„Die PDC ist eine kommerzielle Organisation, die Geld verdienen will“ – Vincent van der Voort sieht Ranglistensystem unter Druck

PDC
durch Nic Gayer
Donnerstag, 11 Dezember 2025 um 13:00
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Vincent van der Voort ist in diesem Jahr nicht als Spieler bei der WM Darts dabei, doch abseits der Bühne ist der Niederländer präsenter denn je. Mit einem eigenen Podcast, TV-Job und eigenen Dartshop bleibt er mitten im Geschehen. Aus dieser Position blickt er mit nüchternem, bisweilen scharfem Blick auf die WM im Alexandra Palace und die Entwicklung des Sports.
„Es ist immer noch eine arbeitsreiche Zeit für mich“, sagt Van der Voort bei Online Darts. „Ich habe meinen Podcast, ich arbeite für Viaplay, also bin ich weiterhin voll dabei. Es ist schön, dennoch eingebunden zu bleiben.“
Die WM-Preisgelder wachsen weiter, und der Weltmeister kassiert in diesem Jahr erstmals eine Million Pfund. Es ist ein symbolischer Meilenstein für einen Sport, der in zwanzig Jahren vom Kneipenspiel zur Millionenindustrie wurde. „Wir werden jetzt erleben, dass erstmals ein Spieler eine Million Pfund abräumt“, sagt van der Voort. „Als ich anfing, gab es praktisch kein Geld. Dass es so groß geworden ist, ist wirklich bizarr. Niemand hätte das gedacht.“
Sammelte selbst 16 Teilnahmen an der Darts WM: Vincent van der Voort
Sammelte selbst 16 Teilnahmen an der Darts WM: Vincent van der Voort
Dieses Wachstum spürt er auch in seinem Shop. Wo früher vor allem erwachsene Freizeitspieler vorbeikamen, ist die Kundschaft in den vergangenen Jahren spürbar jünger geworden. „Der Shop ist im Moment so voll“, erzählt er. „Und man sieht, dass sich das Alter komplett verändert hat. Früher hattest du vor allem Leute zwischen 25 und 55. Jetzt kommen Teenager rein. Ab etwa zehn Jahren stehen sie im Laden, sie wollen alles ausprobieren, alles in die Hand nehmen. Es ist großartig, Teil davon zu sein.“

Neue WM-Struktur: „Niemand will an Weihnachten schon ausgeschieden sein“

Diese WM unterscheidet sich von den vorherigen Ausgaben: Die gesetzten Spieler sind in der ersten Runde nicht länger geschützt. Alle müssen von Beginn an voll ran, ohne vermeintliche Aufwärmrunde gegen einen niedriger gesetzten Gegner.
„So gehört sich das eigentlich“, findet van der Voort. „Niemand sollte geschützt sein. Du bist gesetzt, weil du gut genug bist, nicht weil du Anspruch auf eine leichte Auslosung hast. Jetzt musst du zeigen, warum du gesetzt bist.“
Die Auswirkung auf die Spitze ist seiner Meinung nach groß, vor allem mental. „Jeder, und das weiß ich als Spieler, will nur eines: nicht vor Weihnachten verlieren. Normalerweise hattest du eine echte Druckrunde, jetzt sind es zwei. Niemand will beim Weihnachtsdinner sitzen mit dem Gedanken: Ich bin schon raus. Das ist ein mieses Gefühl. Für die Topspieler wird der Druck dadurch nur noch größer.“
Im Vorfeld der WM leiden etliche etablierte Namen unter Formschwäche und negativen Trends in der Weltrangliste. Van der Voort sieht eine klare Trennlinie zwischen der alten Garde und der neuen Generation. „Wir haben genug Spieler, die in Schwierigkeiten stecken“, sagt er. „Sie rutschen in der Rangliste ab, es sind große Namen, und sie müssen jetzt endlich mal etwas zeigen.“
Er nennt unter anderem Dimitri Van den Bergh, der nach den UK Open von der Bildfläche verschwand, und Dave Chisnall, der direkt gegen Fallon Sherrock antreten muss. „Für Chisnall ist das eine sehr knifflige erste Runde, sowohl mental als auch vom Niveau her. Und Beau Greaves war letzte Saison für viele ein Angstgegner. Daryl Gurney hat sie jetzt in der Auslosung, während er selbst nicht in Topform ist und sie eben schon.“
Trotzdem schreibt er Gurney nicht ab. „Daryl ist mental so stark, dass er solche Dinge ausblenden und sich auf dieses eine Match fokussieren kann. Ich finde allerdings, dass er etwas an seinem Material machen muss, seine Darts stecken seltsam im Board. Aber trotz dessen hat er das Viertelfinale der Players Championship Finals erreicht. Wenn du nicht einmal deine besten Darts spielst und trotzdem so weit kommst, bist du einfach schwer zu schlagen. Beau wird ordentlich zu knabbern an ihm haben.“

