„Wenn man keine Kinder hat, kann man es nicht nachvollziehen“ - James Wade sieht, dass immer mehr Dartspieler mit ihrer Rolle als Familienvater zu kämpfen haben

PDC
Donnerstag, 18 Dezember 2025 um 13:30
James Wade (2)
James Wade hat bei der Darts WM 2026 im Alexandra Palace ein starkes Signal gesendet. Mit einem souveränen 3:0-Erfolg gegen Ryusei Azemoto, bei dem er lediglich ein einziges Leg abgab, präsentierte sich „The Machine“ kontrolliert, fokussiert und mental gefestigt. Auf der größten Bühne des Sports gelang ihm damit mehr als nur ein überzeugender Auftakt: Wade verschaffte sich spürbar Luft nach Jahren, in denen er vor allem mit sich selbst zu kämpfen hatte.
Der sportliche Wert des Sieges war offensichtlich, doch die emotionale Dimension wog mindestens genauso schwer. Wade wirkte erleichtert, fast befreit. Nach dem Match zeigte er sich wie so oft selbstkritisch und offen. „Es war wahrscheinlich mehr Glück als Verstand“, sagte er trocken. „Er wurde etwas nervöser als ich, und ich habe meine Chancen besser genutzt.“ Worte, die tief blicken lassen – und zugleich den Kern dieses Abends treffen.

Endlich wieder ein WM-Sieg

Für James Wade bedeutete dieser Erfolg deutlich mehr als ein Weiterkommen in der ersten Runde. Drei Jahre lang hatte er bei Weltmeisterschaften kein Match mehr gewonnen, ein Umstand, der am erfahrenen Engländer nicht spurlos vorbeiging. „Ich habe mir enorm viel Druck gemacht“, räumte er ein. „Vielleicht zu viel. Umso erleichterter bin ich jetzt, dass ich gewonnen habe und weiterspielen darf.“
James Wade atmet tief durch
James Wade gewann gestern Abend sein erstes Spiel bei der Darts WM seit drei Jahren
Besonders bemerkenswert: Der Sieg fiel in eine Phase, in der Wade sich selbst wieder deutlich stabiler wahrnimmt. „Es fühlt sich magisch an“, sagte er. „Ich weiß, wie gut ich spielen kann. Aber in den vergangenen vier oder fünf Jahren hat es einfach nicht gepasst. Dieses Jahr fühle ich mich wieder selbstbewusst.“
Wade ist überzeugt, dass ein solches Match vor einem Jahr anders ausgegangen wäre. „Damals hätte ich mehr Lücken gelassen, und mein Gegner hätte sie genutzt. Heute war ich mental ganz woanders.“ Genau diese mentale Stabilität machte am Ende den Unterschied aus.

Noch immer Nerven, immer Nerven

Trotz seiner über zwei Jahrzehnte langen WM-Erfahrung kennt James Wade die Nervosität weiterhin nur zu gut. „Es ist jedes Mal nervenaufreibend“, gestand er. „Bei jedem TV-Turnier werde ich nervös. Manchmal so sehr, dass es mir körperlich schlecht geht.“ Für Wade gehört das zu seiner Persönlichkeit – und er macht keinen Hehl daraus.
Rein logisch müsste ein Spieler mit seiner Vita längst entspannter auftreten. Doch Wade widerspricht dieser Annahme entschieden. „Ich habe mehr Turniere gespielt und mich intensiver vorbereitet als viele andere. Trotzdem wird es nicht leichter.“ Der mentale Druck bleibt, unabhängig von Routine oder Erfahrung.
Auf der Bühne wirkte Wade dennoch erstaunlich ruhig. Er selbst relativierte diesen Eindruck. „Es ist nicht die beste Form meines Lebens. Aber sie ist klar besser als in den letzten vier oder fünf Jahren.“ Diese nüchterne Einschätzung passt zu einem Spieler, der gelernt hat, seine Leistung realistisch einzuordnen.
Auch über die Partie selbst sprach Wade sachlich. Sein Gegner habe nicht sein bestes Niveau erreicht, er selbst ebenfalls nicht. „Der Unterschied lag beim Check-out“, erklärte er. „Ich habe ein paar Chancen mehr genutzt. Das entscheidet auf diesem Niveau.“

