Luke Humphries musste „tief graben“, um Cameron Menzies in einem dramatischen Achtelfinale der European Championship 2025 zu besiegen. Der Weltranglistenerste zeigte in dieser Partie nicht nur mentale Stärke, sondern auch sein ganzes emotionales Spektrum auf der Bühne. Nach dem knappen 10:9-Erfolg sprach Humphries offen darüber, wie sehr ihn sein schottischer Gegner gefordert hatte – und warum ihn genau solche Matches an seine Grenzen und darüber hinaus bringen.
„Ich hatte das Gefühl, dass ich scoringmäßig stark war, aber Cameron war phasenweise einfach brillant“, sagte der Titelverteidiger nach dem Spiel im Interview mit DartsNews. „Er hat mich wirklich gedrückt – mit 11-, 12- und 13-Dartern, das war Topniveau. Ich musste alles geben, um dran zu bleiben.“ Humphries lobte seinen Gegner ausdrücklich für dessen Mut und Kampfgeist: „Man braucht zwei, um ein gutes Spiel zu machen. Und heute waren wir beide auf sehr hohem Level unterwegs.“
Emotionen, Fokus und Störungen
Auf der Bühne zeigte Humphries neben seiner spielerischen Klasse auch eine neue emotionale Seite. Lautstarke Ausbrüche nach gewonnenen Legs und anfeuernde Schreie in Richtung Publikum prägten die Atmosphäre. „Manchmal, wenn ich ein bisschen aufgeregt bin, bin ich sehr gefährlich“, erklärte er. „Dann bin ich fest entschlossen, nicht zu verlieren. Wenn man zu entspannt ist, kann das Gegenteil passieren – dann akzeptiert man innerlich, dass man auch verlieren könnte. Das will ich auf dieser Bühne nie.“
Luke Humphries will in Dortmund erstmals die European Championship gewinnen.
Der Engländer weiß aber auch, dass sein emotionaler Stil Grenzen hat: „Ich kann das nicht 19 Legs lang machen – dann wäre ich völlig platt! Aber irgendetwas hat mich heute Abend beflügelt. Ich bin stolz darauf, wie ich zurückgekommen bin und das Spiel ins Ziel gebracht habe.“
Seine Körpersprache sprach Bände: Der 29-Jährige pumpte sich nach entscheidenden Treffern auf, schrie die Emotionen aus sich heraus und zeigte, warum er aktuell als einer der charismatischsten Spieler der Tour gilt.
Das Match war nicht nur sportlich packend, sondern auch atmosphärisch aufgeladen. In entscheidenden Momenten kam es zu kurzen Unterbrechungen: Menzies ließ einen Dart fallen, auch im Publikum herrschte kurzzeitig Unruhe. Humphries stellte jedoch klar, dass keine böse Absicht vorlag.
„Die Menge hat nichts falsch gemacht, und Cameron auch nicht“, betonte er. „Aber wenn man unter Stress steht, können einen kleine Dinge wirklich stören. Ich habe ein, zwei Geräusche gehört, die mich im Moment irritiert haben – im Nachhinein weiß ich, dass das einfach Nervosität war. Es war nichts Persönliches.“
Kein Blick auf andere – nur auf Titel
Während viele Topspieler bereits ausgeschieden waren, wollten Beobachter wissen, ob der Weltranglistenerste zusätzlichen Druck verspüre, als Favorit nun liefern zu müssen. Humphries winkte ab: „Es sind immer noch viele große Namen im Turnier. Menschen sagen, die großen Spieler seien raus, aber das stimmt nicht. James Wade, Gian van Veen, Michael van Gerwen – das sind absolute Topspieler. Auch Danny Noppert zählt für mich dazu. Es wird richtig schwer, dieses Turnier zu gewinnen.“
Druck, sagt Humphries, motiviere ihn eher, als dass er ihn lähme. „Ich habe gelernt, mich auf mich selbst zu konzentrieren. Ich weiß, was ich leisten kann, und ich spiele, um Trophäen zu gewinnen – nicht, um Statistiken zu rechtfertigen.“
„Lieber Major-Champion als Nummer eins“
Der Engländer reagierte auch auf die anhaltende Debatte um seine Spitzenposition in der Weltrangliste. Seit Wochen kursieren in sozialen Medien und Fachkreisen Diskussionen über sein Duell mit Luke Littler um die Nummer eins. Für Humphries ist das Thema klar zweitrangig: „Nummer eins zu sein, ist schön. Aber mir bedeutet es mehr, ein Major zu gewinnen. Ich wäre lieber Major-Champion als einfach nur oben in der Rangliste zu stehen“, betonte er.
