Am Sonntagabend hatte das Warten endlich ein Ende: Die Darts WM 2025 im legendären Ally Pally wurde eröffnet. In der ersten Turnierphase bis Weihnachten veröffentlicht Dartsnews.de vor jedem Auftakt-Match eines deutschen Spielers einen WM-Guide. Diese Artikelserie soll umfangreiche Informationen zum jeweiligen Spieler, seiner zurückliegenden Saison und der anstehenden Weltmeisterschaft liefern.
Lange müssen die deutschen Dartfans sich nicht gedulden, bis einer der insgesamt sechs Qualifikanten in die WM startet. Bereits am zweiten Turniertag feiert Kai Gotthardt im dritten Match der Nachmittagssession sein Ally Pally-Debüt. Für den Super League-Gewinner geht damit ein Lebenstraum in Erfüllung.
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Kai Gotthardt ist seit Jahren einer der prägenden Namen des deutschen Dartsports. Dennoch erreichte die Karriere des 29-Jährigen in den vergangenen Monaten neue Höhen - und das, obwohl der Saisonstart alles andere als vielversprechend verlief. Bei der European Q-School konnte Gotthardt nicht in den Kampf um die Tour Cards eingreifen und in der Final Stage keinen Punkt sammeln. Ein Rückschlag, der sich in den kommenden Monaten als Kickstart entpuppen sollte.
Beim ersten Challenge Tour-Event der Saison marschierte Gotthardt direkt ins Achtelfinale, wo er vom überragend aufspielenden Connor Scutt gestoppt wurde. In der neu geschaffenen PDC Europe NEXT GEN schrieb der gebürtige Esslinger bereits beim zweiten Event Schlagzeilen und zog mit überzeugenden Leistungen ins Finale ein. Beim Host Nation-Qualifier für das dritte European Tour-Turnier der Saison stellte Gotthardt seine starke Verfassung erneut unter Beweis und qualifizierte sich für das Event in Riesa. Wenig später stürmte er zu seinem ersten NEXT GEN-Turniersieg und ließ sein erstes Challenge Tour-Viertelfinale und -Halbfinale folgen.
Anfang Mai nahm Gotthardt als Nachrücker an den Players Championship-Turnieren neun und zehn teil, einen Monat später stand er auf der Challenge Tour erneut im Viertelfinale. Seine Players Championship-Bilanz konnte Gotthardt Mitte Juni aufbessern, als er erneut als Nachrücker an vier Turnieren teilnahm. Bei Event 13 erreichte der 29-Jährige sogar das Achtelfinale, allgemein überlebte Gotthardt bei drei der insgesamt vier Turniere die erste Runde.
Gestärkt von vier weiteren Pro Tour-Teilnahmen trat der Deutsche Ende September die Reise nach Portsmouth an, um an der Modus Super Series teilzunehmen. Gotthardt legte einen durchwachsenen Start hin und gewann in Gruppe A sieben seiner 15 Matches. In Gruppe C fand The Tunnel dann allerdings zu seinem Spiel, als neun seiner insgesamt zehn Partien gewann und sich für die Finals-Night qualifizierte. Im Endspiel setzte sich Gotthardt mit 4-3 gegen Jon Worsley durch und gewann nach Lukas Wenig und René Eidams als dritter Deutscher einen Modus Super Series-Wochentitel.
Mit dem Rückenwind seines Triumphs in Portsmouth überragte Gotthardt beim WDF World Masters und erreichte nach zehn überstandenen Runden das Finale, wo er mit 3-7 gegen Wesley Plaisier unterlag. Wenig später folgte bei Challenge Tour-Event Nummer 23 das zweite Halbfinale der Saison.
