Darts ist ein Sport der Millimeter. Ein winziger Ausreißer nach links oder rechts kann zwischen Triumph und Enttäuschung entscheiden. Oft denkt man dabei an die engen Triple-Segmente oder das Bullseye, die über Sieg und Niederlage entscheiden. Doch manchmal geht es gar nicht um die kleinsten Felder. Manchmal scheitern Spieler an den größten Feldern auf dem Board – den sogenannten „großen Zahlen“.
Gerade diese Sektoren haben zuletzt wieder für Gesprächsstoff gesorgt. Bei der Hungarian Darts Trophy in Budapest passierte Rob Cross ein kurioser Patzer. Im Duell gegen den späteren Turniersieger Niko Springer verfehlte der frühere Weltmeister gleich dreimal in Folge das große Einzelfeld. Seine Aufnahme brachte nur zwölf Punkte, jede Chance auf ein Doppel war dahin. Laut Statistik liegt die Wahrscheinlichkeit für ein solches Szenario bei 1 zu 5000 – fast unmöglich, und doch passiert. Springer hätte das Match vermutlich ohnehin gewonnen, aber dieser Moment zeigte, dass selbst Weltmeister vor einfachen Aufgaben nicht gefeit sind.
Warum ist die große Zahl überhaupt ein Thema? Schließlich sind es die größten Felder des Boards. Sie sind neunmal größer als ein Triple und 18-mal größer als das Bullseye. Profis treffen im Schnitt 35 Prozent ihrer Versuche auf ein Triple und 20 Prozent ins Bull. Da müsste man meinen, ein Single sei eine reine Pflichtaufgabe. Doch die Realität sieht anders aus. Auf der PDC-Bühne landet im Schnitt jeder 18. Dart, der auf eine große Zahl gezielt wird, daneben. Eine Quote, die zwar nach höchster Präzision klingt, in engen Matches aber den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage machen kann.
Natürlich tragen nicht immer nur die Spieler die Verantwortung. Bereits steckende Darts können den Weg versperren oder das Sichtfeld verdecken. Zudem ist ein Fehlwurf nicht in jedem Fall ein Drama. Wer auf die einfache 20 zielt, aber versehentlich die doppelte 20 trifft, landet immerhin auf der Doppel-10. In vielen Situationen bleibt der Schaden gering.
Doch ein falscher Dart kann auch eine wichtige Aufnahme zerstören, eine Kombination unspielbar machen oder im schlimmsten Fall den Weg zum Leg blockieren. Die Reaktionen der Profis – Kopfschütteln, kurze Flüche oder ein tiefer Seufzer – verraten, wie entscheidend diese Würfe sein können.
Besonders spannend ist der Blick auf die Statistiken der aktuellen Saison.
Chris Dobey gilt 2025 als absoluter Maßstab in dieser Disziplin. Er kommt auf eine Trefferquote von 97,5 Prozent, bei fast 400 Versuchen verfehlte er nur zehn Mal das Ziel. Ein Wert, der für höchste Konzentration spricht. Noch beeindruckender: Mit dem ersten Dart einer Aufnahme verpasste er nur einmal das vorgesehene Feld – 154 von 155 Würfen landeten dort, wo sie sollten. Das ist ein Grad an Fokussierung, der fast übermenschlich wirkt.
Interessant ist, dass die Unterschiede zwischen den Spielern minimal bleiben. Zwischen den Besten und den Schwächsten liegen gerade einmal sieben Prozentpunkte. Selbst die ungenauesten Profis treffen ihr Ziel in über 90 Prozent der Fälle. Strukturelle Sorgen gibt es also nicht. Warum also überhaupt diese Zahlen analysieren?
Auch
Gerwyn Price bestätigt diese Werte. Der Waliser stand in dieser Saison schon 548 Mal vor der Aufgabe, eine große Zahl zu treffen. Mit einer Erfolgsquote von 97,1 Prozent reiht er sich direkt hinter Dobey ein. Callan Rydz wiederum hat seit über vier Monaten kein einziges großes Feld auf der Bühne oder im Stream verfehlt. Selbst Luke Littler, der in fast allen anderen Statistiken die Maßstäbe sprengt, bewegt sich hier „nur“ im Bereich des PDC-Durchschnitts. Seine Quote liegt bei 94,4 Prozent – beeindruckend, aber kein Ausreißer nach oben.
Auffällig ist außerdem: Der Unterschied zwischen den besten und den schwächsten Einzelwerfern fällt gering aus. Nur rund sieben Prozentpunkte trennen die Spitze vom Ende. Selbst die ungenauesten Profis treffen über 90 Prozent der großen Zahlen. Das bedeutet, dass keiner der Topspieler in diesem Bereich grundsätzliche Probleme hat. Warum also beschäftigen sich Analysten und Statistiker so sehr mit diesen Würfen?
Die Antwort liegt in der Psychologie des Sports. Ein Treffer auf eine große Zahl wirkt so selbstverständlich, dass Spieler leicht die Konzentration verlieren. Genau in diesen Momenten passieren Fehler. Es geht also weniger um technische Fähigkeiten als vielmehr um mentale Disziplin. Ein Spieler, der auch die einfachsten Würfe mit voller Ernsthaftigkeit nimmt, vermeidet unnötige Risiken.
Genau das zeigt sich bei Dobey und Price. Sie gewinnen ihre Spiele nicht allein durch die Präzision bei den großen Zahlen. Aber sie verhindern, dass Matches durch Nachlässigkeit aus den Händen gleiten. In einem Sport, in dem ein einzelner Dart über Sieg oder Niederlage entscheiden kann, ist diese mentale Stärke vielleicht die wichtigste Waffe überhaupt.