„Mit seinem Talent hat er in den letzten Jahren eigentlich zu wenig erreicht“ – Michael van Gerwen stichelt gegen Gary Anderson vor ihrem Duell im Achtelfinale

PDC
Montag, 29 Dezember 2025 um 8:30
Michael van Gerwen (1)
Michael van Gerwen hat bei der Darts WM 2026 erneut ein Ausrufezeichen gesetzt. Mit einem klaren 4:1 gegen den Niederländer Arno Merk zog er souverän in die dritte Runde ein – und präsentierte sich danach ebenso kontrolliert wie fokussiert. Vor der Presse zeigte sich der dreifache Weltmeister locker, konzentriert und erstaunlich reflektiert. Von Müdigkeit nach einem langen Abend keine Spur, stattdessen sprühte van Gerwen vor Ehrgeiz. „Mein Gefühl ist gut“, sagte er mit gewohnt ruhiger Stimme. „Und das ist das Wichtigste.“
Er weiß, dass gerade in solchen Spielen der Erwartungsdruck enorm ist. „Jeder denkt, dass du solche Spiele einfach gewinnen musst“, erklärte er. „Aber genau da liegt die Gefahr. Du brauchst das Selbstvertrauen, um locker zu bleiben. Heute hatte ich es – und dann spielst du automatisch eine gute Partie. Trotzdem gibt es immer Luft nach oben.“

Van Gerwen bleibt kritisch 

Was das Publikum von ihm zu sehen bekam, fasste er mit einem Lächeln zusammen: „Einen van Gerwen, der Vertrauen hat, gut spielt und weiß, warum er hier ist.“ Dennoch zeigte sich der Niederländer gewohnt selbstkritisch. „Ich bin nie ganz zufrieden. Meine Scoring-Power kann besser werden. Momentan werfe ich vielleicht fünfzig Prozent von dem, was ich wirklich kann. Das muss auf hundert gehen.“ Worte, die angesichts eines Turnieraverages knapp an der 100 Punkte fast überheblich klingen könnten.
Michael van Gerwen jubelt nach seinem Sieg
Michael van Gerwen trifft im Achtelfinale auf Gary Anderson
Die Spannung in der WM steigt, und van Gerwen weiß: Schärfe ist alles. „Gerade hier darfst du nicht locker lassen“, sagte er, als das Gespräch auf seinen Gegner kam. Arno Merk war für viele Zuschauer ein unbeschriebenes Blatt – auch für Van Gerwen selbst. Doch der Sieger der dritten Runde machte klar, dass es auf dieser Bühne keine leichten Gegner gibt. „In einer WM tritt dir kein Nietenwerfer gegenüber“, betonte er mit einem Grinsen. „Du musst dein eigenes Spiel spielen und scharf bleiben. Das ist nicht immer leicht, denn jeder erwartet, dass du gewinnst. Aber so funktioniert das nicht.“
Auf die Frage, ob er allmählich ins Turnier hineinfände, kam die Antwort prompt: „Ja, klar. Die erste Runde war zum Reinkommen, die zweite besser – heute habe ich wieder einen Schritt gemacht. Wichtig ist, offen für Verbesserungen zu bleiben. Mit dieser Einstellung ist alles möglich.“

Gigantenduell mit Anderson

In der vierten Runde wartet auf van Gerwen ein echter Klassiker. Gary Anderson, ebenfalls mehrfacher Weltmeister, steht als nächster Gegner bereit. Sky Sports nannte die Partie schon im Vorfeld das „El Clasico des Darts“ – ein Label, das van Gerwen schmunzeln ließ. „Da müssen sie nichts mehr machen, um Aufmerksamkeit zu bekommen“, lachte er. „Wir haben so oft gegeneinander gespielt – Finals, WMs, große Matches. Da weiß jeder: In solchen Spielen passiert immer etwas.“
Den Schotten unterschätzt van Gerwen keine Sekunde. „Gary spielt eine fantastische WM“, lobte er. „Aber für mich macht es keinen Unterschied, ob er gut oder schlecht drauf ist. Ich gehe sowieso immer davon aus, dass ich gegen den besten Gary Anderson spiele.“ Trotz einer klaren Bilanz – Van Gerwen gewann mehr als siebzig Prozent der direkten Duelle – hält er wenig von Statistik. „Vergangenes zählt nicht. Es gibt keine Garantien.“

„Der Circuit ist brutal“ – Van Gerwen über Alter und Belastung

Im weiteren Verlauf sprach der Niederländer auch über die physische Seite des Sports. Mit Blick auf Anderson, Wright und van Barneveld – Legenden, die jenseits der Fünfzig immer noch auf höchstem Niveau agieren – zeigte sich van Gerwen realistisch. „Alter spielt eine Rolle“, sagte er. „Der Circuit ist brutal hart. Viele Reisen, viele Turniere. Du musst körperlich fit bleiben, abnehmen, dich ständig fordern. Das ist nicht leicht.“
Er sparte auch hier nicht mit klaren Worten in Richtung seines kommenden Gegners. „Mit seinem Talent hat er in den letzten Jahren eigentlich zu wenig erreicht. Jetzt zeigt er wieder, was er kann. Die Frage ist, wie lange er das durchhält.“ Ob er selbst sich eine so lange Karriere zutraut? „Mit meiner Qualität wäre es möglich, aber ich glaube nicht, dass ich mit 55 noch auf der WM-Bühne stehe. Obwohl – man soll nie nie sagen.“
Entscheidend für Langlebigkeit sei laut van Gerwen vor allem der innere Antrieb. „Hunger ist alles. Du musst dich selbst scharf halten und immer weiter investieren.“ Ein Moment brachte ihn dabei selbst zum Nachdenken: „Vor Kurzem war ich plötzlich der älteste Spieler in der Abendsession. Das war seltsam – aber auch Realität.“
Van Gerwen gab offen zu, dass er mit diesem Turnierstart zufriedener ist als im Vorjahr. „Ich war von Beginn an besser drin. Mehr Vertrauen, mehr Kontrolle. Das kann im weiteren Verlauf entscheidend sein.“ Doch trotz des Selbstbewusstseins bleibt er bodenständig. „Es war ein intensives Jahr. Du musst lernen, deine Energie richtig zu dosieren. Das ist schwer, aber notwendig.“

Van Veen im Fokus: „Lass uns realistisch bleiben“

Zum Schluss der Pressekonferenz fiel auch der Name Gian van Veen, der ebenfalls für Schlagzeilen sorgt. Für van Gerwen ist das nächste niederländische Top-Talent ein Beweis, dass sein Land im Darts weiter stark aufgestellt ist – doch er bremst die Euphorie: „Gian hat ein großartiges Jahr hinter sich. Er ist im Flow, alles läuft. Du siehst das sofort in seinem Spiel.“ Trotzdem warnt der Routinier vor Übertreibung. „Er spielt fantastisch, keine Frage. Aber man darf nicht zu früh zu viel erwarten. Der Sport kann brutal sein – ehe du dich versiehst, ist der Hype vorbei.“
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