Gian van Veen hat bei der
Darts WM 2026 eindrucksvoll unter Beweis gestellt, warum sein Name längst zur erweiterten Weltspitze gehört. Der junge Niederländer präsentierte sich auf der Bühne des
Alexandra Palace nicht nur in bestechender Form, sondern zeigte vor allem, wie sehr er sportlich und mental gereift ist. Mit
einem Average von 108,28 – dem bislang höchsten Wert des gesamten Turniers – und einem sensationellen Schnitt von 121 Punkten im letzten Satz zog van Veen souverän in die dritte Runde ein. Noch bedeutender: Er überwand eine mentale Blockade, die ihn in den vergangenen Jahren ausgerechnet in London immer wieder begleitet hatte.
„Das fühlt sich natürlich großartig an“,
sagte van Veen unmittelbar nach dem Match gegenüber Medien wie Dartsnews (YouTube). „Es war ein hart umkämpftes Spiel. Im zweiten Satz hatte ich ehrlich gesagt ein bisschen Glück, aber das braucht man bei solchen Turnieren manchmal. Danach habe ich nicht mehr zurückgeschaut und wirklich sehr gut gespielt.“
„Eine der besten Serien, die ich je gespielt habe“
Dabei verlief der Start keineswegs perfekt. Im ersten Satz ließ van Veen mehrere Doppelchancen ungenutzt. „Da geht es immer besser“, räumte er offen ein. „Ich habe zu viele Möglichkeiten liegen lassen.“ Der Wendepunkt folgte jedoch mit einem eiskalten 72er-Finish zum 1:1 in den Sätzen. „Ab da fiel alles an seinen Platz. Diese letzten sechs Legs waren wahrscheinlich eine der besten Serien, die ich je gespielt habe – gerade auf dieser Bühne.“
Gian van Veen setzte sich in der zweiten Runde der Darts WM 2026 mit einer überragenden Leistung gegen Alan Soutar durch
Die Statistiken untermauern diesen Eindruck. In vier gespielten Sätzen leistete sich van Veen lediglich drei sogenannte „trebleless visits“, also Aufnahmen ohne Triple. Der konstante Druck auf seinen Gegner war über weite Strecken erdrückend. „Ich wusste, dass ich gut spielte“, erklärte er. „Nach zwei Sätzen lag ich schon bei etwa 104 im Average. Dass der Wert am Ende so hoch war, habe ich erst später realisiert. Letztlich ist es egal, ob du 97 oder 108 im Schnitt spielst – entscheidend ist, dass du dich gut fühlst und gewinnst.“
Ein mentaler Durchbruch
Auffällig war vor allem die Ruhe, mit der van Veen agierte. Während frühere WM-Auftritte von Nervosität und innerer Unruhe geprägt waren, wirkte er diesmal gelöst und fokussiert. „Der erste Sieg hier letzte Woche fühlte sich schon an, als ob eine Last von meinen Schultern fällt“, sagte er. „Das war extrem wichtig. In den letzten Tagen habe ich mich richtig darauf gefreut, wieder auf diese Bühne zu gehen. Selbst heute Morgen war ich überhaupt nicht nervös.“
Der Unterschied zum Vorjahr könnte größer kaum sein. „Damals habe ich mir selbst viel zu viel Druck gemacht. Ich habe zu hart trainiert und wollte alles perfekt machen“, erklärte van Veen. „Dieses Jahr habe ich mir gesagt: Behandle die WM wie jedes andere Turnier. Nicht mehr trainieren als sonst, einfach auf das vertrauen, was ich mir über das Jahr aufgebaut habe. Bis jetzt funktioniert das sehr gut.“
Statement Richtung Konkurrenz
Mit diesem Auftritt sendete van Veen zugleich ein klares Zeichen an die Konkurrenz. Zwar lag im Vorfeld viel Aufmerksamkeit auf anderen großen Namen, doch der Niederländer zeigte, warum er bei den Buchmachern zu den hoch gehandelten Spielern zählt. Dennoch bleibt er bewusst bei sich: „Für mich geht es nicht darum, auf andere zu schauen“, stellte er klar. „Ich denke nicht an Luke Humphries, Luke Littler oder sonst wen. Ich schaue nur auf mein eigenes Spiel und darauf, wie weit ich kommen kann.“
Dass er bereits vor der WM als Mitfavorit galt, spielt für ihn keine große Rolle. „Nach dem Ausscheiden einiger Spieler hat sich das vielleicht etwas verschoben, aber ich mache mir deswegen keinen zusätzlichen Druck“, sagte van Veen. „Dieses Match mag für andere etwas verändern, für mich nicht. Ich fühle mich einfach wohl auf der Bühne – und genau dieses Gefühl nehme ich mit.“
EM-Titel als Katalysator
Das Fundament für dieses Selbstvertrauen legte van Veen bereits früher in der Saison, als er mit dem Sieg bei der European Championship seinen ersten großen PDC-Titel feierte. Ein Erfolg, der seine Karriere spürbar beschleunigte. „Mein Selbstvertrauen ist seitdem explodiert“, gab er offen zu. „Die Ergebnisse beim Grand Slam of Darts und bei den Players Championship Finals waren danach vielleicht etwas enttäuschend, aber spielerisch war das Niveau weiterhin da.“
Gerade auf der heutigen Tour ist das entscheidend, weiß van Veen. „Die Konkurrenz ist brutal stark. Wenn du konstant nur 90 oder 92 im Average spielst, verlierst du einfach zu viele Matches. Willst du in Richtung Top-16 oder Top-10, musst du dauerhaft liefern. Und wenn mich jemand schlagen will, dann muss er selbst 98 bis 105 im Schnitt spielen. Mit genau dieser Mentalität gehe ich in dieses Turnier.“
Obwohl van Veen noch nicht lange Teil der PDC ist, hat er sich erstaunlich schnell an den gnadenlosen Rhythmus aus Pro Tours, Euro Tours und Majors angepasst. „Du hast keine Wahl“, sagte er nüchtern. „Wenn du das Tempo nicht mitgehst, übernimmt es jemand anderes. Du musst am lebenden Objekt lernen.“
Dieses Lernen zahlt sich aus – vor allem auf der größten Bühne des Sports. „Allein diese beiden Matches haben mir enorm geholfen“, betonte van Veen. „Sie geben mir Vertrauen für den Rest dieser WM, aber auch für 2026 und die kommenden Jahre. Ich weiß jetzt: Wenn mein Gegner mich pusht, kann ich liefern.“
Weihnachten mit einem Lächeln
Nun darf der Niederländer kurz durchatmen. Van Veen reist zurück in die Niederlande, um Weihnachten im Kreise seiner Familie zu verbringen, ehe er nach den Feiertagen für die dritte Runde nach London zurückkehrt. „Ein paar Stündchen trainieren, nicht mehr“, sagte er lachend. „Dann komme ich frisch zurück. Das wird wahrscheinlich das schönste Weihnachtsfest meines Lebens. Ich bin noch bei der WM dabei – das war ein großes Ziel für mich.“
Von großen Träumen, vom WM-Titel oder gar davon, Jugend- und Weltmeisterschaft gleichzeitig zu gewinnen, will van Veen noch nichts wissen. „Natürlich ist das zusätzliche Motivation“, sagte er. „Aber das ist noch sehr weit weg. Dann sind wir noch 32 Spieler. Ich schaue nur auf das nächste Match.“