Jurjen van der Velde ist vielen Dartfans längst ein Begriff. Das niederländische Talent galt früh als Versprechen seiner Generation, erlebte jedoch Höhen und Tiefen: jugendliche Triumphe, den Aufstieg auf die Pro Tour – und den Verlust seiner PDC Tour Card. Doch der 22-Jährige zeigt sich kämpferisch. Im Interview mit Tungsten Talk blickte er zurück, sprach über seine Entwicklung und erklärte, warum er an eine erfolgreiche Zukunft glaubt.
Alles begann im Sommer 2010. Damals sah der junge Van der Velde im Fernsehen das legendäre Duell zwischen Phil Taylor und Terry Jenkins beim World Matchplay. „Ich dachte: Das möchte ich auch können. Ich will eine 180 werfen“, erinnert er sich. Kurz darauf hing die erste Dartscheibe in seinem Schlafzimmer, und er trainierte stundenlang. Mit 12 oder 13 Jahren wollte er erstmals ein Turnier spielen. Da viele Events in Kneipen stattfanden, war das schwierig. Doch über Facebook entdeckte er ein Jugendturnier – und gewann es direkt. „Ich habe ein paar 180er geworfen, war bei jedem Pfeil nervös, aber am Ende habe ich es gewonnen. Der Organisator sagte sofort: Du musst auf die niederländische Rangliste.“
Die Unterstützung seiner Familie war entscheidend. Auch seine Schwester spielt Darts auf hohem Niveau, aktuell sogar in der Frauenserie, wenngleich ihr Studium die Karriere pausieren ließ. „Es ist wichtig, dass die Familie hinter einem steht“, betont Van der Velde. „Darts ist ein einsamer Sport. Wenn du gewinnst, sitzt du allein im Hotelzimmer. Und wenn du verlierst, ist es noch härter. Dann brauchst du jemanden, der dich auffängt. Meine Mutter und meine Schwester wissen genau, wie es auf der Tour ist.“
2018 kam der erste große internationale Erfolg: der Gewinn des Winmau World Youth Masters in Bridlington. Im Finale schlug er Keane Barry, mit dem er kurz zuvor noch beim European Youth Cup zusammengespielt hatte. „Das war ein bahnbrechender Moment. Eine große Bühne, viel Nervosität, aber auch das Gefühl: Ich kann große Titel gewinnen.“ Von da an ging es rasant bergauf. Mit konstanten Leistungen auf der Development Tour erkämpfte er sich 2022 die PDC Tour Card.
Das Debütjahr auf der Pro Tour begann stark. Siege über Steve Beaton und Raymond van Barneveld gaben ihm Selbstvertrauen. Doch die Härte der Konkurrenz machte sich schnell bemerkbar. „Manchmal habe ich nicht mein eigenes Spiel gespielt. Das Niveau ist so hoch, jeder Fehler wird sofort bestraft. Am Ende habe ich meine Tour Card verloren“, erklärt er. Für Analyst Paul Nicholson war das jedoch kein Rückschritt: „Manchmal muss man einen Schritt zurück machen, um stärker zurückzukommen. Genau das macht Jurjen gerade.“
Tatsächlich sieht Van der Velde die Challenge Tour nicht als Abstieg, sondern als Chance. „Das Niveau ist hoch, man spielt vor Kameras und sammelt Erfahrung. Jede Partie macht dich besser.“ Besonders die bittere Niederlage im Finale der PDC-Jugendweltmeisterschaft im November 2024 prägte ihn. Damals vergab er mehrere Matchdarts und stand am Ende mir Tränen in den Augen auf der Bühne. „Ich habe Doppel verpasst, die ich normalerweise immer treffe. Das ging mir tagelang durch den Kopf. Aber es hat mich motiviert, noch härter zu trainieren.“
Jurjen van der Velde in Aktion
Seine großen Vorbilder waren immer Gary Anderson und Steve Beaton. „Andersons Wurf ist der geschmeidigste der Welt, wunderschön anzuschauen“, sagt er. Als er dem Schotten erstmals auf der Bühne begegnete, war es ein spezieller Moment – auch wenn Anderson mit einem 154er-Finish das Match entschied. „Natürlich ärgert man sich, aber gleichzeitig hat man Respekt. Genau deshalb liebe ich diesen Sport.“ Auch das Duell mit Beaton sei unvergesslich gewesen: „Als junger Spieler gegen so eine Legende zu gewinnen, das nimmt man mit für immer.“
Aktuell belegt Van der Velde Rang sechs in der Development Tour. Ein Platz, der ihn für die UK Open und womöglich die WM im Alexandra Palace qualifizieren könnte. Dazu kommt seine Premiere in der Modus Super Series in Portsmouth, wo er direkt gegen Beaton antreten durfte – und gewann. „Diese Bühne ist großartig, das Niveau hoch. Solche Erfahrungen geben einen echten Kick.“
Sein Fokus für die kommenden Monate liegt auf Konstanz und Vorbereitung. Lokale Turniere und intensives Training sollen ihn für die großen Ziele fit machen. „Die WM am Jahresende ist das ultimative Ziel. Aber vorher hoffe ich, beim Grand Slam of Darts dabei zu sein. Das wäre großartig.“
Trotz aller Ambitionen bleibt Van der Velde realistisch. „Ich will zurück auf die Pro Tour, aber Schritt für Schritt. Erst Erfolg auf Development und Challenge Tour, dann wieder nach oben. Ich bin noch jung und habe Zeit. Wichtig ist, dass ich Spaß am Spiel habe und mich weiterentwickle.“
Auch Paul Nicholson ist überzeugt: „Wo immer Jurjen spielt, hat er Erfolg. Er hat die Mentalität, das Talent und die Ausdauer. Seine Rückkehr auf die Pro Tour ist nur eine Frage der Zeit.“