Es war ein langer, intensiver Weg bis ins Finale – und
Luke Humphries spürt jeden Moment davon. Nach seinem kräftezehrenden Halbfinalsieg in Leicester sprach der Weltranglistenerste offen über Erschöpfung, Entschlossenheit und den besonderen Reiz dieses Turniers. „Es fühlt sich an, als hätte ich zwei Wochen am Stück Darts gespielt“, sagte Humphries mit einem müden Lächeln – doch der 29-Jährige stellt klar: Die Müdigkeit wird ihn nicht davon abhalten, am Sonntagabend einen weiteren großen Titel anzugreifen.
Der Engländer setzte sich in einem dramatischen Halbfinale gegen
Danny Noppert durch, warf dabei 14 Maxima (180er) und fand nach einem kurzen Einbruch in der Mitte des Matches zu überragender Form zurück. Nach dem Spiel sprach Humphries mit den Medien und unseren Kollegen von
DartsNews.com (YouTube) über seinen Weg ins Finale.
„Ein Spiel mit Höhen und Tiefen“
Auf die Frage, wie er seine Leistung zusammenfassen würde, sprach Humphries offen über die Achterbahnfahrt dieses Abends – und darüber, wie sein furioser Start letztlich den Unterschied machte.
„Ja, ich denke, du hast das ziemlich gut zusammengefasst – mehr kann ich eigentlich nicht sagen“, lachte er. „Am Anfang lief alles perfekt, ich fühlte mich großartig. Es erinnerte mich ein wenig an das letzte Jahr gegen Ryan Joyce. Leider bin ich dann etwas vom Gas gegangen.“
„Es war ein Spiel mit Höhen und Tiefen. Aber dieser Start hat mir geholfen, das Match zu gewinnen – denn Danny war zu Beginn wirklich stark. Wenn ich meine wichtigen Finishes nicht getroffen hätte und 0:2 hinten gelegen wäre, hätte er das Spiel wahrscheinlich mit 5:3 gewonnen. So frustrierend der Mittelteil auch war, der starke Start hat mir am Ende den Sieg gesichert.“
„Jetzt oder nie“ – der Wendepunkt
Zwischen dem siebten und achten Satz zog Humphries das Tempo merklich an – in dieser Phase fand er zu seiner besten Form zurück.
„Ich habe mir einfach etwas Wasser ins Gesicht gespritzt und mir gesagt: Du musst dich jetzt selbst wachrütteln“, erklärte er. „Manchmal wird man im Spiel zu entspannt, schiebt die Darts nur noch. Da sagte ich mir: Jetzt oder nie – du musst Danny zeigen, dass du das Spiel noch gewinnen willst. Wenn du bei 3:4 denkst, du hast ja noch zwei Sätze, ist das die falsche Einstellung. Ich wollte diesen Satz nicht abgeben. Also bin ich aggressiver rausgekommen – Kopf hoch, Energie hoch – und es hat funktioniert.“
Drittes Grand-Prix-Finale in Folge – in bester Gesellschaft
Bereits vor dem Turnier hatte Humphries davon gesprochen, ein Vermächtnis schaffen zu wollen. Mit seinem dritten Grand-Prix-Finale in Folge reiht er sich nun in eine exklusive Liste ein – neben Phil Taylor und Michael van Gerwen.
„Drei Finals in Folge sind natürlich großartig“, sagte er. „Aber wenn man nur eines davon gewinnt, ist es nicht so gut, wie es hätte sein können. Letztes Jahr habe ich eine Chance verpasst – Mike [De Decker] hat fantastisch gespielt, aber ich hatte im zweiten Satz die Möglichkeit, 2:0 in Führung zu gehen. Wer weiß, wie es dann gelaufen wäre?“
„Egal, was morgen passiert – es ist eine großartige Leistung. Dieses Turnier ist unglaublich schwer zu spielen. Drei Finals in Folge zu erreichen, bedeutet mir viel. Aber natürlich will ich jetzt auch den Titel. Ich habe meine letzten drei Major-Finals gewonnen, also bin ich zuversichtlich. Wenn es morgen nicht klappt, ist das eben so – man kann nicht alle Endspiele gewinnen. Aber ich gehe mit einem sehr guten Gefühl rein.“
Eine makellose Finalbilanz
Humphries hat in den vergangenen Monaten alle drei seiner TV-Finals gewonnen – beim Masters, den Players Championship Finals und in der Premier League. Diese Erfolgsserie gibt ihm Selbstvertrauen.
„Ja, natürlich“, antwortete er auf die Frage, ob ihn das zuversichtlich stimme. „Das Finale der Players Championship Finals war gut, das Masters-Finale war etwas wie heute – ich habe stark angefangen, Johnny [Clayton] kam zurück, aber ich habe das Match souverän beendet.“
„Und auch das Premier-League-Finale war sehr stark. Ich versuche, positiv zu denken, nicht negativ. Morgen will ich das, was ich in den ersten drei Sätzen heute gezeigt habe, konstanter abrufen. Über elf Sätze hinweg ist das schwer, aber ich hoffe, ich kann mehr Stabilität reinbringen.“
Standen sich bereits in vielen großen Duellen gegenüber: Luke Littler und Luke Humphries
„Das machen Champions so“
Nach seinem furiosen Start gegen Noppert erklärte Humphries, dass es nicht Hoffnung, sondern Selbstvertrauen sei, das seine Form trägt.