Luke Littler hat am Samstagabend verloren.
Dass Medien sich zu sehr auf das Duell der Weltranglistenpositionen konzentrieren, sieht er mit Gelassenheit – und einem Schuss Humor: „Ich bin mir sicher, dass sie sich nach Littlers Niederlage schon Artikel zurechtgelegt hatten. Nun habe ich sie wohl ein bisschen verärgert – also entschuldige ich mich bei allen!“
Mit einem Lächeln fügte er hinzu: „Ich werde die Nummer eins nicht kampflos hergeben. Aber das Turnier ist wichtiger als jede Rangliste. Ich will gewinnen, nicht rechnen.“
Titelhunger und Vermächtnis
Humphries hat in den vergangenen zwei Jahren mehrere Majors gewonnen – doch seine Ambitionen sind ungebrochen. Der Titel bei der European Championship soll ein weiterer Meilenstein auf seinem Karriereweg sein. „Ich will diesen Titel unbedingt holen“, sagte er bestimmt. „Ich stand hier schon mehrmals nah am Finale. Diesmal will ich den letzten Schritt machen.“
Er weiß, dass ein weiterer Sieg seine Position als Weltranglistenerster festigen würde, doch das ist für ihn nur ein Nebeneffekt. „Es geht darum, große Turniere zu gewinnen. Wenn du das schaffst, folgt alles andere automatisch – Ranglistenpunkte, Respekt, Vermächtnis. Dieses Turnier ist eines der härtesten überhaupt, weil hier wirklich nur die besten Spieler antreten.“
Humphries denkt schon weiter: „Ich will mein zehntes Major, danach das nächste. Ich will Geschichte schreiben. Ich will, dass man sich in zehn Jahren an mich erinnert – nicht nur als die Nummer eins, sondern als jemanden, der das Spiel geprägt hat.“
Respekt für Menzies
Trotz aller Euphorie nach dem Einzug ins Viertelfinale fand Humphries ehrliche Worte für seinen Gegner. „Cameron hat mich an meine Grenzen gebracht, und das verdient großen Respekt“, sagte er. „In den entscheidenden Momenten hat er enormen Biss gezeigt. Oft knickt er unter Druck etwas ein, aber heute nicht. Ich habe ihn permanent attackiert, und er hat standgehalten.“
Humphries sieht in Menzies einen Spieler mit echtem Potenzial. „Er wird enttäuscht sein, aber er weiß jetzt, dass er die Nummer eins der Welt richtig gefordert hat. Das gibt Selbstvertrauen. Mental stärker zu werden – das ist der nächste Schritt, den er gehen muss. Das unterscheidet die Guten von den wirklich Großen.“
Der nächste Schritt: James Wade
Mit dem Sieg über Menzies steht Humphries nun im Viertelfinale – dort wartet mit James Wade ein erfahrener Gegner, der selbst schon zahlreiche Titel gewonnen hat. „Ich weiß, dass es wieder hart wird“, sagte Humphries abschließend. „James ist einer, der jedes Schwächeln nutzt. Ich muss wieder voll da sein, mit derselben Intensität und demselben Kampfgeist. Nur so kannst du hier bestehen.“