Seitdem bekannt wurde, dass das Preisgeld bei der World Darts Championship ab der kommenden Ausgabe deutlich steigen wird, mehren sich die Stimmen, die ein neues Ranglistensystem fordern. Unsere Kollegen von Dartsnieuws.com haben sich dem Thema angenommen – und den Selbstversuch gestartet: Wie würde die Weltrangliste eigentlich aussehen, wenn man statt des bisherigen Preisgeldsystems auf ein Punktemodell setzen würde?
Inspiriert wurde das Projekt von einem Kollegen, der nicht nur Darts-, sondern auch leidenschaftlicher Tennisfan ist – und ein großer Anhänger des ATP-Ranglistensystems. Deshalb orientierte er sich bei der Ausarbeitung stark an der Punktevergabe im Profitennis. Dort bilden die Grand-Slam-Turniere die Spitze – und genau dieses Prinzip übertrug er auf den Dartsport. Die Weltmeisterschaft stellt also das wichtigste Event dar, bei dem die meisten Punkte vergeben werden, vergleichbar mit den Grand Slams im Tennis.
Direkt darunter folgen die großen TV-Turniere wie das
World Matchplay, der World Grand Prix und der Grand Slam of Darts – in Analogie zu den ATP-1000-Events. In der dritten Kategorie, ähnlich der ATP-500-Stufe, finden sich das Masters, die UK Open, die European Championship und die Players Championship Finals. Die Basisebene bilden schließlich die Turniere der European Tour sowie die zahlreichen Players Championship-Events.
Punkte statt Preisgeld – ein alternativer Blick auf die Rangliste
Dabei nutzte er gleich die Gelegenheit, um einige Kritikpunkte am aktuellen System in sein Modell einfließen zu lassen. Denn derzeit wird bei Qualifikationsturnieren kein Preisgeld ausgeschüttet – was durchaus fragwürdig ist. Eine Niederlage in der ersten Runde zählt nämlich genau so viel wie eine in der letzten Runde: nämlich gar nichts. Das führt dazu, dass der Unterschied zwischen einer Qualifikation und dem Scheitern knapp davor teils unverhältnismäßig groß ausfällt.
In seinem alternativen Punkte-Ranking hat er deshalb auch den späteren Runden der Qualifikationsturniere – etwa für die European Tour oder Major-Events wie das Winmau World Masters und den Grand Slam of Darts – gezielt Punkte zugewiesen. Wer dort im Halbfinale oder Finale ausschied, ging also nicht komplett leer aus. Sogar beim WM-Qualifikationsturnier gab es Punkte bis hin zum Viertelfinale.
Punktetabellen mit System – und einem neuen Spitzenwert
Die folgende Tabelle in seinem Modell zeigt, wie die Punkte auf die einzelnen Turniere verteilt wurden. Ein wesentlicher Unterschied zur PDC-Weltrangliste liegt im Umgang mit gesetzten Spielern, die auf Qualifikanten treffen: In diesem System erhalten auch diese besiegten Spieler Punkte. Und auch die Gewichtung der Weltmeisterschaft wurde verändert. Der neue Weltmeister erhält 2.500 Punkte – genauso viele wie die Sieger des World Matchplay, des World Grand Prix und der UK Open.
Das wirkt im ersten Moment vielleicht überraschend. Doch schaut man auf das neue Preisgeldgefüge, relativiert sich der Unterschied: Der WM-Titel bringt künftig eine Million Pfund. Um denselben Betrag zu erreichen, müsste ein anderer Spieler gleich mehrere große Titel wie das Matchplay, den Grand Slam, den World Grand Prix, die Players Championship Finals und die European Championship gewinnen. Für unseren Kollegen ist sein System daher ein gerechteres Abbild der tatsächlichen Leistungen.
Ohne Tour Card – aber mit fairerem Zugang?
Ein dritter Punkt: In seinem Modell fällt das Tour Card System komplett weg. Stattdessen wurden für die Punktewertung nur die Spieler der Top 70 der
PDC Order of Merit berücksichtigt – und das innerhalb eines festen Zeitraums vom 20. Mai 2023 bis zum 19. Mai 2025. Das führt zum Beispiel dazu, dass Jeffrey de Graafs Teilnahme an der WM 2024 in die Wertung aufgenommen wurde. In der offiziellen PDC-Rangliste wurde dieses Ergebnis hingegen gestrichen, weil de Graaf danach seine Tour Card verlor.
Zur Orientierung: Auch im Tennis gibt es keine „Tour Card“. Dort richtet sich die Turnierzulassung ausschließlich nach dem Ranglistenplatz. Wer tiefer steht, kämpft sich über Challenger-Turniere nach oben. Übertragen auf Darts, würde das bedeuten: Die Challenge Tour wäre grundsätzlich für alle offen – etwa auch für die Nummer 43 der Welt, wenn sie an einem freien Wochenende mitspielen möchte. Das Tour Card System würde dadurch wegfallen – und mit ihm ein lukratives Standbein für die PDC. Um den finanziellen Ausfall abzufedern, schlägt er stattdessen ein Lizenzmodell vor: Spieler könnten gegen eine fixe Gebühr pro Jahr eine Teilnahmeberechtigung für PDC-Turniere erwerben.
Ein weiterer Aspekt: In seinem Modell spielt es keine Rolle, ob gesetzte Spieler auf der European Tour ihr erstes Spiel gewinnen oder verlieren. Punkte gibt es rein für das erzielte Ergebnis – unabhängig vom Einstieg in der ersten oder zweiten Runde. Damit fällt auch die aktuelle Regelung weg, wonach gesetzte Spieler ihr Auftaktmatch gewinnen müssen, damit das Preisgeld für die Rangliste zählt.