Nach den großen Erfolgen der vorherigen Wochen galt Gotthardt bei der PDC Europe Super League als einer der Top-Favoriten auf den Gewinn des WM-Tickets. Doch The Tunnel musste auf dem Weg in Richtung Ally Pally kämpfen. Im Achtelfinale gewann er den Decider gegen Max Hopp, im Viertelfinale war es ein Decider-Erfolg gegen Franz Rötzsch und im Halbfinale setzte sich Gotthardt im entscheidenden letzten Leg gegen Dominik Grüllich durch.
Im Finale trafen mit Gotthardt und Paul Krohne die beiden Top-Performer des mehrtägigen Events aufeinander. Gotthardt war stark in das Match gestartet und führte zu Beginn mit 2-0. Krohne kämpfte sich allerdings zurück und übernahm beim Zwischenstand von 4-2 das Ruder. Am Ende war es erneut der gebürtige Esslinger, der seine Nervenstärke unter Beweis stellte und sich sein Ally Pally-Ticket in einem Last-Leg-Decider sicherte. Gotthardt fiel brüllend auf die Knie und ließ all seinen Emotionen freien Lauf. "Da ist natürlich alles aus mir rausgekommen. Das war ein unglaubliches Gefühl - endlich hat es geklappt mit der Ally Pally-Qualifikation, wovon man natürlich seit Jahren träumt. Unbeschreiblich", sagte Gotthardt im Interview mit SWR Sport.
In der heutigen Nachmittagssession wird Kai Gotthardt das bislang beste Jahr seiner Karriere mit seinem WM-Debüt krönen. In Runde eins bekommt es The Tunnel mit dem Schotten Alan Soutar zu tun. "Ein sehr erfahrener Spieler, der bei der WM schon überzeugende Auftritte geliefert hat. Auch in diesem Jahr hat er über große Teile richtig gut gespielt, aber ich glaube an mich. Wenn ich mein Level abrufen kann, ist vielleicht etwas möglich."
Im Wettkampf lebt Gotthardt von einer besonderen Motivation. "Ich denke beim Spielen immer an meine Tochter. Es ist Wahnsinn, wie viel Kraft sie mir gibt", erklärt der Deutsche. Bevor es auf die Bühne geht, verpasst Gotthardt dem Kuscheltier seiner Tochter noch einen Kuss - eine Routine, die er vor jedem Spiel wiederholt.
Auch Elmar Paulke widmete Kai Gotthardt eine Folge seines Kult-Formats "Road to Ally Pally". Im YouTube-Video erzählt der Super League-Gewinner unter anderem von seinen Anfängen im Dartsport: "Mit neun habe ich mein eigenes Board bekommen und die ersten Turniere gespielt. Bei meinem ersten Turnier war ich bei den Erwachsenen im Finale", erzählt Gotthardt.
Als größte Stärke bezeichnete The Tunnel sein Scoring und betonte auch seine Selbstsicherheit und Nervenstärke in wichtigen Momenten. "Ich gehe die WM an wie jedes andere Turnier. Ich mache mir keinen Kopf darüber, ob das jetzt der Ally Pally ist oder nicht. Ich versuche das so locker wie möglich anzugehen, wie andere Turniere auch", sagt Gotthardt. "Ich habe immer gesagt - wenn ich in den Ally Pally gehe, dann nur zum Spielen. Zum Zuschauen gehe ich nicht hin."
Mit der Ally Pally-Atmosphäre sollte der WM-Debütant keine Probleme haben: "Ich fühle mich auf der Bühne auf jeden Fall wohler auf dem Floor. Da kann ich meistens mein Top-Niveau abrufen."
Sollte der Deutsche seine Erstrundenpartie gegen Soutar gewinnen, würde in Runde zwei der Masters-Champion Stephen Bunting warten. Paulke spricht den 29-Jährigen darauf an, ob das ein Spiel wäre, dass er genießen könnte. Doch davon wollte Gotthardt nichts wissen: "Ich gehe nicht da hin, um es zu genießen, ich will gewinnen. Ich will ein gutes Spiel zeigen, das ist erst ein mal das Wichtigste."