„Man hofft nicht – man glaubt einfach daran, dass es so weitergeht“, sagte er. „Wenn es dann nicht mehr so läuft, ist man kurz überrascht, weil vorher alles perfekt war. Jeder Dart fühlte sich richtig an. Der erste Dart ging rein, und ich dachte: Das wird wieder eine 180.“
„Aber manchmal läuft es im Dartsport eine Minute perfekt – und dann wieder gar nicht. Das ist frustrierend, aber man muss sich aufraffen. 4:1 vorne war super, 4:3 nicht mehr so sehr – aber ich habe im achten Satz wieder stark gespielt. Genau das machen Champions.“
Aus vergangenen Finals gelernt
Humphries weiß, wie es ist, ein Endspiel zu dominieren – und wie es ist, hinterherzulaufen. 2023 schlug er Gerwyn Price, 2024 unterlag er Mike De Decker.
„Das waren zwei völlig unterschiedliche Spiele“, erklärte er. „Gegen Gezzy hatte ich das Match immer unter Kontrolle. Gegen Mike – abgesehen von der 1:0-Führung – eigentlich nie. Ich weiß also, wie sich beide Situationen anfühlen. Das Wichtigste, was ich daraus gelernt habe: Wenn ich die Kontrolle habe, kann ich es zu Ende bringen – und wenn nicht, kann ich trotzdem zurückkommen. Ich lag gegen Mike 1:4 zurück und habe es auf 4:4 verkürzt. Ich bin erfahren genug, um mit Druck umzugehen – das ist, glaube ich, mein 13. oder 14. großes Finale.“
„Gewinnen oder nix“ – die neue Mentalität
Humphries gibt zu, dass sich seine Einstellung seit seinem ersten Major-Sieg deutlich verändert hat.
„Vor zwei Jahren, als ich mein erstes großes Turnier gewann, dachte ich: Viertelfinale ist schon super“, erinnerte er sich. „Heute denke ich: Gewinnen oder nichts. Natürlich ist es immer noch großartig, ein Finale zu erreichen – aber es gibt nichts, was Körper und Geist so erfüllt wie ein Sieg. Ich habe fast alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt – also geht es morgen nur um den Sieg.“
Im Endspiel trifft Humphries auf
Luke Littler, den er bereits im Finale der Premier League besiegen konnte. Trotzdem will er daraus keinen Vorteil ableiten.
„Nicht unbedingt“, meinte Humphries, der im Moment des Interviews noch nicht wusste, ob er im Endspiel auf Littler oder Clayton treffen würde. „Beide sind fantastische Spieler. Egal, wer es wird – es wird schwer. Und ich werde es ihnen auch schwer machen. Beide sind starke Doppelspieler. Mein Start war diese Woche phasenweise gut, also hoffe ich, dass ich das wiederholen kann. Es wird auf jeden Fall ein hartes Match – ein leichtes Major-Finale gibt es nicht.“
Scoringstärke und Präzision
Humphries’ Power Scoring war das ganze Turnier über beeindruckend – die 14 Maxima gegen Noppert unterstrichen das.
„Ja, die 180er liefen wirklich gut“, sagte er. „Der Start war stark, und auch das Scoring war da. Aber ich war fast zufriedener mit meinen Finishes als mit dem Scoring selbst. Wenn der erste Dart sitzt, bin ich gefährlich. Normalerweise bin ich eher ein 140er-Spieler, weil der erste Dart nicht immer fällt – aber heute war er da. Ich bin sehr zufrieden und hoffe, dass ich das morgen wiederholen kann. Ich werde es brauchen.“
„Nur noch ein Tag“
Nach einem dichten Terminkalender mit ProTour-Events und Exhibition-Auftritten spürt Humphries die Belastung – doch er weiß, dass er noch einmal alle Kräfte mobilisieren kann.
„Sehr, sehr anstrengend“, gab er zu. „Ich habe von Dienstag bis Donnerstag die Pro Tour gespielt, dann Freitag und Samstag Exhibitions – meine eigene Schuld. Samstagabend war ich kurz zu Hause, Sonntag schon wieder unterwegs. Man ist also fast eine Woche am Stück weg.“
„Das ist weniger körperlich als mental belastend. Es fühlt sich an, als hätte ich zwei Wochen nonstop gespielt. Aber ich brauche nur noch einen Tag. Nur noch diesen einen.“
Ein besonderer Antrieb
Für das Finale hat Humphries eine zusätzliche Motivation: Sein kleiner Sohn Rowan wird live im Publikum sein.
„Ja, er wird morgen da sein“, verriet Humphries. „Er ist Nummer eins – Darts ist Nummer zwei. Familie kommt immer zuerst.“
„Es wäre ein tolles, verspätetes Geburtstagsgeschenk für ihn. Als ich mein erstes großes Turnier gewann, war er gerade ein Jahr alt – er verstand damals nichts davon. Jetzt sieht er mich im Fernsehen. Es wäre ein schöner Moment, der den Kreis schließt: Vor zwei Jahren mein erster Sieg – und jetzt könnte ich meinen neunten holen. Märchen werden nicht immer wahr, aber ich würde mich freuen, wenn Rowan mit mir eine Trophäe feiern könnte.“