Wer gewinnt? – Diese Spieler profitieren vom neuen System
Einer der ersten Topspieler, der von diesem alternativen Punktesystem spürbar profitiert, ist Gerwyn Price. In der neuen Rangliste rangiert er auf Platz sechs – ganze fünf Positionen höher als in der offiziellen Weltrangliste. Auch andere etablierte Namen rücken im Punkte-Ranking nach oben: Damon Heta und Dave Chisnall verbessern sich jeweils um zwei Plätze, Ross Smith und Josh Rock klettern um drei Positionen. Ryan Searle (+2), Joe Cullen (+4), Ryan Joyce (+2) und Dirk van Duijvenbode (+3) gehören ebenfalls zu den Gewinnern.
Doch nicht nur die Spitze profitiert. Auch weiter unten im Tableau gibt es deutliche Aufsteiger: Niels Zonneveld macht drei Plätze gut, Connor Scutt gleich acht. Jeffrey de Graaf verbessert sich um sechs Positionen, Alan Soutar und Robert Owen jeweils um drei. Den größten Sprung schafft Mario Vandenbogaerde – mit einem Plus von acht Plätzen.
Wer gehört zu den Verlierern?
Nicht alle Spieler profitieren vom neuen Punktesystem – im Gegenteil: Für einige bedeutet es einen herben Rückschlag. Nathan Aspinall etwa, aktuell Achter in der offiziellen Weltrangliste, fällt im alternativen Ranking deutlich zurück – auf Platz 15. Auch James Wade büßt Boden ein: Statt auf Rang neun findet er sich nur noch auf Platz 13 wieder.
Für Ritchie Edhouse, den amtierenden Sieger der European Championship, fällt die Bilanz ebenfalls negativ aus. Er verliert satte sieben Plätze – ein Effekt der neuen Gewichtung, bei der der Titelgewinn bei der European Championship weniger stark ins Gewicht fällt als bisher. Jermaine Wattimena, der dort im Finale unterlag, büßt vier Plätze ein und rutscht von Rang 33 auf 37.
Noch deutlicher trifft es Matt Campbell und Keane Barry. Campbell verliert sechs Positionen und liegt nur noch auf Platz 60. Barry erwischt es besonders hart: Er fällt gleich um elf Plätze auf Rang 64 zurück. Für beide bleibt nur zu hoffen, dass dieses System hypothetisch bleibt.
So würde es um die Deutschen stehen
Ein Blick auf die deutschsprachigen Profis zeigt ein gemischtes Bild: Martin Schindler würde in der neuen Punkterangliste einen Platz einbüßen und auf Rang 19 zurückfallen. Ricardo Pietreczko hingegen würde leicht profitieren und sich um einen Platz auf Position 28 verbessern. Gabriel Clemens müsste einen leichten Rückschlag hinnehmen und fände sich auf Rang 40 wieder – ebenfalls ein Platz schlechter als in der aktuellen Order of Merit. Deutlicher fällt der Rückgang bei Florian Hempel aus: Er würde vier Positionen verlieren und auf Rang 56 abrutschen. Auch Mensur Suljovic aus Österreich müsste einen Platz abgeben und würde auf Rang 63 geführt.
Was fällt sonst noch auf?
Interessant ist, dass der Abstand zwischen der Nummer eins, Luke Humphries, und seinem größten Herausforderer, Luke Littler, auch im neuen Punktesystem nahezu identisch bleibt. Während Littler aktuell 30,72 Prozent weniger Preisgeld als Humphries gewonnen hat, beträgt der Punktunterschied in der alternativen Rangliste 30,85 Prozent – ein nahezu identisches Verhältnis.
In den Top 10 bleibt die Struktur insgesamt relativ stabil: Sechs der zehn besten Spieler behalten exakt ihre Position aus der offiziellen PDC Order of Merit. Ein klarer Trend ist dennoch erkennbar: Spieler mit konstanter Performance schneiden in der Punkterangliste besser ab als solche, die punktuell mit großen Erfolgen glänzen. Ein Paradebeispiel ist Damon Heta, der kaum Erstrundenniederlagen kassiert. Auch Ross Smith punktet durch beständige Leistungen auf der Pro Tour und mehrere Turniersiege – und wird im neuen System entsprechend belohnt.
Wird die PDC ein anderes Ranking-System verwenden?
Die PDC hat jüngst angedeutet, dass Veränderungen beim Ranglistensystem nicht ausgeschlossen sind. „Wer die WM gewinnt und dabei eine Million Pfund kassiert, wird automatisch zur Nummer eins – das liegt auf der Hand“,
erklärte PDC-Geschäftsführer Matt Porter im Gespräch mit Online Darts. „Aber genau genommen ist das ja schon jetzt der Fall – auch mit den bisherigen 500.000 Pfund macht man damit einen riesigen Sprung im Ranking.“
Gleichzeitig betonte Porter, dass die PDC gemeinsam mit der PDPA – der Spielergewerkschaft – regelmäßig über mögliche Anpassungen spricht: „Unser Ziel ist ein faires und ausgewogenes System. Wir setzen uns jedes Jahr mit der PDPA zusammen und prüfen, ob und was angepasst werden sollte. Ich sage nicht, dass sich etwas ändern wird, aber ich schließe es auch nicht aus. Wie bei all unseren Regeln gilt: Wir schauen genau hin, was am sinnvollsten ist.“
So könnte die Punkterangliste aussehen: