Der Dartsport ist reich an Geschichten, doch nur wenige sind so einzigartig wie jene von Raymond Smith und seinem Sohn Ky. Bei der MODUS Super Series in England standen Vater und Sohn erstmals gemeinsam auf der Bühne – ein Ereignis, das sportlich wie emotional für Gänsehautmomente sorgte. Die Zuschauer bekamen nicht nur spannende Matches zu sehen, sondern auch einen besonderen Einblick in die Reise zweier australischer Generationen.
Für Raymond Smith, längst eine feste Größe im internationalen Darts, war die Teilnahme fest eingeplant. Dieses Mal jedoch war es mehr als ein Turnierstart – sein Sohn Ky war ebenfalls dabei. „Es fühlt sich an wie ein zweigeteilter Prozess“, erklärte er bei der MODUS Super Series. „Einerseits konzentriere ich mich voll auf mein Spiel, andererseits erlebe ich einen echten Vater-Moment, wenn ich Ky auf der Bühne sehe. Das bringt Aufregung, Nervosität, aber vor allem Stolz.“
Auch Ehefrau Smith fieberte mit. „Meine Frau und ich haben jeden Pfeil gespürt“, lachte Raymond. „Es war hart, aber gleichzeitig einfach wunderbar.“
Der Aufstieg von Ky Smith
Ky Smith, Anfang zwanzig, stand in England vor seiner ersten großen Feuertaufe. Doch die Nervosität hielt sich in Grenzen. „Von dem Moment an, als ich die Bühne betrat, fühlte ich mich nicht fehl am Platz“, erklärte Ky. „Natürlich gingen ein paar Doppel daneben, aber ich kam schnell in meinen Rhythmus. Jeder Tag ist eine neue Chance.“
In der Gruppenphase gelang ihm der Befreiungsschlag: Zwei klare Siege gaben ihm das Selbstvertrauen zurück. „Das hat mir gezeigt, dass ich hier mithalten kann. Jedes Spiel zwingt dich, besser zu werden – das gibt es in Australien so nicht.“
Raymond selbst erinnerte sich bei der Super Series an seinen größten Erfolg: den Sieg bei der Series 2. „Das war wohl die umfassendste Erfahrung meiner Karriere“, sagte er rückblickend. „Eigentlich wollte ich gar nicht hinfliegen, weil wir gerade ein Haus gekauft hatten und daheim einiges im Argen lag. Mein Manager überredete mich, und zum Glück tat er es.“
Dieser Erfolg wurde später noch bedeutender, da sein Nachfolger kein Geringerer als Luke Littler war. „Das zeigt, wie groß diese Bühne inzwischen geworden ist“, meinte Raymond.
Ky sah das damals aus Australien und war begeistert. „Wir haben mitgefiebert. Mein Vater kämpft oft mit Heimweh, und dass er sich davon nicht hat abhalten lassen, war ein Beweis seiner mentalen Stärke.“
Trotz aller Talente ist der Weg australischer Dartspieler beschwerlich. Lange Reisen, wenige Turniere und fehlende Jugendstrukturen erschweren den Durchbruch. „Uns fehlt immer noch ein solides System zur Förderung“, kritisierte Raymond. „Australien hat so viele Talente, doch zu wenige Chancen. Viele steigen aus, weil sie keine Perspektive sehen.“
Ky bestätigte den Unterschied. „Zu Hause gewinne ich mit einem 70er Average Spiele. Hier reicht das nicht. Jedes Leg zwingt dich, über dein Limit hinauszugehen. Das macht den Reiz aus.“
Es gebe zwar Fortschritte durch die Australian Darts Association und internationale Einsätze einzelner Spieler. Doch Raymond bleibt skeptisch: „Es geht zu langsam. Mit europäischen Strukturen hätte Kys Generation viel mehr Möglichkeiten.“
Raymond selbst kam nur durch Zufall zum Darts. Nach einer Verletzung im Cricket griff er erstmals zu Pfeilen – improvisiert aus Balsaholz, Speichen und Federn. „Ich habe nur aus Langeweile geworfen“, erinnerte er sich lachend. Doch schon das erste Match packte ihn.
Seinen Söhnen Ky und Connor wollte er den Sport eigentlich ersparen. „Ich wollte sie fernhalten. Sie waren in anderen Sportarten erfolgreich“, gibt er zu. Doch die Faszination war stärker, und schließlich stiegen beide ins Dartsgeschehen ein. „Heute bin ich froh darüber, denn sie haben unheimlich viel Freude daran.“
Unvergesslich blieb der gemeinsame Auftritt bei der Weltmeisterschaft im Alexandra Palace. Vater und Sohn teilten sich die größte Bühne des Sports – ein einmaliges Erlebnis. „Es war surreal“, sagte Raymond. „So viel Medienaufmerksamkeit hatte ich nicht erwartet. Aber das Schönste war, Ky zu seinem ersten großen Turnier begleiten zu dürfen.“
Ky blickt vor allem auf die Anspannung zurück. „Während des Qualifikationsturniers musste ich kurz raus, weil mein Herz raste. Doch auf der Bühne fühlte ich mich stark. Allein dort zu stehen, war ein Traum.“
Raymond zeigte seinerseits ein starkes Turnier mit Erfolgen über Jamie Hughes, Devon Petersen und Florian Hempel. „Zum ersten Mal fühlte ich mich auf diesem Niveau richtig wohl. Alles passte zusammen.“
Der Hunger des Australiers ist noch nicht gestillt. „Ich will in Lakeside nicht nur antreten, ich will gewinnen“, kündigte Raymond an. Auch eine Rückkehr nach Alexandra Palace und der Weg zur PDC-Tourcard stehen auf seiner Agenda. Sogar ein Umzug nach Europa ist ein Thema.
Ky hat eigene Ziele: Die Teilnahme an der Jugend-WM steht ganz oben. „Wenn ich in Australien gut abschneide, sammle ich genug Punkte zur Qualifikation. Das ist mein Traum – und irgendwann wieder ins Ally Pally zurückzukehren.“
Ein großer Traum bleibt ein gemeinsamer Start beim World Cup of Darts. „Wir werden das Trainingsboard zu Hause zertrümmern“, scherzte Ky.
Beide wollen ihrem Heimatland etwas zurückgeben. „Seit den 70ern reden wir von einer richtigen Struktur. Ohne sie verlieren wir Talente“, betonte Raymond. „Ich möchte meinen Teil beitragen.“ Ky ergänzte: „Wenn wir unsere Erfahrung weitergeben können, machen wir es. Australien muss sein Niveau steigern.“