„Ich hätte es vorgezogen, wenn etwas von diesem Geld in die ersten Runden geflossen wäre“ – Gary Anderson übt Kritik am Rekord-Preisgeld der Darts-WM

PDC
durch Nic Gayer
Samstag, 04 Oktober 2025 um 10:00
Gary Anderson
Bei der Vorstellung der neuen Unicorn-Darts-Kollektion für 2026 zeigte sich Gary Anderson wieder einmal so, wie ihn die Dartswelt kennt: ehrlich, bodenständig und unverwechselbar. Der zweifache Weltmeister sprach bei der Pressekonferenz über seine neue Ausrüstung, seine Zukunft im Profi-Darts und den Spagat zwischen Familienleben und dem immer fordernden Tour-Alltag. Trotz seines Alters, der Hektik außerhalb des Sports und seiner manchmal lockeren Einstellung zum Training beweist der Schotte immer wieder, dass er noch immer zu den besten Spielern der Welt zählt.

Neue Darts, gleiche Einstellung

Bei der Präsentation stellte Unicorn Andersons neueste Darts vor. Der 53-Jährige nahm es gewohnt gelassen: „Die sehen doch gut aus, oder? Wann ich sie benutzen werde? Keine Ahnung, vielleicht morgen, vielleicht nächste Woche. Sie sind im Grunde die gleichen wie meine vorherigen Darts, eine Variante der Noirs, mit denen ich damals sogar Blackpool gewonnen habe“, sagte er mit einem Grinsen gegenüber Online Darts.
Anderson gilt als Spieler, der regelmäßigen Equipment-Veränderungen grundlegend offen gegenüber steht. Wenn ihm Unicorn etwas Neues anbietet, testet er es einfach – ohne große Überlegungen. „Wenn sie sagen: ‘Hier Gary, spiel damit’, dann mache ich es. Es ist mir eigentlich nicht so wichtig. Wichtig ist nur, dass das Gefühl stimmt.“
Zählt seit geraumer Zeit zu den Aushängeschildern von Unicorn Darts: The Flying Scotsman Gary Anderson
Zählt seit geraumer Zeit zu den Aushängeschildern von Unicorn Darts: The Flying Scotsman Gary Anderson

Vorbereitung? Nicht wirklich

Wer Gary Anderson kennt, weiß: Seine Vorbereitung ist oft alles andere als akribisch. Trotzdem zeigt er regelmäßig Weltklasse-Leistungen. Ein Beispiel dafür lieferte er kürzlich auf der Pro Tour: Nach zwei Monaten Pause stand er plötzlich wieder an der Oche – und verpasste im ersten Leg nur knapp die Doppel-12 zum 9-Darter. „Frag einfach Darren Beveridge danach“, lacht Anderson. „Ich hatte keinen einzigen Trainingsdart geworfen, außer drei Darts kurz vor dem Spiel. Trotzdem habe ich gut angefangen, obwohl es später schwierig wurde. Die langen Tage machen mir immer mehr zu schaffen. Ich muss fitter werden, um das besser durchzuhalten.“
Dass er trotz dieser unorthodoxen Herangehensweise regelmäßig bei den European Tour- und Pro Tour-Events überzeugt, zeigt seine ungebrochene Klasse. „Ich will immer noch spielen, aber ich muss meine Zeit zwischen Darts und Privatleben aufteilen. Die letzten Turniere musste ich wegen anderer Verpflichtungen auslassen. Hoffentlich beruhigen sich die Dinge bald, damit ich mich wieder mehr konzentrieren kann.“
Ein Zeichen seiner Bodenständigkeit: Anderson lehnte in diesem Jahr eine Einladung zu den World Series of Darts Finals ab – ein seltener Schritt in der Dartswelt. „Ich glaube, ich war im Urlaub“, erklärt er schmunzelnd. „Und außerdem: Wenn ich nicht gut genug bin, um mich zu qualifizieren, sollten sie mich auch nicht einladen. Die Spieler, die das ganze Jahr über nach Australien, Japan oder Neuseeland reisen, haben sich ihren Platz verdient. Sie haben hart gearbeitet, dann sollten sie auch die Belohnung bekommen.“

