„Ich dachte daran, aufzuhören, aber was für ein Beispiel würde ich dann meinen Kindern geben“ – Michael Smith kämpft sich nach einer schwierigen Zeit zurück

PDC
Dienstag, 11 November 2025 um 9:30
Michael Smith
Nach einem Jahr voller Verletzungen, Frustrationen und verpasster Turniere ist Michael Smith zurück auf der großen Bühne. Der Engländer qualifizierte sich für die K.o.-Phase des Grand Slam of Darts in Wolverhampton – und seine Erleichterung war spürbar. Nach zwei nervenaufreibenden Tagen in der Gruppenphase musste er auch auf die Konkurrenz hoffen. Smith gewann zwar sein Spiel, musste aber abwarten, wie sich Nathan Aspinall und Luke Humphries schlugen. „Ich saß da und dachte: Nathan wird das 5:1 gewinnen“, erzählte er. „Zum Glück hat Luke mir sehr geholfen, deshalb bin ich noch dabei. Jetzt kann ich mich auf Mittwoch konzentrieren und versuchen, das Trainingsniveau auf die Bühne zu bringen.“
Ganz zufrieden war der „Bully Boy“ dennoch nicht. „Ich hätte gerne 5:0 oder 5:1 gewonnen, aber es wurde 5:2. Immerhin habe ich meinen Job gemacht, zwei Punkte geholt, und darauf kann ich jetzt aufbauen.“ Für Smith war allein die Teilnahme in Wolverhampton bereits ein Erfolg. Nachdem er Turniere wie das World Matchplay und die European Championship verpasst hatte, fühlte sich die Rückkehr auf die Bühne wie ein Neustart an. „Ehrlich gesagt, hätte ich gar nicht hier sein sollen“, sagte er mit einem Lächeln. „Ich bin durchs Qualifikationsturnier gekommen – quasi durch die Hintertür. Ich habe an dem Tag zu Ritchie Edhouse gesagt: Das ist ein Turnier für Gewinner und Finalisten, nicht für uns. Und trotzdem hat’s geklappt. Da dachte ich: Jetzt ziehe ich einfach alle Register.“
Smith betrachtet den Grand Slam als wichtigen Schritt in seinem Wiederaufbau. „Ich nutze dieses Turnier als Sprungbrett für die WM. Noch vier Wochen bleiben mir zur Vorbereitung – und das ist mein Fokus. Gewinnen oder verlieren ist zweitrangig. Ich will einfach wieder Spaß am Spiel haben.“ Doch hinter seinem Lächeln steckt ein langer Leidensweg. Der Weltmeister von 2023 kämpft seit Monaten mit Gelenkproblemen. „Ich habe Arthrose in beiden Füßen – links stark, rechts schlimmer – und auch im Handgelenk“, erklärte er. „Das geht nie ganz weg. Ich habe mir beide Handgelenke gebrochen, als ich 19 war. Seitdem merke ich es immer wieder. Nach dem WM-Titel sagte mein Körper wohl: Jetzt kannst du dich ausruhen – und dann fing der Ärger erst richtig an.“
Um sich zu erholen, setzt Smith auf ein spezielles Regenerationsgerät. „Das ist eine Maschine, die mein Handgelenk, meine Schulter und meine Füße abwechselnd kühlt und wärmt – sechs Grad, dann vierzig, je zwanzig Minuten. Das hilft sehr, auch wenn ich täglich über 80 Minuten dafür brauche. Meine Frau versteht besser als ich, wie das Ding funktioniert“, scherzte er. Trotz seiner Beschwerden denkt Smith nicht ans Aufgeben. „Ich habe gelernt, damit zu leben. Wie Forrest Gump sagte: ‘Es passiert.’ Ich bin bereit zu reisen, zu verlieren, zu gewinnen – Hauptsache, ich kann wieder das tun, was ich liebe.“
Der mentale Druck war enorm. „Alle beobachten dich, wenn du acht Monate kein TV-Turnier gespielt hast“, sagte Smith. „Ich habe gelernt, mit dem Druck umzugehen. Seit meinem ersten Major-Finale 2018 fragten alle: Wann gewinnt er endlich? Hat er die Nerven? Das gehört einfach dazu.“ Die Rückkehr fiel ihm trotzdem schwer. „In der Quali in Wigan hatte ich keine Lust auf gar nichts. Ich verlor alles, war frustriert und dachte ans Aufhören. Doch am letzten Tag lief alles zusammen, ich qualifizierte mich – und da wusste ich, was das für mich bedeutet. Ich spiele seit ich 15 bin, bin 18 Jahre in der PDC. Ich höre nicht einfach auf.“
Der Grand Slam hat seine Leidenschaft neu entfacht. „Nach der WM habe ich irgendwie den Hunger verloren. Ich hatte meinen Traum erreicht. Aber die Verletzungspause hat mir gezeigt, wie sehr ich das Spiel liebe. Ich will wieder kämpfen, spielen, auf der Bühne stehen. Ich habe es satt, anderen im Fernsehen beim Gewinnen zuzusehen“, lachte er und zwinkerte Richtung Luke Humphries. „Sein Gesicht jede Woche zu sehen, ist wirklich ärgerlich!“
In der nächsten Runde trifft Smith auf seinen guten Freund Chris Dobey. „Ich habe schon gegen Luke und Nathan gespielt, jetzt gegen Chris. Schön, dass es ein längeres Format ist. Wenn ich mal schlecht starte, habe ich Zeit, ins Spiel zu finden. Gegen Humphries brauchte ich 25 Darts fürs erste Leg – das darf mir nicht wieder passieren. Ich will von Anfang an gut drauf sein und den Fans etwas bieten.“
Trotz aller Bescheidenheit weiß Smith, was er kann. „Ich bin noch nicht bei 100 Prozent, aber ich stand im Viertelfinale der UK Open und jetzt in den letzten 16 beim Grand Slam. Stellt euch vor, was möglich ist, wenn ich wieder richtig fit bin“, sagte er entschlossen. „Ich habe dieses Turnier schon gewonnen – warum nicht noch einmal?“
Michael Smith in Aktion
Michael Smith in Aktion
Seine Motivation kommt nicht nur aus Ehrgeiz, sondern auch aus familiärem Stolz. „Meine Jungs spielen Rugby und Darts – Michael Jr. ist elf, Kasper acht. Wenn ich jetzt aufhöre, was für ein Vorbild wäre ich dann? Ich will ihnen zeigen, dass man nie aufgeben darf, egal was passiert.“
Michael Smith ist nicht mehr derselbe wie früher, doch sein Kampfgeist ist zurück. Der Körper schmerzt, aber der Wille ist stärker denn je. „Ich will einfach wieder glücklich sein mit dem Dartsport“, sagte er abschließend. „Vielleicht ist das der Beginn von etwas Neuem. Wer weiß, was noch kommt – solange ich weiterkämpfe, wird alles gut.“
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