Luke Humphries stand nach einem der intensivsten Matches dieser
Darts WM 2026 mit sichtbarer Erleichterung vor den Medien. Der Turniermitfavorit hatte gerade einen echten
Nerventhriller gegen Gabriel Clemens hinter sich gebracht – ein Duell, das über weite Strecken auf Augenhöhe verlief und dem Publikum alles bot, was hochklassiger WM-Dartsport ausmacht.
„Das war wirklich ein Kampf“,
brachte Humphries die Partie treffend auf den Punkt. Es sei ein Match mit vielen Wendungen gewesen, geprägt von Nervosität, enormer Intensität und einem teilweise außergewöhnlich hohen spielerischen Niveau. Beide Akteure schenkten sich nichts, jeder Leg-Gewinn musste hart erarbeitet werden.
Trotz Führung mangelnde Kontrolle
Schon in den ersten Minuten wurde deutlich, dass Humphries an diesem Abend kein dominantes Spiel erleben würde. Anders als in den vorherigen Runden fand er nicht sofort zu seiner gewohnten Sicherheit. „Mein Start war nicht auf dem Level, das ich mir gewünscht habe“, erklärte der Engländer offen. Während er zuvor früh Druck aufgebaut hatte, musste er diesmal zunächst nach seinem Rhythmus suchen. Umso wichtiger sei es gewesen, den ersten Satz dennoch für sich zu entscheiden.
Luke Humphries trifft in der vierten Runde auf Nathan Aspinall oder Kevin Doets
Nach einem etwas souveräneren zweiten Durchgang schien Humphries kurzzeitig die Kontrolle zu übernehmen, doch Clemens ließ sich davon nicht beeindrucken. Angetrieben von einer lautstarken deutschen Fangemeinde steigerte sich der Saarländer spürbar. Treffer um Treffer landeten im Triplefeld, dazu kamen präzise Checkouts. „Es fühlte sich an, als würde ich gegen einen absoluten Topspieler antreten“, sagte Humphries anerkennend. „Triple, Triple, Triple – und alles wird gecheckt. In so einem Moment weißt du, dass du dir keinen Durchhänger erlauben darfst.“
Kein Raum für Sicherheit
Der entscheidende Unterschied zu früheren WM-Auftritten lag für Humphries im fehlenden Gefühl der Kontrolle. Selbst kleine Vorteile vermittelten keine Ruhe. „Auch wenn ich mal ein Leg Vorsprung hatte, dachte ich nie: Das läuft jetzt. Er hat weiter alles getroffen“, so der Weltranglistenzweite. Diese konstante Bedrohung erhöhte den mentalen Druck enorm.
In den entscheidenden Phasen rückte das Finishing in den Fokus. Genau dort zeigte Humphries seine ganze Klasse. Ein nervenstarkes 50er-Finish brachte ihm ein wichtiges Break, wenig später machte er mit einem eiskalten 81-Checkout den Sieg perfekt. „Darauf bin ich unglaublich stolz“, sagte er. Besonders, weil Clemens im Leg zuvor Chancen hatte, das Match auszugleichen. „Bei einem 3:3 kann alles passieren.“
Für Humphries sind es genau diese Situationen, die ein WM-Match prägen. „Du kannst über das ganze Spiel hinweg Probleme haben, aber dieser eine Dart im richtigen Moment zählt. Diese 50 und diese 81 waren für mich die größten Augenblicke der Partie.“
Mentale Stärke als Fundament
Bereits vor dem Turnier hatte Humphries selbstbewusst erklärt, er wolle Weltmeister werden. Nach diesem Kraftakt wiederholte er diese Aussage ohne Zögern. „Du musst daran glauben“, betonte er. Wer mit Zweifeln anreise, habe auf dieser Bühne keine Chance. Diese Haltung sei riskant, aber notwendig, um ganz oben anzukommen.
Gerade deshalb misst er Spielen wie diesem eine besondere Bedeutung bei. „Das sind die Spiele, die dich zum Champion machen“, erklärte Humphries. Sie zeigten, wie stabil man unter Druck agiere. Der Rückblick auf das Vorjahr spielte dabei eine Rolle. Damals war er im Duell mit Peter Wright in einer ähnlichen Situation mental eingebrochen. Gegen Clemens blieb er standhaft. „Das sagt viel aus.“
Spielerisch sieht Humphries dennoch Luft nach oben. Sein Scoring sei nicht immer da gewesen, räumte er ein. Doch über lange Satzdistanzen gehöre das dazu. Entscheidend sei, dass die Doppel dann funktionieren, wenn es darauf ankommt.
Rhythmus, Respekt und ein besonderer Abend
Auch der Turnierverlauf kommt Humphries entgegen. Die eng getakteten Spiele helfen ihm, schnell in einen Flow zu finden. „Du nimmst Selbstvertrauen von Match zu Match mit“, sagte er. Gerade jetzt müsse man scharf sein, denn Nachlässigkeiten werden sofort bestraft.
Ein Sonderlob erhielt
Gabriel Clemens. Dessen Leistung passe nicht zu seiner Weltranglistenposition, so Humphries. „Das war keine Nummer 47 der Welt. Das war ein Spieler auf Top-32-, vielleicht sogar Top-16-Niveau.“ Nach dem Match tauschten beide eine lange Umarmung aus. Humphries ermutigte seinen Gegner, aus diesem Auftritt Kraft zu ziehen. Die Qualität sei unbestritten vorhanden.
Die Atmosphäre in der Halle war emotional und klar pro Clemens, blieb aus Sicht von Humphries jedoch fair. „Sie waren laut, aber respektvoll. Kein Pfeifen, keine Buhrufe. Das war stark.“ Auffällig war zudem, dass der Engländer selbst mehr Emotionen zeigte als sonst. Ob Jubel oder Zurückhaltung – das entscheidet er situativ. „Heute hat es sich richtig angefühlt, es zu zeigen.“
Rückblickend ordnete Humphries dieses Duell in eine Reihe prägender Karrieremomente ein. Spiele gegen Joe Cullen oder Ricardo Pietreczko hätten ihm ein ähnliches Gefühl gegeben. „Wenn du solche Partien gewinnst, weißt du später, dass du wirklich geprüft wurdest.“ Vom Titel wolle er dennoch noch nicht sprechen. „Es fühlt sich noch weit weg an. Aber solche Siege geben dir das Vertrauen, dass du bereit bist für das, was kommt.“