Zusatzrunde vor Weihnachten: Chance statt Belastung

Durch das angepasste WM-Format benötigt Wade einen weiteren Sieg, um die Weihnachtstage im Turnier zu erleben. Für ihn kein Nachteil. „Ich sehe das als Bonus“, sagte er. „Noch ein Spiel, um reinzukommen, noch mehr Rhythmus.“ Für einen Spieler, der zuletzt oft mit sich haderte, ist Spielpraxis ein klarer Vorteil.
Gedanklich ist Wade allerdings nicht ausschließlich bei den Darts. Wie so häufig sprach er auch über seine Familie. „In den nächsten Tagen geht es vor allem um Weihnachtsgeschenke“, scherzte er. „Man denkt, alles erledigt zu haben – und dann kommen die Kinder mit neuen Wünschen um die Ecke.“
Für Wade ist das kein Nebenthema. „Das ist wichtiger als Darts“, stellte er klar. „Vielleicht erklärt das auch, warum ich hier nie über Jahre dominiert habe. Es ist schwer, alles gleichzeitig perfekt zu managen.“

Darts spielen als Vater

Wade weiß, dass viele Profis mit ähnlichen Herausforderungen kämpfen. „Die meisten Spieler hier sind Väter“, sagte er. „Und es ist extrem schwer, das komplett auszublenden, wenn der Kopf eigentlich zu Hause ist.“ Die familiäre Verantwortung begleitet ihn bis auf die Bühne.
Ob es jüngere Spieler ohne Kinder leichter haben? Wade fand klare Worte. „Wenn du keine Kinder hast, kannst du das nicht nachvollziehen. Das ist nicht abwertend gemeint. Aber du hast dann andere Dinge, an denen du dich festhalten kannst, wenn es nicht läuft.“
Heute ist seine Familie seine größte Motivation. „Ich bin 42, finanziell abgesichert. Aber das bedeutet nichts im Vergleich zu meiner Familie.“ Diese Bodenständigkeit prägt Wades Auftreten mehr denn je.

Ricky Evans wartet: „Tricky Ricky“

In der nächsten Runde trifft Wade auf Ricky Evans, einen Spieler mit unberechenbarem Stil. „Er ist tricky“, sagte Wade. „Er kann überragend sein oder durchschnittlich. Aber ich glaube auch, dass ich selbst ziemlich gut sein kann.“ Respekt ja, Ehrfurcht nein.
Evans fühlt sich aktuell wohl, das weiß Wade. „Er ist glücklich, und das hilft ihm. Aber ich glaube, ich bin mindestens genauso glücklich.“ Ein Satz, der viel über Wades derzeitige Verfassung aussagt.
Zur extrovertierten Art seines Gegners blieb Wade gewohnt nüchtern. „Ich bin eher gradlinig. Ricky versucht, auch abseits der Darts zu unterhalten. Das ist völlig in Ordnung. Ich bin zufrieden, wenn ich ein Match gewinne.“

Publikum zwischen Party und Präzision

Auch das Publikum im Alexandra Palace ordnete Wade realistisch ein. „Sie haben Einfluss – aber nur, wenn du gut spielst“, erklärte er. „Wenn du schlecht spielst, helfen sie dir nicht.“ Für ihn gehört das zur besonderen Dynamik dieses Turniers.
Viele Zuschauer kämen nicht ausschließlich wegen der Darts, betonte er. „In Blackpool geht es primär um den Sport. Hier geht es oft um die Weihnachtsfeier, um Stimmung. Das darfst du nicht persönlich nehmen.“
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