Wenn am
13. Dezember im Alexandra Palace wieder die berühmten Worte „Game on!“ durch den Saal hallen, betritt
Gabriel Clemens vertrautes, beinahe
geschichtsträchtiges Terrain. Der 42-Jährige aus Saarwellingen kehrt zur
Darts WM 2026 an jenen Ort zurück, an dem er vor drei Jahren den größten Erfolg seiner Karriere feierte – und zugleich den deutschen Dartsport nachhaltig veränderte.
Bei der WM 2023 schrieb Clemens Geschichte: Als erster deutscher Spieler überhaupt zog der „German Giant“ ins Halbfinale ein, spielte 100.000 Pfund Preisgeld ein und löste in seiner Heimat eine Darts-Euphorie aus, wie es sie zuvor noch nicht gegeben hatte. Nun ist er wieder da – unter anderen Vorzeichen, aber mit der Erfahrung eines Mannes, der weiß, wie man auf der ganz großen Bühne besteht.
Eine schwierige Saison mit wenigen Lichtblicken
Der Rückblick auf die vergangene Saison fällt aus deutscher Sicht ernüchternd aus. Das einzige wirkliche Highlight
setzte Clemens Mitte Mai bei Players Championship 16, als er den Sprung ins Halbfinale schaffte. Auf dem Weg dorthin bezwang er unter anderem Dave Chisnall und Raymond van Barneveld, ehe erst Brendan Dolan beim 5:7 in der Vorschlussrunde zu stark war.
Gabriel Clemens kehrt bei der Darts WM 2026 an den Ort seines größten Erfolgs zurück – als erster Deutscher zog er 2023 ins WM-Halbfinale ein und schrieb Darts-Geschichte
Abseits dieses Achtungserfolgs verlief die Players-Championship-Saison jedoch ernüchternd. Nur ein weiteres Viertelfinale sprang für die einstige deutsche Nummer eins heraus. Erschwerend kam hinzu, dass sich Clemens lediglich für zwei der insgesamt 14 European-Tour-Turniere qualifizieren konnte. Beim European Darts Grand Prix in Sindelfingen verabschiedete er sich in Runde eins gegen Andrew Gilding, beim Saisonfinale der
European Tour in Hildesheim gelang ihm zunächst ein Sieg gegen Tomislav Rosandic, bevor in Runde zwei gegen Dave Chisnall Schluss war.
Auch auf den großen Major-Bühnen suchten die deutschen Fans in dieser Saison häufig vergebens nach dem „German Giant“. Lediglich zwei Ranglisten-Majors standen im Kalender: Bei den UK Open im Februar war bereits zum Auftakt gegen Ricky Evans Schluss, bei den
Players Championship Finals im November zog Clemens in Runde eins gegen Josh Rock den Kürzeren. Über den Qualifier gelang zwar noch die Teilnahme an den World Series of Darts Finals, doch auch dort endete das Turnier nach der ersten Runde gegen Mike De Decker – inklusive eines verpassten 9-Darters auf der Doppel-12.
Clemens analysiert die vergangenen Monate gewohnt nüchtern und selbstkritisch. In der
„Road to Ally Pally“ von Elmar Paulke brachte er unmissverständlich auf den Punkt: „Das Jahr 2025 lief bescheiden, das muss man einfach so sagen. Das brauche ich nicht schönzureden. Es war mit Sicherheit mein schlechtestes bis jetzt.“
Dass der Saarländer dennoch wieder in den Ally Pally zurückkehrt, spricht für sein hohes Leistungsniveau – selbst in der vermeintlich schwersten Phase seiner PDC-Karriere. Über Rang 21 im Pro-Tour-Qualifikationsrennen sicherte er sich trotz aller Schwierigkeiten komfortabel das WM-Ticket. „Die Qualis sind gar nicht gelaufen, bei den Players Championships habe ich teilweise wirklich gut gespielt, habe dann aber Spiele verloren, die ich auch hätte gewinnen können. So gerät man rein in diesen Strudel“, erklärt Clemens rückblickend.
WM-Start und ein anspruchsvolles Bracket
Das WM-Abenteuer des deutschen Routiniers beginnt am Samstag, den 13. Dezember, zum Abschluss der Abendsession. In der ersten Runde trifft Clemens auf den US-Amerikaner Alex Spellman. Respekt vor dem Gegner ist für den erfahrenen Deutschen dabei selbstverständlich: „Das finde ich ganz wichtig. Jeder, der zur WM fährt, hat Respekt verdient, hat es geschafft, sich zu qualifizieren. Ich glaube, auch Alex Spellman kann richtig gutes Dart spielen, ansonsten wäre er nicht bei der WM.“
Die Auslosung hat Clemens zudem in das Bracket von Luke Humphries geführt. Sollte der „German Giant“ die erste Hürde nehmen, würde in Runde zwei bereits ein Duell mit Wessel Nijman oder Karel Sedlacek warten. In Runde drei könnte Clemens dann auf den Weltmeister von 2024 und aktuellen Weltranglistenzweiten Humphries treffen.
Trotzdem blickt Clemens dem Turnier mit einer bemerkenswerten Gelassenheit entgegen: „Aktuell bin ich entspannt. Ich weiß ja, dass ich es kann. Ich weiß, wie man bei der WM Spiele gewinnt und gehe positiv in die Weltmeisterschaft.“ Gleichzeitig weiß er um die besondere Bedeutung des Auftakts: „Es ist unheimlich viel Druck auf diesem ersten Spiel. Wenn man das erstmal überstanden hat, ist es ein bisschen entspannter.“
Ob Gabriel Clemens im Alexandra Palace erneut für magische Momente sorgen kann, bleibt offen. Sicher ist aber: Kaum ein deutscher Spieler verbindet mit dieser Bühne so viel Geschichte, Erfahrung und Emotion wie der „German Giant“. Und manchmal beginnt genau dort, am Ort des größten Triumphs, auch der Weg zurück zu alter Stärke.