„Ich dachte nur: Warum macht er das?" – Andreas Harrysson unbeeindruckt nach ausgelassenem Jubel von Ricardo Pietreczko

PDC
Sonntag, 28 Dezember 2025 um 18:30
Andreas Harrysson (1)
Für Andreas Harrysson hat sich die Darts WM 2026 zu einem modernen Märchen entwickelt. Der 50-jährige Schwede hat sich bei seinem WM-Debüt für die vierte Runde qualifiziert und damit erstmals in seiner Karriere die letzten Sechzehn der Welt erreicht. Mit einem reifen Auftritt, einem Average von 96 und auffälliger Ruhe auf der größten Bühne des Dartsports schrieb Harrysson eines der schönsten Kapitel seiner Laufbahn.
„Ich bin völlig aus dem Häuschen“, sagte Harrysson sichtlich genießend im Anschluss. „Das ist großartig. Das hätte ich mir eigentlich nicht vorstellen können.“ Und doch stand er da, ruhig und beherrscht, nach erneut starker Leistung in einem längeren Format, als er es auf diesem Niveau je zuvor gespielt hatte.

Beste Leistung des Turniers

Mit seinem Average von 96 lieferte Harrysson seinen besten Auftritt dieser WM ab. „Ja, damit bin ich zufrieden“, sagte er. „Aber ich denke immer noch, dass ich besser spielen kann.“ Diese Aussage charakterisiert den Schweden: zufrieden, aber nicht gesättigt.
Vor dem Turnier hatte er sich keine großen Ziele gesetzt. „In meinen Träumen, ja“, antwortete er lachend auf die Frage, ob er je gedacht habe, so weit zu kommen. „Aber realistisch gesehen nicht wirklich. Ich wusste, dass ich eine schwierige erste Runde hatte. Wenn ich die gewinnen würde, wäre ich schon sehr glücklich.“
Es folgte jedoch eine beeindruckende Serie. In seiner Drittrunden-Partie gegen Ricardo Pietreczko lag Harrysson keinen Moment zurück. Satz für Satz behielt er die Kontrolle, ohne sichtbar unter Nervosität zu leiden.

Keine Angst auf der größten Bühne

Auffällig war, dass Harrysson sich auf der Bühne des Alexandra Palace kaum nervös fühlte. „Ich war vor allem nervös, bevor ich auf die Bühne musste“, gab er zu. „Ich dachte, ich würde nervös sein. Aber als ich einmal dort stand, war es eigentlich nicht so.“
Statt Druck spürte er vor allem Fokus. „Ich dachte nur: weiter Sätze gewinnen, vielleicht kann ich es in einen Entscheidungs-Satz bringen. Von dort aus sieht man weiter.“ Dieser nüchterne Ansatz zahlte sich aus und bescherte ihm den größten Sieg seiner Karriere.
„Ja, das muss wohl mein größter Sieg überhaupt sein“, räumte er ein. „Das Erreichen der letzten Sechzehn… das war wirklich nur ein Traum.“

Clayton wartet: neue Herausforderung, neue Chance

In der vierten Runde wartet nun ein Duell mit Jonny Clayton, dem an fünf gesetzten Spieler des Turniers. Für Harrysson ist das kein Grund zur Angst, sondern eher zur Vorfreude. „Es wird großartig“, sagte er mit einem Lächeln. „Ich freue mich wirklich darauf, gegen ihn zu spielen. Hoffentlich kann ich mich noch weiter steigern.“
Dieses Spiel steht zudem nicht nur sportlich im Zeichen von Prestige. Harrysson ist nur noch einen Sieg von einem Platz in den Top-64 der Weltrangliste entfernt — und damit von einer PDC Tour Card. Das würde sein Leben grundlegend verändern.
„Ich habe mir natürlich angesehen, was ich tun muss, um nicht mehr zur Q-School zu müssen“, sagte er offen. „Also ja, das würde sehr viel bedeuten. Ich hoffe, dass ich gut spielen, mein Ding machen und ihm ein echtes Match liefern kann. Und hoffentlich gewinnen.“
Andreas Harrysson in Aktion auf der WM-Bühne
Andreas Harrysson trifft in der vierten Runde auf Jonny Clayton

Kein zusätzlicher Druck, aber zusätzliche Motivation

Dennoch betont Harrysson, dass diese mögliche Belohnung ihn nicht zusätzlich unter Druck setzt. „Nein, das denke ich nicht. Ich werde einfach das tun, was ich immer tue. Mein Spiel spielen, so gut wie möglich.“ Seine ruhige, fast bescheidene Ausstrahlung scheint dabei eine seiner größten Waffen zu sein.
Auf die Frage, ob es eine Erleichterung wäre, auf diesem Weg eine PDC Tour Card zu bekommen, musste er nicht lange überlegen. „Ja, natürlich“, lachte er. „Das wäre fantastisch.“

Spätzünder mit Selbstvertrauen

Die Geschichte von Harrysson ist die eines Spätzünders. Mit 50 Jahren spielt er das beste Darts seines Lebens. Warum kommt dieser Erfolg erst jetzt? „Weil ich es früher nicht wirklich versucht habe“, sagte er ehrlich. „In den letzten zehn Jahren war ich wirklich ernsthaft dabei. Ich habe viel Erfahrung gesammelt und ich glaube jetzt an mich. Das ist das Wichtigste.“
Dieses Selbstvertrauen ist auf der Bühne sichtbar. Während Gegner manchmal emotional auf große Finishes reagieren, bleibt Harrysson unerschütterlich. Als sein Gegner Ricardo Pietreczko ein 158-Finish warf und das ausgelassen feierte, zuckte der Schwede mit den Schultern. „Ich dachte nur: Warum macht er das?“, sagte er mit einem Lächeln. „Es war ein schönes Finish, also gratulierte ich ihm und machte weiter.“

Gelassenheit als Schlüssel zum Erfolg

Diese Gelassenheit zieht sich wie ein roter Faden durch sein Turnier. Auch in früheren Partien fiel auf, wie entspannt Harrysson wirkt. „Vielleicht ist das ein Schlüssel“, gab er zu. „Ich bin von Natur aus ein ruhiger Mensch. Das hilft vielleicht.“
Der Kontrast zu vielen jüngeren Spielern ist auffällig. Wo Emotionen manchmal hochkochen, bleibt Harrysson bei sich. Er schaut kaum darauf, was sein Gegner macht. „Ich weiß, was sie können“, sagte er. „Sie können alles auschecken. Aber ich konzentriere mich auf mein eigenes Spiel.“
Obwohl das Erreichen der letzten Sechzehn sich bereits wie ein Sieg anfühlt, schlummert irgendwo doch ein größerer Traum. „Gewinnen ist immer irgendwo in meinem Hinterkopf“, gab er zu. „Aber noch nicht wirklich. Erst dieses nächste Match.“
Die lange Perspektive? Die sieht er vorsichtig positiv. „Hoffentlich bin ich hier, um zu bleiben“, sagte er. „Ich denke, dass ich auf der Pro Tour gut bestehen kann. Ich denke, dass ich auf diesem Niveau wirklich gut spielen kann.“
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