Nathan Aspinall steht in der zweiten Runde der
Darts WM 2026. Doch die Art und Weise dieses Erfolgs wird dem Engländer noch lange im Gedächtnis bleiben. Im
Alexandra Palace setzte er sich
mit 3:1 Sätzen gegen
Lourence Ilagan durch – begleitet von sichtbarer Nervosität, vielen vergebenen Doppeln und einem intensiven Kampf mit sich selbst.
Nach dem Spiel sprach Aspinall offen über seinen mentalen Zustand auf der Bühne. „Ich habe dieses Match gewonnen, aber so hatte ich mir das absolut nicht ausgemalt“,
sagte „The Asp“ gegenüber Medien wie Dartsnews (YouTube). Seine erste Reaktion nach dem entscheidenden Matchdart war keine Freude, sondern pure Erleichterung, wie er selbst erklärte. „Dieses Match verlief völlig anders, als ich es mir gestern Abend beim Schlafengehen vorgestellt hatte.“
Offener Kampf mit den eigenen Nerven
Der Engländer verteilte viel Lob an seinen Gegner. „Ein großes Lob an Lourence. Er spielte ein fantastisches Match und setzte mich ständig unter Druck. Ich habe diesen Druck wirklich gespürt. Mein Gesicht war rot wie eine Tomate, ich habe die ganze Zeit gezittert.“
Sicherte sich sein Zweitrundenticket mit einem überragenden 170er-Checkout: Nathan Aspinall
Dieses Gefühl begleitete ihn über weite Strecken der Partie. „Aber am Ende habe ich plötzlich etwas gefunden. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, woher ich es geholt habe, aber ich habe es irgendwie herausgerissen. Den Rest des Matches habe ich eigentlich schon wieder vergessen.“
Die 170, die alles veränderte
Die letzte Aktion des Matches wird Aspinall jedoch noch lange in Erinnerung bleiben. „Dieses 170er-Finish unter enormstem Druck, um ein Match zu gewinnen – das nehme ich mit. Nicht, wie ich gespielt habe, nicht die verpassten Doppel, nur dieser Moment.“
Dieses Finish stand sinnbildlich für seinen gesamten Abend: keine Kontrolle, keine Dominanz, sondern Überleben mit Willenskraft. „Das ist manchmal Topdarts“, erklärte Aspinall. „Nicht schön, nicht flüssig, aber dennoch im richtigen Moment den passenden Dart werfen.“
Dass ihn die Anspannung derart im Griff hatte, überraschte ihn selbst. „Ich würde gern sagen, dass es ein großartiges Gefühl war, aber das war es nicht. Ich habe in den vergangenen Wochen so gut gespielt. Ich habe mehr Exhibitions gespielt als sonst – aus gutem Grund. Meine 180er waren da, mein Selbstvertrauen war da.“
Doch mit dem Betreten der Bühne änderte sich alles. „Ich habe keine Angst, es zuzugeben: Ich bin daran fast zerbrochen. Ich stand in meiner Karriere schon zwanzigmal auf dieser Bühne und trotzdem habe ich mir heute Abend einen enormen Druck auferlegt.“ Warum das so war, wusste er zunächst selbst nicht. „Das werde ich später analysieren. Aber am Ende habe ich gewonnen, und das ist das Einzige, was zählt.“
Erste Runde bleibt ein mentales Minenfeld
Für Aspinall bestätigte dieses Match erneut, warum die erste Runde der WM so gefährlich ist. „Jeder sagt es, und es stimmt einfach: Die erste Runde ist die schwerste. Du willst einfach im Turnier bleiben.“
Das erklärt aus seiner Sicht auch, warum immer wieder große Namen früh scheitern. „Du denkst nicht ans Gewinnen, du denkst ans Überleben. Und das ist eine gefährliche Denkweise.“
Dass er selbst nicht das nächste prominente Opfer wurde, beruhigte ihn sichtbar. „Ich bin enttäuscht über mein Spiel, aber froh, dass ich noch dabei bin. Das ist alles, was zählt.“
Aspinall wollte weder das Tempo noch das Auftreten von Ilagan als Ausrede gelten lassen, stellte aber klar, wie unangenehm der Filipiner zu bespielen war. „Es lag nicht an seinem Tempo und nicht an der Interaktion mit dem Publikum. Das habe ich sogar genossen.“ Aber: „Er war ein absoluter Albtraum, gegen den man spielen musste. Ab Dart eins.“
Mit einem schiefen Lächeln brachte Aspinall die Situation schließlich auf den Punkt. „Er fliegt zurück auf die Philippinen, ich bleibe in London. Das ist der Unterschied.“
Beste Form seines Lebens – trotz Zitterabend
Der mühsame Auftritt stand im klaren Kontrast zu der Form, mit der Aspinall in diese WM gestartet war. Seine Saison verlief beeindruckend: drei Euro-Tour-Titel, ein Finaleinzug bei den Players Championship Finals und konstant starke Leistungen auf den großen TV-Bühnen.
