Michael van Gerwen atmete tief durch, als er nach seinem ersten Auftritt bei der
Darts WM 2026 vor die Presse trat. Erleichterung war ihm deutlich anzusehen. Der Sieg stand, doch begeistern konnte ihn sein eigenes Spiel nicht. „Es hätte alles viel einfacher und besser laufen können“, sagte der dreifache Weltmeister ehrlich. Am Ende zählte nur das Ergebnis – und das lautete 3:1. In einem Turnier, in dem jeder Fehlwurf das Aus bedeuten kann, war dieser Sieg vor allem mental wichtig.
Van Gerwen startete schwach in die Partie und verlor den ersten Satz. „Dann läufst du im Grunde sofort den Fakten hinterher“,
erklärte der Niederländer. „In dem Moment ärgere ich mich vor allem über mich selbst. Da habe ich wirklich kurz die Nase voll von mir.“ Doch der 36-Jährige, der bereits seine neunzehnte WM spielt, fing sich rechtzeitig wieder. Erfahrung und Ruhe halfen ihm, die Kontrolle zurückzugewinnen. „Ich habe das schon so oft erlebt. Du musst wissen, wann du stehenbleiben musst und wann es einfach nicht läuft. Ruhe bewahren, weitermachen – das ist leicht gesagt, aber du musst es tun.“
Überraschung aus Japan
Was das Match zusätzlich erschwerte: sein Gegner aus Japan. Van Gerwen zollte ihm offen Respekt. „Wenn du dir seine Triple- und Doppelquoten ansiehst, war das Weltklasse. Seine letzten Spiele waren gut, aber das heute hatte ich ehrlich gesagt nicht erwartet. Beim Einwerfen habe ich nicht gedacht, dass er dieses Niveau erreicht.“ Der Mann aus Vlijmen zeigte zugleich Selbstkritik. „Es hilft natürlich nicht, wenn ich selbst auch nicht gut werfe. Warum das so war? Keine Ahnung. Das passiert manchmal einfach.“
Michael van Gerwen trifft in der zweiten Runde der Darts WM 2026 auf William O'Connor oder Krzysztof Kciuk
Die erste Runde einer Weltmeisterschaft hält für ihn ohnehin eigene Gesetze bereit. „Es ist hektisch, alle schauen zu, jeder hat eine Meinung. Jeder weiß, wo du stehst, wenn du auf dieser Bühne spielst. Dann musst du jedes Mal wieder beweisen, dass du es immer noch kannst.“
Druck, Zweifel und private Sorgen
Der Druck war diesmal größer als sonst – sportlich wie privat. Van Gerwen sprach ungewöhnlich offen über die schwierigen Monate hinter ihm. „Jeder weiß, dass ich ein hartes Jahr hatte, auch neben der Bühne. Das nimmst du mit, ob du willst oder nicht.“ Ruhe zu finden sei da nicht leicht gewesen. „Du versuchst, dich in einen ruhigen Zustand zu bringen, aber das passiert nicht von heute auf morgen.“
„Meine Leistungen im vergangenen Jahr waren unterdurchschnittlich, und auch privat lief es nicht gut“, gab er zu. „Dann musst du versuchen, alles beiseitezuschieben und einen klaren Kopf zu bekommen. Aber ich habe auch zwei Kinder, da willst du, dass alles so ruhig wie möglich bleibt.“
Kein Blick zurück
Auf die Frage, was dieser mühsame Auftaktsieg für den weiteren Turnierverlauf bedeutet, reagierte van Gerwen mit Gelassenheit. „Gar nichts. Das Wichtigste ist zu gewinnen. In der Vergangenheit habe ich auch schwache erste Runden gespielt und bin danach weit gekommen.“ Es gehe darum, weiter an die eigene Klasse zu glauben. „Ich weiß, was ich kann, ich weiß, wo ich stehe. Das werde ich im nächsten Match zeigen.“
Kritische Stimmen oder Außenseiterrollen interessieren ihn kaum. „Das habe ich schon vor dem Turnier gehört. Es ist mir egal. Ich bin lange genug dabei, um zu wissen, wie die Leute denken. Ich mache einfach weiter mein eigenes Ding.“ In Runde zwei trifft van Gerwen auf William O’Connor oder
Krzysztof Kciuk – eine Partie, die ihm die Chance bietet, wieder in einen Rhythmus zu finden.
Zwischen Publikum und Routine
Auffällig war in seinem Auftaktspiel die Stimmung in der Halle: Das Publikum stand dieses Mal auf der Seite seines Gegners. Van Gerwen nahm es sportlich. „Es passiert nicht oft, dass mein Gegner die Halle hinter sich hat, aber heute war das so. Die Leute wollten einfach nicht nach Hause. Wir hatten einen Japaner und einen Kenianer an einem Abend – das hat die Fans mitgenommen.“
Solche Situationen kennt er längst zur Genüge. „Wenn du weißt, dass das passieren kann, musst du lernen, damit umzugehen. Ich mache das seit neunzehn Jahren. Glaubst du, ich hatte nie ein feindseliges Publikum? Genau das unterscheidet die Großen vom Rest.“ Erfahrung und mentale Stärke – darauf setzt van Gerwen, wenn die Bühne tobt.
Neben sportlichen Themen sprach er auch über seinen bewussteren Umgang mit Körper und Gesundheit. „Weniger essen, gesünder essen, mehr Sport“, listete er auf. „Irgendwann entscheidest du, dass du mehr Zeit für dich brauchst. Du nimmst ab, bekommst Komplimente, fühlst dich besser – das motiviert.“ Für den Niederländer ist dieser Prozess längst Teil seines Erfolgs. „Man wächst an solchen Veränderungen.“
"Ich nenne sie Arbeitsschuhe"
Ein unerwartet humorvoller Moment entstand, als van Gerwen auf seine Schuhe angesprochen wurde. Während immer mehr Profis auf spezielle Darts-Schuhe setzen, bleibt er sich treu. „Ich trage einfach schwarze Schuhe. Alte Schuhe. Sie müssen nur gut sitzen. Ich nenne sie Arbeitsschuhe.“
Als jemand andeutete, besondere Schuhe könnten sein Spiel verbessern, konterte er trocken: „Wenn meine Schuhe bestimmen, wie gut ich werfe, höre ich morgen mit Darts auf.“ Es war einer dieser typischen van Gerwen-Sätze – direkt, ehrlich und ganz ohne Show.
Für die kommenden Tage bleibt seine Devise klar. „Ich fokussiere mich auf mein nächstes Match. Mehr nicht.“ Ob er zwischendurch in seine Heimat Vlijmen fährt oder Zeit für wohltätige Zwecke findet, lässt er offen. „Ich stecke mitten in der WM. Das hat jetzt Priorität.“