„Ich habe zwei junge Kätzchen im Nacken. Aber dieser alte Kater ist immer noch da“ – Jonny Clayton spricht offen über seine Zukunft im Dartsport

PDC
durch Nic Gayer
Mittwoch, 31 Dezember 2025 um 12:30
Jonny Clayton (1)
Jonny Clayton musste in der vierten Runde der Darts WM 2026 harte Arbeit leisten. Nach einem äußerst umkämpften 4:2-Erfolg gegen Andreas Harrysson stand der Waliser mit einem breiten Lächeln vor den Kameras – ein Lächeln aus Erleichterung, Stolz und purer Emotion.
Der Sieg, der ihn erneut ins WM-Viertelfinale brachte, bedeutete ihm alles. „Wirklich alles“, gab Clayton auf der Pressekonferenz (YouTube) offen zu. „Ich war schon sehr lange nicht mehr so nervös.“

Respekt vor einem Gegner, der keine Fehler macht

Dieses Gefühl war direkt mit seinem Gegner verknüpft. Andreas Harrysson ist für das breite Publikum noch ein vergleichsweise unbekannter Name, doch Clayton spürte vom ersten Moment an, was für ein Kaliber ihm da gegenüberstand. „Jedes Mal, wenn ich den Kopf hob, checkte er wieder ein Doppel. Ich dachte nur: Kopf unten lassen und hoffen, dass er einmal vorbeiwirft. Aber was für ein Spieler, und was für ein feiner Kerl.“
Jonny Clayton trifft im Viertelfinale der Darts WM 2026 auf Ryan Searle
Jonny Clayton trifft im Viertelfinale der Darts WM 2026 auf Ryan Searle
Clayton ist längst ein Routinier auf der großen Bühne, doch dieses Match fühlte sich anders an. Der Druck war enorm – nicht nur wegen der sportlichen Bedeutung, sondern auch wegen allem, was daran hing: Preisgeld, Ranglistenpunkte und der Blick Richtung 2026. „Ein Sieg hier bedeutet sofort 100.000 Pfund“, sagte er offen. „Und vorläufig die Nummer vier der Welt zu sein … das sind Dinge, die dir durch den Kopf gehen. Natürlich denkst du daran.“
Diese Gedanken sorgten für Spannung, und die war deutlich zu sehen. Clayton wirkte phasenweise unruhig und suchte nach seinem Rhythmus. „Ich hatte mir vorgenommen, gleich den ersten Satz zu holen und ihn unter Druck zu setzen“, erklärte er. „Aber er gewann den ersten Satz. Und danach auch den zweiten. Das war wirklich ein Augenöffner.“

Der Wendepunkt

Trotzdem kippte die Partie – und Clayton wusste genau, wann. „Der fünfte Satz war der Moment“, analysierte er. „Andreas begann plötzlich zu verfehlen. Er gab mir Chancen, und im Darts brauchst du manchmal einfach dieses Quäntchen Glück.“ Clayton nutzte diese Chancen konsequent, und genau das gab letztlich den Ausschlag.
Das Duell entwickelte sich zu einem echten Kraftakt. Mehrere Sätze wurden erst in entscheidenden Legs gewonnen, und Clayton landete immer wieder hauchdünn auf der richtigen Seite. „Das ist Erfahrung“, sagte er. „Vielleicht konnte ich etwas entspannter bleiben als er. Aber er war fantastisch. Wirklich.“
Die Belohnung kann sich sehen lassen. Durch den Sieg steht Clayton vorläufig auf Rang vier der Weltrangliste – eine Position, die er mit einem Augenzwinkern kommentierte. „Ich habe zwei junge Kätzchen im Nacken: Gian van Veen und Josh Rock“, witzelte er. „Aber dieser alte Kater ist immer noch da.“
Trotzdem bleibt Clayton realistisch. Er weiß, dass er sich steigern muss, um weiterzukommen. Am Neujahrstag wartet Ryan Searle im Viertelfinale. „Das war nicht mein bestes Spiel“, räumte er ein. „Ich war blutnervös. Aber gegen Ryan muss ich mein Topniveau abrufen, denn er spielt sehr stark.“