Alt, aber nicht abgenutzt

Anderson wehrt sich entschieden gegen das Klischee, dass Darts ein Sport für junge Leute sei. „Auf dem Floor werfe ich im Durchschnitt immer noch weit über 110 gegen Typen wie Ryan Searle. Das sieht man nicht immer auf der Bühne, aber das Spiel ist definitiv noch da.“
Besonders genießt er die Ruhe und Kameradschaft bei den Floor-Turnieren. „Mit Ian White und den anderen Jungs zu lachen und Dart zu spielen – das ist es, wofür ich es im Moment mache.“
Auch wenn er beim World Matchplay Chancen liegen ließ, bleibt er gelassen. „Vor zehn Jahren wäre ich verärgert gewesen. Jetzt akzeptiere ich, dass man nicht immer top spielen kann. Wenn es läuft, dann läuft es. Und wenn nicht, dann nicht.“
Für Michael van Gerwen, der nach einer Zeit der privaten und sportlichen Krise wieder einen Major-Triumph feierte, findet Anderson lobende Worte: „Michael hatte eine harte Zeit, aber es ist schön, ihn wieder gewinnen zu sehen. Gut für ihn und für die Niederlande. Ich dachte eigentlich, dass er danach auch das European Tour-Event gewinnen würde, aber es kam ganz anders.“

Sohn Ty auf der Bühne

Ein besonders emotionaler Moment war Andersons Showmatch mit seinem Sohn Ty. Anderson Junior scheint das Talent seines Vaters geerbt zu haben: „Er hatte schon eine perfekte Einstellung und einen perfekten Wurf, als er eineinhalb Jahre alt war und ein Spielzeug-Dartboard bekam“, erzählt Gary stolz. „Ich habe ihn nie gedrängt, aber er liebt Darts. Er wechselt seine Darts öfter als Peter Wright – jede Woche hat er ein neues Set. Er kann mich mit seinem Gemurre, wenn er daneben wirft, ganz schön nerven, aber das gehört dazu. Es hat mir wirklich etwas gebracht, ihn in dieser Phase neben mir zu sehen.“
Der World Cup of Darts, einst das Revier von Anderson und Peter Wright, lief dieses Jahr nicht nach Wunsch. „Wir haben beide schlecht gespielt. Das kommt vor. Wir werden auch nicht jünger.“
Ob es künftig ein neues schottisches Duo geben könnte – etwa mit Ty oder Cameron Menzies – lässt Anderson offen: „Vielleicht. Das müsst ihr mich fragen, solange ich noch stehe“, sagt er mit einem Augenzwinkern.

Blick auf die Majors

Der restliche Darts-Kalender 2025 ist prall gefüllt: World Grand Prix, Grand Slam of Darts und natürlich die Weltmeisterschaft stehen bevor. „Ich liebe den Grand Slam of Darts, aber letztendlich dreht sich alles um die Weltmeisterschaft“, sagt Anderson.
Das WM-Preisgeld steigt in diesem Jahr auf eine Million Pfund für den Sieger – ein Rekordwert. Anderson sieht das zwiespältig: „Es ist toll, dass jemand das gewinnen kann, aber ich hätte es vorgezogen, wenn etwas von diesem Geld in die ersten Runden geflossen wäre. Für viele Jungs ist es enorm teuer, auf der Tour zu spielen. Bevor ich auch nur einen Pfeil in Deutschland geworfen hatte, hatte ich bereits 1.600 Pfund für Flüge, Hotel und Transport verloren. Das summiert sich schnell.“
Auch über mögliche Veränderungen beim Austragungsort der Weltmeisterschaft macht er sich Gedanken. Es gibt Gerüchte, dass das Turnier den legendären Alexandra Palace verlassen könnte. Für Anderson wäre das ein herber Verlust: „Der Ally Pally ist Teil der Darts WM, so wie Blackpool Teil des World Matchplays ist. Wenn man den kleinen Hügel hinauffährt und die kostümierten Fans ankommen sieht, ist das ein einzigartiges Gefühl. Es wäre eine Schande, wenn das verschwinden würde.“
Ob er noch einmal Weltmeister werden will? Natürlich. Doch Anderson bleibt realistisch: „Natürlich versuche ich zu gewinnen, aber ich habe deswegen keine Schlafprobleme mehr. Ich genieße das Spiel. Wenn ich gewinne – fantastisch. Wenn ich verliere, bin ich bald wieder zu Hause bei den Kindern.“
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