„Mein Spiel ist in der besten Verfassung, in der es je war“, sagte er ohne Zögern. „Mein Selbstvertrauen ist höher als je zuvor, mein Kopf ruhiger als je zuvor.“
Erstmals seit Jahren reiste er ohne körperliche oder mentale Altlasten an. „Keine Verletzungen, keine gesundheitlichen Probleme, kein Lärm in meinem Kopf. Ich bin einfach Nathan.“
Als gesetzter Spieler musste Aspinall bis zur letzten Session der ersten Runde auf seinen Einsatz warten. Das empfand er als schwierig. „Nicht, weil ich andere spielen sah, denn ich schaue kaum. Sondern weil man zu Hause sitzt und die Tage herunterzählt.“
Er verglich die Situation mit Kindern vor Weihnachten. „Vielleicht sollte ich mir nächstes Jahr einen Adventskalender machen, bis ich im Ally Pally spiele.“
Die Erleichterung war spürbar, als es endlich losging. „Ich saß im Zug, schaute ein wenig Darts, um die Schmetterlinge im Bauch zu wecken, denn eigentlich fühlte ich mich etwas flach. Ich wollte mich als Teil des Turniers fühlen.“
Mit seinem Vater, seinen Brüdern und seinen Sponsoren im Saal bekam der Abend zusätzliche Bedeutung. „Ich ging auf die Bühne und dann … fiel mir der Arsch auf Grundeis“, sagte Aspinall in seiner typischen Offenheit.
Trotz allem fand er einen Weg, sich durchzubeißen. „Ich habe gewonnen. Und das ist am Ende alles, was zählt.“
Nächste Runde gegen Gates – und neue Zuversicht
In der zweiten Runde trifft Aspinall auf
Leonard Gates, einen Gegner, den er gut kennt. Sein Selbstvertrauen ist ungebrochen. „Ich weiß, dass ich Leonard schlagen werde. Er ist ein guter Spieler, aber ich werde nicht noch einmal so nervös sein.“
Für Aspinall ist die größte mentale Blockade nun überwunden. „Die erste Hürde ist genommen. Montag wird ein anderes Match.“
Auch über seine generellen WM-Ambitionen sprach er offen. „Wenn du hier sitzt und nicht glaubst, dass du die WM gewinnen kannst, was machst du dann hier? Das ist keine Arroganz, das ist Überzeugung.“
Er blickte dabei auf seinen Weg der vergangenen Jahre zurück. „Vor zwei Jahren dachte ich, dass ich nie wieder auf diesem Niveau spielen würde. Danach Premier League, Halbfinals, New-York-Finale, drei Euro Tours. Ich bin zurück in den Top-12 der Welt.“
Dieser Weg gibt ihm heute Gelassenheit. „Ich spiele ohne Angst. Ich weiß, dass ich Matches verlieren werde, aber ich liege deshalb nicht mehr wach.“