Es gibt Momente, in denen Experten nicht lange um den heißen Brei reden – und der dreifache Weltmeister
Glen Durrant liefert einen solchen in seiner großen
WM-Analyse. Während viele Blicke vor der
Darts WM wie selbstverständlich auf die Topstars wie Luke Littler, Luke Humphries,
Peter Wright oder
Gary Anderson gerichtet sind, nennt Durrant einen ganz anderen Namen als potenziellen Geheimfavoriten. Einen, der für deutsche Fans elektrisierender kaum sein könnte.
„Martin Schindler ist für mich der Geheimfavorit“
„Martin Schindler ist für mich der Geheimfavorit“, sagt Glen Durrant. „Ich höre, dass dieses Jahr in enormer Zahl deutsche Fans nach London kommen. Wenn die Hälfte des Publikums deutsch ist, wie es heißt, kann das
Schindler enorme Energie geben. Das hilft bei so einem Turnier gewaltig. Behaltet ihn im Auge.“
Peter Wright zwischen Hoffnung, neuer Fitness und einem komplizierten WM-Weg
Peter Wright steht erneut vor einer WM-Kampagne, in der Erwartungen und Fragezeichen Hand in Hand gehen. Der 55-jährige Schotte arbeitet seit Monaten an Form, Fitness und Vertrauen. Und laut Durrant, der in den vergangenen Wochen eng mit ihm zusammengearbeitet hat, ist Wright körperlich so gut aufgestellt wie seit langer Zeit nicht mehr. Das bedeutet aber nicht, dass ihn ein leichter Weg erwartet.
„Ich habe gerade Zeit mit Peter verbracht, und er blickt immer noch mit großem Selbstvertrauen nach vorn“, sagt Durrant, mittlerweile Analyst bei Sky Sports. „Er glaubt daran, er feilt weiter an seinem Spiel. Er sieht unglaublich aus und hat viel Gewicht verloren.“
Der Kontrast zu Wrights vergangenen Saisons ist groß. Während er 2022 noch den WM-Titel holte, ließ seine Form in den folgenden Jahren spürbar nach. Verletzungen, Experimentierfreude und wechselnde Darts-Sets sorgten für Unruhe. Doch der zweifache Weltmeister hielt stets an der Überzeugung fest, dass noch ein großer Titel möglich ist.
„Als ich selbst an meinem Tiefpunkt war, dachte ich: Es ist vorbei. Peter ist nicht so jemand. Er erinnert mich ein wenig an Devon Petersen: Er glaubt, dass immer noch ein Turniersieg in ihm steckt.“
Wright startet sein Turnier am Montag gegen Noa-Lynn van Leuven – sofort ein ernstzunehmender Test. „Er hat seine Auslosung schon komplett analysiert“, sagt Durrant. „Er weiß, dass van Leuven die erste Gegnerin ist. Danach befindet er sich in einem Abschnitt des Draws mit Anderson und van Gerwen. Er zählt wirklich schon die Schritte in Richtung Viertelfinale, vielleicht sogar Halbfinale.“
Doch Durrant warnt, dass der Weg dorthin holpriger ist, als Wright es sich eingestehen möchte. „Ich bin ein großer Fan von Peter, aber ich habe das Gefühl, dass es für ihn richtig schwer wird.“
Die schottische Delegation besteht dieses Jahr aus Wright, Gary Anderson, Cameron Menzies, Alan Soutar und Darren Beveridge – eine Gruppe, die in den vergangenen elf Jahren vier WM-Titel gefeiert hat. Wright hofft erneut auf eine Hauptrolle, ist aber nicht mehr der automatische Favorit seines Landes.
Anderson bleibt Schottlands größte Hoffnung
Der Mann, der laut Durrant die besten Chancen auf schottischen Erfolg hat, ist nicht Wright, sondern Gary Anderson. Der 54-jährige zweifache Weltmeister spielt weniger Turniere, trainiert nach eigener Aussage wenig, bleibt aber auf den großen Bühnen ein Garant für Weltklasse-Darts.
„Seine aktuelle Form mag etwas anderes suggerieren, aber er hat so viel TV-Erfahrung, dass du ihn nie abschreiben kannst“, erklärt Durrant. „Er sagt oft, dass er kaum trainiert, und ich glaube ihm das auch. Aber er erreicht trotzdem immer wieder die späten Runden.“
Was Anderson einzigartig macht, ist seine Unberechenbarkeit abseits des Boards und seine Nüchternheit in Interviews. Durrant beschreibt ein Bild, das viele Fans wiedererkennen. „Er ist unmöglich zu lesen. Fragst du ihn etwas, bekommst du nie die Antwort, die du erwartest. Er sagt so etwas wie: Wenn ich mein erstes Match gewinne, stehe ich morgen wieder am Angelteich.“
Seine sportlichen Qualitäten bleiben davon unberührt. „Es gibt keinen besseren Spieler in Sachen reine Wurfbewegung. Er ist einer der größten 180-Hitter, die ich je gesehen habe.“
Die entscheidende Frage lautet für Durrant: Hat Anderson noch genug Feuer für ein mehrtägiges oder gar wochenlanges Turnier? „Das ist der einzige Punkt. Verlierst du dieses Feuer, wird es schwierig. Aber er hat immer noch die Fähigkeit, diese Bühne zu dominieren. Er kann diesen Pokal erneut stemmen.“
Cameron Menzies, stets eine schillernde Figur mit brillanten, aber launischen Auftritten, trifft am Montag auf eines der größten Talente der Gegenwart: Charlie Manby. Der junge Engländer, ein enger Freund von Luke Littler, macht große Schritte und gilt als einer der spannendsten Spieler der neuen Generation.
„Das ist ein harter Auftakt für Menzies“, sagt Durrant. „Manby ist ein Talent, das gerade in der Modus Super Series gezeigt hat, wozu er imstande ist. Er kommt aus Huddersfield, spielt unbefangen und wächst von Woche zu Woche.“
Laut Durrant gibt es mehrere Außenseiter, die überraschen könnten – darunter der Niederländer Jamai van den Herik und natürlich Manby. Doch am Ende bleibt für ihn ein Name besonders hängen:
Martin Schindler.
Damit schließt sich der Kreis – und Durrants Botschaft ist klar: Wer diese WM verfolgt, sollte den Deutschen ganz oben auf dem Zettel haben.