Das Lächeln, betonte er, sei endlich zurückgekehrt. „Ich kann es da draußen wieder spüren“, sagte er. „In den letzten Monaten war es hart. Aber heute habe ich gezeigt, dass ich meine Emotionen wieder im Griff habe – und mich auf das konzentriere, was ich kann.“
Dartitis-Sticheleien und mentale Stärke
Der Sieg bedeutete auch mental einen wichtigen Schritt. Nach seinen Problemen mit Dartitis zu Beginn des Jahres war Williams oft Gesprächsthema. „Wenn du das hast, stürzt sich jeder drauf“, sagte er. „Ich hatte damit schon zu kämpfen, bevor das Video mit Ryan Joyce viral ging. Viele behandelten es, als wäre es etwas Schlimmes. Dabei ging’s mir eigentlich gut – ich musste nur meinen Kopf sortieren.“
Sein Weg aus der Krise? Mentale Arbeit und Selbstüberzeugung. „Ich habe mir acht Wochen lang eingeredet, dass ich es nicht mehr habe“, erklärte er. „Je weniger du darüber redest, desto mehr verschwindet es aus dem Kopf. Das war mein Schlüssel zurück in die Spur. Heute habe ich bewiesen, dass ich mental stark genug bin, um das zu überstehen.“
Mit Blick auf die kommenden Aufgaben bleibt Williams realistisch, aber motiviert. „Jedes Spiel ist anders – anderer Rhythmus, anderer Gegner. Du kannst nichts festhalten, nur hoffen, dass du an dem Tag besser bist.“
Im Moment genießt er aber die Erleichterung und die Gewissheit, wieder auf Kurs zu sein. „Ich habe die letzten Tage fantastisch trainiert“, sagte er. „Und heute das Gefühl gehabt, dass ich dieses Spiel verdient gewonnen habe. Paolo war stark, aber ich war besser. Jetzt will ich diesen Schwung mitnehmen – und weiter zeigen, dass Scott Williams nicht nur für Show da ist, sondern auch fürs Siegen.“