Respekt vor Ryan Searle

Clayton und Searle kennen sich bestens, taktische Spielchen erwartet der Waliser nicht. „Wir spielen denselben Stil“, sagte er. „Wir gehen auf die Bühne, werfen unsere Darts und einer von uns gewinnt. Mehr ist es nicht.“
Was Clayton an Searle besonders schätzt, ist dessen mentale Einstellung. „Ryan scheint sich um nichts wirklich zu scheren. Wenn er gewinnt, schön. Wenn er verliert, vergisst er es und macht weiter. Das ist eine großartige Eigenschaft.“ Clayton sieht darin Parallelen zu sich selbst, gibt aber zu, dass er persönlich vielleicht etwas zu viel nachdenkt.

Premier League Darts als Antrieb

Im Interview sprach Clayton auch ausführlich über die Premier League Darts – und machte klar, welchen Stellenwert dieses Turnier für ihn hat. „Es bedeutet mir alles“, sagte er. „Du spielst Woche für Woche gegen die absolute Elite. Erreichst du die Play-offs, weißt du, dass du sechzehn Wochen lang top warst.“
Das erklärt auch einen Teil seiner Nervosität. Das Wissen, dass eine starke WM seine Chancen auf eine Einladung erhöht, beschäftigte ihn spürbar. „Ja, das spielt mit“, gab er zu. „Aber meine Arbeit für heute ist erledigt. Und darüber bin ich sehr froh.“

Ein fast historischer Moment

Einer der denkwürdigsten Augenblicke des Matches gehörte Andreas Harrysson. Der Schwede versuchte sich über Scores von 180, 171 und anschließend dreimal Bullseye am perfektesten aller 9-Darter. Clayton stand dahinter und konnte kaum glauben, was er sah. „Wenn das gelungen wäre, wäre es das beste Finish aller Zeiten im TV gewesen“, sagte er. „Unglaublich. Er hatte Pech mit der 25.“
Auch Clayton selbst sorgte für Staunen, als er bei einem 121-Finish nicht seine gewohnte Route wählte, sondern „sicher“ über die 18 ging. „Ich habe kurz geschaut, was er stehen hatte“, gestand er. „Normal mache ich einfach das, was mir zuerst in den Sinn kommt. Das ist der Grund, warum ich manchmal Dinge verhaue. Aber diesmal habe ich vernünftig gespielt.“

Respekt und Fairness

Besonders auffällig war der gegenseitige Respekt auf der Bühne. Fistbumps, Abklatschen, ehrliche Komplimente. Clayton hatte Harrysson erst vor Kurzem kennengelernt, war aber sofort angetan. „Er ist ein Gentleman. Spielt mit Herz. Respektiert jeden. Das ist ein Mensch nach meinem Geschmack.“
Dem Schweden traut Clayton eine große Zukunft zu. „Wenn er zur Q-School geht, holt er sich eine PDC Tour Card. Und dann wird er nächstes Jahr so einigen Spielern wehtun. Er hat das Spiel, er hat die Ausstrahlung, er kann das Publikum mitnehmen.“

Wie lange erleben wir „The Ferret“ noch?

Clayton ist dafür bekannt, immer wieder mit dem Gedanken ans Aufhören zu spielen. Doch wie Gary Anderson scheint auch er vorerst noch nicht fertig zu sein. „Solange ich die Liebe zum Spiel spüre und die Bühne genieße, spiele ich weiter“, sagte er. „Ich hasse das Reisen, aber ich liebe dieses Kribbeln auf der Bühne.“
Ob dieses Gefühl noch lange anhält? Clayton lachte. „Keine Ahnung. Es sei denn, ich gewinne diese Million.“
Es ist sein zweites WM-Viertelfinale, und Clayton weiß genau, was jetzt nötig ist. „Ich muss einfach gewinnen. Das ist alles“, sagte er nüchtern. „Ich muss besser spielen als heute. Andere Nerven, anderes Match.“
Klatscht 0Besucher 0
loading

Gerade In

Beliebte Nachrichten

Aktuelle Kommentare

Loading