Simon Whitlock kehrt in diesem Jahr mit einem anderen Gefühl zur
Darts WM zurück. Der 56-jährige Australier, einst Dauergast auf den größten Bühnen und zweimaliger WM-Finalist, hat nach einer schwierigen Phase aus Verletzungen, Selbstzweifeln und sportlichem Stillstand neuen Halt gefunden. Sein Triumph bei der Premierenauflage der
PDC ANZ Premier League in Australien war mehr als ein Turniersieg – er war die Rückkehr des alten „Wizard“.
Nach Jahren im internationalen Dauereinsatz zog Whitlock die Reißleine. Der ständige Druck der Ranglisten, das Reisen und die körperliche Belastung hatten ihn ausgelaugt. Doch die Pause ließ ihn neu aufblühen. In einem
Gespräch mit Online Darts in Cheltenham sagte er: „Das war das Beste, was ich hätte tun können.“ Ohne Kalenderstress fand er die Ruhe zurück – zuerst im Kopf, dann in seinem Spiel.
Der neue Australische Drive
„Das bedeutet mir die Welt“, erklärte Whitlock über den Premier-League-Titel in seiner Heimat. „Alles, was ich wollte, war, meinen Namen auf dieser Trophäe zu sehen. Der erste Aussie zu sein, der sie gewinnt – das war mein Traum.“Der Start ins Turnier verlief holprig, doch mit wachsender Zuversicht übernahm die Routine das Kommando. „Ich war die Schildkröte und habe den Hasen im Finale geschlagen“, lachte er. Das entscheidende Match gegen Raymond Smith – bereits für die WM qualifiziert – brachte zusätzliche Brisanz. Nur ein Sieg brachte Whitlock den Platz im Alexandra Palace.
Simon Whitlock erreichte 2010 das Finale der PDC Darts WM.
„Zu wissen, dass andere schon qualifiziert waren, während ich alles auf ein Spiel setzen musste – das war kein gutes Gefühl“, gab er zu. „Aber ich wusste: Ich muss das gewinnen.“ Als das entscheidende Doppel fiel, verstand er, was passiert war. „Da dachte ich: Ja, ich bin zurück – und dort gehöre ich hin.“
Heute steht Whitlock gelassener da als in früheren Jahren. Der innere Druck ist verschwunden. „Kein Druck. Gar keiner“, sagt er. „Ich habe nicht einmal Druck gespürt, die ANZ Premier League zu gewinnen, aber ich habe es trotzdem geschafft. Jetzt fühlt sich alles genauso an.“
Der Wert eines Jahres ohne Tour Card
Whitlock spricht selten so offen über die Schattenseiten seiner Karriere wie in diesen Tagen. Das Leben ohne PDC-Tourkarte, früher undenkbar, hat sich als genau der Neuanfang erwiesen, den er brauchte. „Ein Jahr weg aus dem Profizirkus ist das Beste, was ich je gemacht habe“, erzählt er. „Kein Druck, einfach spielen, das Vertrauen zurückgewinnen – das hat mir enorm geholfen.“
Zurück in den Vollzeit-Betrieb will er trotzdem nicht. Selbst wenn er seine Tourkarte bei der WM zurückholen würde, schließt er eine Rückkehr in den Marathon-Kalender der PDC aus. „Ich würde nicht mehr Vollzeit spielen. Ich würde mir Turniere aussuchen. Ich gehe nicht zur
Q-School. Das ist zu viel für mich. Ich bin zu alt, um fünf, sechs Tage am Stück zu spielen.“
Auch die Challenge Tour hat er hinter sich gelassen. „Ich habe sofort gemerkt: Das kann ich nicht mehr. Diese frühen Morgen, diese langen Tage – das ist zu hart.“ Stattdessen konzentriert er sich auf Exhibitions, Showmatches und alternative Circuits. Über seine Zusammenarbeit mit der Managementagentur Modus sagt er: „Ich muss nicht in der PDC sein. Natürlich wäre es schön, aber mein Körper sagt nein. Ich bin jetzt 56 – das verändert alles.“
Whitlock wirkt dabei nicht verbittert, sondern befreit. Seine Karriere hat er längst neu definiert – nicht mehr an Weltranglistenpunkten, sondern an Lebensqualität. „Ich spiele, weil ich es liebe. Mehr brauche ich nicht“, sagt er.
Begleitung seines Sohnes als neue Triebfeder
Ein zentrales Kapitel seiner späten Laufbahn trägt einen Namen: Mason Whitlock. Sein Sohn, ein aufstrebendes Talent, wird inzwischen von seinem Vater begleitet und gefördert. „Wir trainieren zusammen, und ich versuche, ihn in die richtige Richtung zu lenken“, erzählt Simon mit spürbarem Stolz. „Wenn er eine Tourkarte gewinnt, ist das viel wichtiger, als wenn ich noch eine bekomme.“
Für Whitlock ist die Rolle des Mentors wichtiger geworden als die des Titeljägers. „Mein Kopf will noch, mein Körper nicht. Aber für Mason – das wäre fantastisch.“ Dieser familiäre Antrieb ersetzt den Druck, den er früher auf sich selbst ausübte. Heute genießt er den Sport mehr, weil er ihn mit seinem Sohn teilen kann.
Vermächtnis und Motivation
Wenn Whitlock über seine Erfolge spricht, tut er das mit bemerkenswerter Zurückhaltung. Zwei WM-Finals, ein World-Cup-Titel, zahlreiche Major-Auftritte – sein Lebenslauf liest sich eindrucksvoll. Doch er bleibt bescheiden. Als der Interviewer anmerkt, viele seien sich seines Vermächtnisses gar nicht voll bewusst, entgegnet Whitlock: „Ich glaube das, wenn du das sagst. Auf dem Papier stimmt es sicher. Aber ich hoffe vor allem, dass jemand anderes aus Australien noch weiter kommt. Hoffentlich mein Sohn.“
Vor der WM 2026 empfindet Whitlock keinen Erwartungsdruck. Was früher nervös machte, wirkt heute wie ein Bonus. „Vielleicht ein paar Nerven beim Walk-on, aber kein Druck. Es ist ein Freeroll. Ich werde diese WM wahrscheinlich mehr genießen als jede andere.“
Diese innere Ruhe könnte ihn gefährlicher machen als jemals zuvor. Ohne Verpflichtungen, ohne Ranglistenziele – nur Simon Whitlock, der Spaß am Spiel wiedergefunden hat. „Da steckt definitiv noch ein letzter Trick in mir“, sagt er mit einem Grinsen. „Ob er kommt, weiß ich nicht. Aber ich habe Vertrauen. Wenn ich Runde eins überstehe, weiß man nie, was passieren kann.“
Für Whitlock ist die Rückkehr nach „Ally Pally“ mehr als ein sportliches Ziel. Es ist die Rückkehr an einen Ort, der ihm über Jahre alles bedeutete – und an dem er nun ohne Ballast antreten kann. Ein Veteran, der nicht mehr beweisen muss, dass er dazugehört – weil er es längst schon getan hat.