Michael van Gerwen zählt seit mehr als einem Jahrzehnt zu den dominierenden Kräften im modernen Darts. Auch wenn der Sport neuen Schwung erhalten hat – dank des kometenhaften Aufstiegs von Wunderkind
Luke Littler und der Dominanz des Ex-Weltranglistenersten
Luke Humphries – weigert sich der dreifache Weltmeister, seine eigene Ära für beendet zu erklären. Für „Mighty Mike“ beginnt 2026 eine neue Geschichte.
Beim Medien-Event zur
Eröffnung und Auslosung der Darts WM 2026 sprach van Gerwen mit talkSPORT über seine Form, die beiden Lukes, sein enttäuschendes Jahr und seine Ambitionen, wieder den Thron im Ally Pally zu besteigen. Humor und Realismus wechselten sich ab – doch eine Botschaft stand felsenfest: Wer glaubt, dass „MVG“ aufgibt, liegt völlig daneben.
„Jahrelang dominieren? Nein, ich bin immer noch hier.“
Die große Frage lautete, ob Littler und Humphries den Beginn einer neuen, langfristigen Ära markieren. Van Gerwen, der in seiner Karriere schon viele Shootingstars kommen und gehen sah, reagierte scharf, aber respektvoll: „Sie sind großartige Spieler, Littler und Humphries. Aber über Jahre hinweg dominieren? Nein. Ich bin immer noch hier und ich werde das nicht zulassen.“
Michael van Gerwen strebt seinen vierten Weltmeistertitel an
Damit lieferte er ein Paradebeispiel seiner mentalen Stärke. Er erkennt die Klasse der neuen Generation an, weigert sich aber, sich selbst vorschnell ins zweite Glied zu verabschieden. Besonders Littler, gerade volljährig und bereits als zukünftiger Superstar gehandelt, wird gefeiert – aber für van Gerwen bleibt eines klar: Solange er am Oche steht, gibt es keinen einfachen Machtwechsel.
Ein Jahr zum Vergessen
MVG ist kein Spieler, der sich selbst belügt. Er hatte ein ernüchterndes Jahr voll Rückschläge, schwacher Ergebnisse und teilweise ungewohnt durchschnittlicher Leistungen. „Dieses Jahr war eine Katastrophe. Aber man muss es auf die leichte Schulter nehmen und weitermachen. Ein Neuanfang für 2026.“
Kaum ein Spieler, der über Jahre zur absoluten Spitze zählt, bleibt von solchen Phasen verschont. Weil van Gerwen stets am Limit agierte und das generelle Niveau weiter steigt, wirkt eine durchschnittliche Saison heute härter denn je. Doch statt Ausreden sucht er Lösungen – und richtet den Blick nach vorn.
Vorbereitung mit Klasse: „Man spielt gegen die Besten, das hilft immer“
Für seine WM-Vorbereitung setzt van Gerwen erneut auf intensive Trainingsmatches – oft gegen die absolute Elite. Exhibitions dienen vielen Profis primär zur Entspannung, doch MVG sieht darin mehr: „Man spielt gegen die besten Spieler der Welt, das hilft immer.“
Dass derartige Show-Turniere inzwischen teils astronomische Averages hervorbringen – regelmäßig jenseits der 110 – überrascht ihn nicht. Der Wille zu gewinnen bleibt präsent, auch ohne Ranglistenpunkte. „Natürlich will man immer gewinnen.“
Bei der Weltrangliste bleibt er gelassen: „Alles, was man tun kann, ist, bei jedem Turnier so gut wie möglich abzuschneiden. Das ist alles.“
Respekt für Littler und Humphries – aber keine Kapitulation
Van Gerwen würdigt die starken Leistungen seiner Rivalen. Humphries und Littler haben außergewöhnliche Saisons gespielt, doch während viele schon über anhaltende Dominanz sprechen, bleibt MVG zurückhaltend: „Niemand wird das über mehrere Jahre hinweg tun. Aber andere Spieler müssen ihr Level hochschrauben. Wenn andere ängstlich bleiben und nicht so gut spielen, wie sie können, dann ist alles möglich.“
Er erkennt Parallelen zwischen Littlers Aufstieg und seinem eigenen Durchbruch 2016, weigert sich aber, beide direkt zu vergleichen: „Es ist schwer zu vergleichen. Das sollen andere Leute machen.“
Josh Rock, Phil Taylor und der Weg zur Weltklasse
Auch Josh Rock war ein Thema. Der Nordire gilt seit Jahren als kommender Superstar, wartet aber noch auf seinen ganz großen Sprung. Van Gerwen sieht Talent – aber betont: „Ich denke, er hat etwas weniger Talent als Luke oder ich. Er muss härter arbeiten, um das zu erreichen, was er tut.“
Er zieht eine spannende Parallele zu Phil Taylor: Der 16-fache Weltmeister sei kein Naturtalent gewesen, sondern das Produkt eiserner Disziplin. „Phil war langsam und methodisch, aber er hat sich in eine Maschine verwandelt.“
Beau Greaves und Adrian Lewis – Talent, Druck und Entscheidungen
Über Ausnahmetalent Beau Greaves spricht van Gerwen mit Bewunderung und Warnung zugleich: „Lasst sie genießen, was sie tut. Sie ist die beste Frau, gegen die ich je spielen werde, aber sie soll sich in ihrem eigenen Tempo entwickeln.“
Auch Adrian Lewis, zweifacher Weltmeister und aktuell ohne Tour Card, war Thema. Van Gerwen wird deutlich: „Mit seinem Talent sollte er in die Q-School zurückkehren. Aber will er das auch? Wird es ihn glücklich machen? Das ist die Frage.“
Van Barneveld: „Wenn er so spielt, wird dies seine letzte Weltmeisterschaft sein“
Beim sensibelsten Thema –
Raymond van Barneveld – wurde MVG direkt. „Wenn er so spielt wie am letzten Wochenende, wird es eine kurze Weltmeisterschaft werden. Ich denke, es wird seine letzte sein... Er ist ja schon fast 60, nicht wahr?“
Trotzdem bleibt Hoffnung, dass Barney noch einmal aufblüht. Doch strukturell wird es immer schwerer, dauerhaft mithalten zu können – so die Einschätzung van Gerwens.
Privatleben und Planung: Stabilität bis 2026
Das Jahr 2025 war für van Gerwen vor allem abseits des Oches turbulent. Die Scheidung von seiner Partnerin Daphne stellt van Gerwen vor neue Herausforderungen – besonders mit zwei kleinen Kindern. Wie viele Turniere er 2026 spielen wird, bleibt offen: „Ich muss sehen, wie es zu Hause läuft. Das Leben hat sich für mich ein bisschen verändert – ein bisschen viel.“
Blick auf die Weltmeisterschaft: „Mindestens das Finale erreichen“
Wie gewohnt nennt van Gerwen klare Ziele für die WM: „Zumindest das Finale zu erreichen.“
Für viele wäre das vermessen – für MVG ist es schlicht sein Anspruch. Er kennt den besonderen Druck, die Atmosphäre und die Magie des Ally Pally. Und er weiß: „Ich war dort schon einmal erfolgreich, ich weiß, dass ich dort Spitzenleistungen erbringen kann.“