Explodierende Preisgelder

Mit dem neuen Sky-Vertrag und den erhöhten Preisgeldern steht das kommende Jahr im Zeichen finanzieller Verschiebungen. Spieler, die große Summen verteidigen müssen, gehen ein zusätzliches Risiko ein.
„Das ist das erste Turnier, in dem alle Preisgelder nach oben gehen“, erklärt van der Voort. „Wenn du Geld von vor zwei Jahren verteidigst und jetzt nicht in Form bist, hast du ein Problem. Die anderen können dich einholen, obwohl sie weniger Spiele gewinnen.“
Dennoch geht es nicht nur um Risiko, betont er. „Auf der anderen Seite: Du musst jetzt eine Runde weniger gewinnen, um denselben Betrag zu holen wie vor zwei Jahren. Aber der Druck ist gigantisch, und das wird bei den kommenden Turnieren so bleiben. In einem Jahr ist die Rangliste wahrscheinlich ordentlich durcheinandergewirbelt.“

Die neue Generation

Der Sport verjüngt sich rasant. Auch international drängen Teenager immer stärker nach vorne. „Es fühlt sich tatsächlich wie eine Art Generationenwechsel an“, sagt van der Voort. „Ich war in Gibraltar und Budapest, um für Winmau Nachwuchsspieler zu scouten. Da laufen Jungs herum, 14, 15 Jahre alt, die jetzt schon großartig werfen können. Das heißt nicht, dass es alle schaffen, aber sie sind da und sie sind hungrig.“
Diese Gier ist seiner Ansicht nach der Schlüssel zu einer langen Karriere. „Du musst dieses Gefühl behalten, dass du jeden abschießen willst, dass du der Beste sein willst. Wenn du denkst, du hast genug Kredit aufgebaut und hättest irgendwo automatisch Anspruch drauf, dann ist es vorbei. Dann wirst du es nicht schaffen.“
Van der Voort hatte zuvor bereits gewarnt, dass Kollegen aufhören sollten, Luke Littler als Idol zu behandeln. Der junge Engländer ist nahezu überall Favorit, doch das darf in seinen Augen keine Ausrede sein, sich mit einer Niederlage abzufinden.
„Es ist kein Problem, wenn er alles gewinnt“, sagt er. „Solange die Spieler nur nicht schon vor Beginn aufgeben und denken: Du bist sowieso besser als ich. Er ist so gut, darüber lässt sich nicht streiten. Aber man muss es ihm so schwer wie möglich machen.“
Was ihm besonders auffällt, ist die Art, wie Littler mit dem Druck umgeht. „Ich habe ihn ein paarmal im Trainingsraum gesehen. Er ist so entspannt. Es ist fast unheimlich, dass jemand in dem Alter so gut ist und es so leicht aussehen lässt. Es wirkt, als spüre er keinen Druck. Natürlich ist der Druck da, aber er geht sehr gut damit um.“
Ob er alle Rekorde angreifen kann, findet van der Voort schwer vorherzusagen. „Das ist schwer zu sagen. Niemand dachte, dass nach Michael van Gerwen noch jemand in dem Alter so gut sein würde. Und dann kam Luke. Aber die andere Frage ist: Wie lange bleibt er hungrig? Wenn du in kurzer Zeit mehrere Weltmeistertitel holst und Millionen erspielst, kann der Hunger verschwinden. Solange er fokussiert bleibt, ist er für alle nahezu unschlagbar.“

Wie steht es um Van Gerwens WM-Chancen?

