„Im Fernsehen werde ich als Arschloch hingestellt, und irgendwie stimmt das auch“ – Scott Williams über sein „Bad-Boy-Image“

PDC
durch Nic Gayer
Donnerstag, 11 Dezember 2025 um 14:00
Scott Williams
Mit der bevorstehenden Darts WM rückt Scott Williams erneut in das begehrte Scheinwerferlicht – und damit genau dorthin, wo er nach eigener Aussage hingehört: „In meiner Karriere ist es nie langweilig“, lacht er bei Online Darts im Vorfeld des größten Turniers des Jahres.
Obwohl Williams für seine Bravour, klaren Meinungen und sein Showman-Image auf der großen Bühne bekannt ist, spricht er in diesem Interview überraschend offen über seine aktuelle Form, mentale Gesundheit, Kritik und seine Rolle innerhalb der Darts-Community.
Williams wirkt entspannt. Er ist gerade umgezogen, trainiert viel und fühlt sich wohl. „Bei der 0-6-Niederlage gegen Josh Rock (bei den Players Championship Finals) sah es nach Einbahnstraße aus, aber so hat es sich überhaupt nicht angefühlt. Er war einfach sehr gut. Ich war ständig dran. Ich habe nicht schlecht gespielt, er hat mir die Hose runtergezogen und ich durfte sie danach wieder hochziehen, so einfach ist das.“
Über allem steht jedoch die Vorfreude auf die Rückkehr auf die große Bühne. „Ich will einfach wieder auf diese Bühne, vor diese Menge, Spaß haben wie früher. Das hatte ich seit München nicht mehr. Jetzt fühlt es sich wieder gut an.“
In den vergangenen Monaten tauchten verschiedene negative oder unzutreffende Meldungen über Williams in den Medien auf. Das war für ihn frustrierend. „Es ist nervig. Vor allem, als Josh beim Grand Slam nach meiner Dartitis gefragt wurde. Er ist einer meiner besten Freunde auf der Tour, aber auch er weiß nicht, was los ist. Rob Cross wohnt fünf Minuten von mir, der weiß es nicht. Mein Manager weiß es nicht. Ich halte viel privat.“
Trotzdem betont er, dass es ihn nicht zerbricht: „Ich fühle mich gut, ich trainiere gut, ich spiele gut. Die Leute dürfen denken, was sie wollen – ich weiß, wie es ist.“

Paolo Nebrida als erste WM-Hürde: „Ich lasse ihn nicht noch einen Williams ausschalten“

Williams trifft in seinem Auftaktmatch auf einen harten Gegner: Paolo Nebrida, der in den vergangenen Jahren bei der WM überraschend erfolgreich war. „Paolo ist ein Kämpfer. Er schlug Ross Smith, Jim Williams und war nah dran, Peter Wright zu schlagen, selbst als Peter die WM gewann. Ich werde dafür sorgen, dass er nicht noch einen Williams erwischt.“
Eines der auffälligsten Themen zuletzt war Williams’ Wechsel des Walk-on-Songs. Er läuft nicht mehr zu „I’m Not Okay“ von My Chemical Romance, sondern zu „Golden Hour“ von JVKE ein. „85 bis 90% des Publikums im Ally Pally besteht aus Familien. Eltern, Onkel, Tanten … und vor allem Kinder. Sie kennen diese Musik.“
Die Reaktionen in den sozialen Medien waren überwältigend positiv: „So viele Eltern schrieben mir: ‚Mein Sechsjähriger kannte Darts nicht, hörte dein Lied und war sofort dabei.‘ Ist das nicht großartig?“ Hinter dem Wechsel steckt jedoch mehr als nur Popularität. „I’m Not Okay habe ich ursprünglich zu Ehren von Freunden gewählt, die ich durch Suizid verloren habe. Aber nach vier, fünf Jahren war es Zeit für etwas Leichteres. Die Kinder lieben den neuen Song, und ich auch.“

„Im TV werde ich als Arschloch dargestellt – und irgendwo stimmt das auch“

Williams gehört zu den meinungsstärksten Spielern auf der Tour. Und zu den am wenigsten Verstandenen, findet er. „Im TV werde ich als Arschloch dargestellt – und irgendwo stimmt das auch. Aber ich will dem Sport so viel zurückgeben.“ Das tut er unter anderem, indem er junge Spieler unterstützt.
„Ich sponsere Jugendspieler, die zu den JDC Finals in Gibraltar fahren. Ich sehe Jungs, die vor einem Jahr noch in der Kneipe spielten, jetzt zu den besten Nachwuchsspielern des Landes gehören. Das macht mich stolz.“ Sein größter Antrieb? „Ich will, dass dieser Sport weiter wächst. Und ich will helfen, wo ich kann.“
Nur wenige Fans wissen, wie viel Williams neben dem Oche macht. „Ich betreibe den Dorfladen. Ich coache Spieler. Die Leute sehen nur eine Seite – den Showman. Aber dahinter steckt eine ganz andere Seite.“
Williams gibt im weiteren Verlauf des Gesprächs außerdem zu, dass sein Spiel auf dem Floor zu wechselhaft ist. „Mein Floor-Spiel war schlicht nicht gut genug. Weder auf der European Tour noch bei den Pro Tours. Dann musst du arbeiten.“
Als er gefragt wird, ob er sich mental selbst coachen könne, so wie es etwa der Amerikaner Alex Spellman versucht, ist Williams deutlich: „Nein. Mein Antrieb, meine Aggression und meine Liebe für den Sport kommen aus tieferen Orten. Ich kann mich nicht steuern, wie ich andere coache.“
Deshalb sucht er Hilfe: „Ich mache Management- und mentales Coaching. Die mentale Seite von Darts ist gigantisch. Ich bin sehr stur – das weiß jeder – und manchmal übernimmt das.“ Dennoch sieht er Fortschritte: „Gegen Ian White fühlte ich mich großartig. Ich warf 11-, 18-, 12-, 16-Darter … das ist gut. Aber Josh Rock hat nichts verpasst. Gar nichts. Dann ist Schluss.“

Inspiration aus unerwarteter Ecke: Nathan Aspinall

Williams hat große Bewunderung für Aspinall, der nach schweren mentalen Problemen an die Spitze zurückkehrte. „Ich habe nie mit ihm darüber gesprochen, ich bin nicht so jemand. Aber ich habe enorme Bewunderung für ihn. Seine Aggression, seine Liebe zum Spiel, wie er seine Familie motiviert … ich versuche dasselbe zu tun.“
Er zieht eine wichtige Parallele: „Wenn es schiefgeht, lasse ich meine Familie nicht im Stich – ich lasse mich selbst im Stich. Aber wenn es gut läuft, verdiene ich für sie. Das ist mein Antrieb.“
Am Ende des Gesprächs fasst Williams perfekt zusammen, wo er steht: „Ich bin glücklich, ich spiele gut, ich bin ehrlich zu mir selbst. Ich bin vielleicht ein Idiot, aber einer, der dem Sport viel zurückgeben will.“ Und zur WM? „Ich freue mich darauf. Ich fühle mich gut. Ich bin ready.“
Klatscht 0Besucher 0
loading

Gerade In

Beliebte Nachrichten

Aktuelle Kommentare

Loading