Ryan Searle marschiert weiter durch die
Darts WM 2026 – und das mit einer Gelassenheit, die selbst seine Gegner verblüfft. Mit einem souveränen 4:0-Sieg gegen Deutschlands Nummer eins,
Martin Schindler, setzte der Engländer ein weiteres dickes Ausrufezeichen auf dem Weg ins Achtelfinale. Ein Average von 102,29 – sein bislang höchster auf der WM-Bühne – und erneut kein verlorener Satz zeigen deutlich, wie konstant Searle aktuell spielt. Trotz der beeindruckenden Zahlen klang der 36-Jährige danach fast irritierend bescheiden.
„Wenn du mir gesagt hättest, dass ich über 102 im Average hatte, hätte ich dir das kaum geglaubt“,
erklärte er nüchtern. „Es fühlte sich nicht so an, als hätte ich besonders gut gespielt.“
Hoher Average, kein Gefühl für Vollgas
Dass Searle einen 102er Average wirft und trotzdem meint, es habe sich nicht überragend angefühlt, sagt viel über die mentale Ruhe des Engländers. „Offensichtlich ist das etwas Gutes“, grinste er. „Ich habe das Gefühl, dass da noch Luft nach oben ist.“Ein bemerkenswerter Satz eines Spielers, der in dieser Turnierphase lange zu kämpfen hatte. „Ich habe in dieser Runde schon ein paar schlimme Spiele verloren“, erinnerte sich Searle. „Gegen Joe Cullen habe ich einmal fast 40 Darts auf Doppel vergeben – das tat weh.“ Diesmal aber blieb er eiskalt, nutzte nahezu jede Chance und gab dem Match kaum eine Wendung.
Ryan Searle trifft im Achtelfinale auf James Hurrell
„Aus solchen Fehlern lernst du“, meinte Searle. „Heute hat mich Martin nicht richtig unter Druck gesetzt, aber wenn er es getan hätte, wäre ich bereit gewesen. Dieses Selbstvertrauen habe ich im Moment.“
Neue Darts, neuer Fokus
Ein Grund für dieses Selbstvertrauen liegt laut Searle in einem entscheidenden Detail: seinen neuen Darts. „Es ist im Grunde ein komplett neuer Dart – gleiches Gewicht, gleiche Form, aber der Grip ist ganz anders“, erklärte er. Doch die Umstellung hatte nichts mit bloßer Spielerei zu tun. „Ich wollte mich selbst dazu zwingen, wieder mehr zu investieren. Ich hatte das Gefühl, ich trainiere zu wenig.“
Diese Veränderung hat ihn offenbar beflügelt. „Ich stehe wieder öfter am Board, bin fokussierter. Man sieht das, glaube ich, auch in meinen Auftritten“, meinte Searle. Seine Aussagen deuten auf eine Entwicklung hin, die viele Spitzenspieler irgendwann vollziehen: weg vom reinen Talent, hin zur bewussten, strukturierten Selbstverbesserung.
Gerade der mentale Bereich war lange seine Schwachstelle. „Es geht mehr um Fokus als um alles andere“, sagte er offen. „Ich hatte immer Probleme, die Konzentration über längere Zeit zu halten – selbst im Training.“ Am Vorabend des Spiels habe er deshalb allein im Hotel trainiert. „Ich habe versucht, die Sessions konzentriert zu gestalten. Nicht einfach nur werfen, sondern bewusst arbeiten – offenbar funktioniert’s.“
Searle gab zu, dass äußere Faktoren auf der größten Bühne der Welt durchaus eine Rolle spielen. „Für eine Million Pfund zu spielen hilft“, sagte er lachend. „Wenn du dich dafür nicht fokussieren kannst, bist du hier vielleicht falsch.“ Auch sein Humor verrät viel über seine Einstellung. „Es gibt auf der Tour vielleicht zwei Leute, denen das Ganze noch egaler ist als mir – Ryan Joyce und
Gary Anderson“, meinte er augenzwinkernd. „Aber am Ende geht’s um Fokus – und darum, den Kopf richtig einzustellen.“
Publikum kein Faktor – wenn das Spiel stimmt
Searle musste im Alexandra Palace mit einer ungewohnt parteiischen Atmosphäre umgehen, denn viele Fans drückten Schindler die Daumen. „Es war ein bisschen seltsam. Am Anfang riefen sie ständig seinen Namen, und ich dachte: Wir sind hier doch in England, oder?“, erzählte er schmunzelnd. Doch der Engländer drehte die Stimmung zu seinen Gunsten. „Ich wollte sie ein bisschen ruhigstellen – und am Ende haben sie meinen Namen gerufen. Also alles gut.“
Auch hier zeigte Searle seine typische Gelassenheit. „Wenn du gut spielst, spielt das Publikum keine Rolle. Wenn du aber Doppel verpasst und sie jubeln für deinen Gegner, kann’s hart werden.“ Diesmal war davon nichts zu spüren – Searle kontrollierte das Geschehen und die Atmosphäre gleichermaßen.
Nächster Gegner: James Hurrell
Im Achtelfinale wartet nun
James Hurrell – ein Gegner, den Searle keineswegs unterschätzt. „Wenn man sieht, was James gestern gespielt hat –
über sieben Sätze einen 98er Average – das ist Topniveau“, sagte er anerkennend. „Ich muss gut sein, um das Match zu gewinnen. Für uns beide ist es wohl das wichtigste Spiel der bisherigen Karriere.“
Von einer Überraschung will Searle bei Hurrell ohnehin nicht sprechen. „Er spielt hier konstant gut. Das ist kein Zufall. Er hat sich das verdient.“
Noch nicht am Limit
Trotz des klaren 4:0-Sieges wollte Searle weder von Perfektion reden noch in Euphorie verfallen. „Nein, das war nicht mein komplettestes Spiel“, betonte er. „Wenn du mir gesagt hättest, ich hätte 92 im Average und er 87, hätte ich das geglaubt.“ Der Engländer bleibt kritisch – und das auf einem Niveau, das andere gerne hätten.
„Wenn ich im Tunnel bin, merke ich gar nicht, wie gut ich spiele“, sagte er. „Aber das ist etwas Positives. Es zeigt, dass ich im Moment einfach funktioniere – und dass da noch mehr möglich ist.“ Ein Ziel bleibt dabei noch offen. „Ich will unbedingt einen Neun-Darter werfen“, sagte Searle. „Das wäre das i-Tüpfelchen – aber das Wichtigste ist, weiterzukommen.“
Kompromisslos, aber respektvoll
Nach dem Match zeigte Searle auch sportlich Größe. „Vor jedem Spiel willst du deinen Gegner für jeden kleinen Fehler bezahlen lassen“, meinte er. „Heute ist mir das gelungen.“ Doch von Überheblichkeit keine Spur: Beim Handschlag gab’s faire Worte. „Ich sagte zu ihm: ‚Du warst heute nicht wirklich da‘ – und er nahm’s fair. Wir sind eben keine Maschinen.“
Der abschließende Satz fasst Searles Haltung vielleicht am besten zusammen. „Martin ist ein netter Kerl. Ich wünsche ihm alles Gute.“