Über seinen Landsmann Michael van Gerwen äußert sich van der Voort vorsichtig optimistisch. Der dreifache Weltmeister erlebte ein wechselhaftes Jahr, unter anderem mit dem Verpassen der Players Championship Finals.
„Sein Spiel ist besser als im vergangenen Jahr, 100 Prozent“, so van der Voort. „Damals schied er schon in der Gruppenphase des Grand Slam aus und flog bei den Players Championship Finals direkt in der ersten Runde raus. Er wusste nicht, mit welchem Gewicht er werfen sollte, welcher Grip, alles war ein einziges großes Fragezeichen.“
Laut van der Voort ist dieses Chaos jetzt weg, aber ein Faktor spielt eine große Rolle: Wettkampfpraxis, vor allem in längeren Formaten. „Er hat schlichtweg nicht genug lange Matches gespielt, um vollständig wettkampfbereit zu sein. Die ersten Runden bei der WM braucht er, um das aufzubauen. Die Auslosung ist auf dem Papier ziemlich günstig, aber das sagt nur etwas aus, wenn er selbst gut spielt. Jemand wie Willie O’Connor kann zum Beispiel überragend auftrumpfen.“
Ob van Gerwen bereit ist für einen vierten Weltmeistertitel, wagt van der Voort nicht entschieden zu sagen. „Realistisch betrachtet steht ein großes Fragezeichen. Wenn ein Match auf zehn, elf Legs geht, gebe ich ihm oft den Vorteil. Aber ein WM-Finale ist first to seven sets, da musst du zwei Stunden lang top sein. Ob er das noch in sich hat, müssen wir abwarten. Vielleicht kommt dieses Turnier gerade einen Tick zu früh, vielleicht überrascht er doch.“
Mit Blick auf 2026 ist diese WM für van Gerwen besonders wichtig. Nächstes Jahr verteidigt er in der Order of Merit einen großen Betrag. „Er weiß, dass er sich noch so eine Saison wie diese nicht leisten kann“, sagt van der Voort. „Dann fällt er aus den Top-16, vielleicht sogar aus den Top-25. Er ist sich dessen sehr bewusst. Meistens ist er am besten, wenn er weiß, dass Arbeit ansteht. Hoffen wir, dass das jetzt wieder so ist.“
Vincent van der Voort und Michael van Gerwen gelten als sehr gute Freunde
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Schutz der Top-16

In der Darts-Community tobt derzeit eine Diskussion über den Status der Top-16. Bei vollen Kalendern und großen Namen, die weniger Pro Tours spielen wollen, werden die Stimmen lauter, den Topspielern automatisch die Teilnahme an allen TV-Turnieren zu garantieren.
Van der Voort hält davon nichts. „Das wäre eine schlechte Entwicklung“, betont er. „Du musst dich immer wieder beweisen. Wenn du irgendwo automatisch gesetzt bist, nur weil dein Name in den Top-16 steht, stimmt dein Rankingsystem nicht mehr. Dann denken Spieler, sie hätten ein freies Jahr. Es gibt genug Beispiele von Jungs, die nach einem guten WM-Auftritt glaubten, sie seien sicher, und jetzt kaum noch irgendwo zu sehen sind.“
Den kommerziellen Druck versteht er jedoch. „Die PDC ist eine kommerzielle Organisation, sie will Geld verdienen. Wenn Humphries, van Gerwen und Price alle sagen: Wir spielen keine Pro Tours mehr, entsteht automatisch Druck von den TV-Sendern. Wenn die großen Namen bei Turnieren wie den Players Championship Finals fehlen, fragt sich ein Sender, ob er das noch übertragen will. Dann muss das System sich ändern, so einfach ist das.“
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