Ricky Evans wurde seinem Ruf als Garant für Drama, Unterhaltung und Darts der Extraklasse am Montagnachmittag erneut gerecht. Bei der Darts WM 2026 kämpfte sich der Engländer durch ein emotionales Fünf-Satz-Duell. Er grub tief, überstand unteranderem einen Matchdart und löste schließlich das Ticket für die dritte Runde. Damit kehrt er auch nach Weihnachten wieder in den Alexandra Palace zurück.
Der Mann aus Kettering gab anschließend offen zu, noch nie solche Nerven gespürt zu haben. Das Duell gegen James Wade beschrieb er als Achterbahnfahrt, die jederzeit hätte kippen können. Über weite Strecken war Evans im Scoring unterlegen. Doch bei der Darts WM fand er genau dann Lösungen, als es am meisten zählte. In Sätzen, die ständig gegen den Anwurf liefen, behielt er die entscheidende Ruhe.
„Mehr zählt nicht“ – Evans trotzt den Zahlen
„Ich war noch nie so aufgedreht oder nervös in meinem Leben“, erklärte Evans nach dem Match. Statistisch sei er klar im Hintertreffen gewesen. „Er hat wahrscheinlich etwa zwölf Legs mehr gewonnen als ich.“ Am Ende habe er aber drei Sätze geholt und sein Gegner nur zwei. „Mehr zählt nicht.“
Immer wieder ging Evans im Matchverlauf in Führung, wurde jedoch postwendend eingeholt. Jeder Satz entwickelte sich zu einem Tanz auf der Rasierklinge. Mit einem Augenzwinkern sagte er später, ein 3:0 wäre in 20 Minuten erledigt gewesen. Stattdessen wurde es erneut ein Ally-Pally-Marathon – fast schon ein Markenzeichen seiner WM-Karriere.
Trotz des Erfolgs zeigte sich Evans schonungslos ehrlich in Sachen Selbstvertrauen. Er räumte ein, dass genau dies sein größter innerer Gegner sei. „Ich habe kein Selbstvertrauen. Ich glaube nicht an mich“, sagte er. Zwar könne er so gut spielen wie jeder andere. Doch er tue es nicht immer. Der Average von 88 sei ihm egal. „Ich bin durch. Viele bessere Spieler als ich sind schon raus.“
99er-Finish und Doppel 16
Der entscheidende Moment kam beim Stand von 6:4. Evans checkte dort ein 99er-Finish, nachdem er zuvor mehrere Matchdarts ausgelassen hatte. Gerade Kombi-Finishes liegen seinem extrem schnellen Rhythmus. Das erklärte er offen.
„Gibst du einem schnellen Spieler wie mir drei Darts auf ein Doppel, verwerfe ich sie wahrscheinlich“, sagte Evans. Kombi-Finishes seien für ihn ideal: „Bumm, bumm, bumm – dann mach ich’s.“
Das Finish war auch emotional aufgeladen. Evans verriet eine persönliche Verbindung zu Doppel 16. Diese Zahl verbindet er mit seiner Schwester. „Sie war schrecklich auf 16 – sie war ein Tops-Mädchen“, sagte er lachend.
Der Sieg bedeutet zugleich die Rückkehr nach Weihnachten in den Alexandra Palace. Früher habe er das gehasst, gab Evans zu. Dann ruderte er grinsend zurück. „Das macht Weihnachten brillant.“ Bei ihm seien es nur Mum, Dad, der Hund und er selbst. Seine Freundin müsse wieder mit in den Ally Pally. „Sie ist Liverpool-Fan, also eine von denen.“
Schiedsrichter-Vorfall sorgt für Zündstoff
Evans weiß, dass die größte Aufgabe noch bevorsteht. Nach dem Sieg über einen Gesetzten wartet erneut ein Ungesetzter. Genau diese Konstellation wurde ihm in der Vergangenheit oft zum Verhängnis. „Jedes Jahr mache ich das“, sagte er. „Ich schlage den Gesetzten und verliere dann das nächste Spiel.“ Er wolle nicht als früher Verlierer im Januar in den Urlaub. „Ich will in diesem Sport was reißen.“
Die Partie bot auch einen Moment der Kontroverse. Schiedsrichter Charlie Corstorphine rief einen Wurf von Evans als regelwidrig aus. Als Evans im nächsten Wurf das Doppel traf, reagierte er mit einem sarkastischen Daumen. Der Engländer betonte später, es sei eine instinktive Reaktion gewesen. Böswilligkeit habe keine Rolle gespielt. „Es war die Hitze des Moments.“
Wie so oft spielte Evans seine Rolle als Entertainer voll aus. Er genoss die Atmosphäre und die Unterstützung der Fans im Alexandra Palace. Mit einem Augenzwinkern erklärte er, er sei vielleicht kein Premier-League-Spieler. Doch die Liga wäre besser mit ihm. „Nenn mir ein langweiliges Match, in dem ich war“, sagte er. Selbst eine 0:3-Niederlage könne er unterhaltsam gestalten.
Der Unterhaltungswert ging weit über das Oche hinaus. Evans griff auch das „different gravy“-Motto auf. Trotz seiner bekannten Abneigung gegen Soße müsse er nun wohl eine Wette einlösen. Er solle einen Pint davon trinken. „Das könnte mein Leben verändern“, scherzte er.
Bei allem Humor sprach Evans auch über die emotionale Wucht der Kulisse. Die Unterstützung könne zusätzlichen Druck erzeugen. Doch die Höhepunkte seien unvergleichlich. „Wenn du triffst, ist es unfassbar. Gänsehaut.“ Das 144er-Checkout habe ihn zehn Jahre zurückgeworfen, zu seinem Sieg gegen Simon Whitlock.
Evans bezeichnet sich weiterhin stolz als „arbeitenden Dartspieler“. Er zeigt sich immer wieder überrascht von der Zuneigung der Fans. „Ich bin nicht Luke Littler, ich bin nicht Luke Humphries, ich bin nicht Gerwyn Price.“ Er sei einfach Ricky Evans aus Kettering. Dass ihn die Leute mögen, freue ihn. „Und möge das lange so bleiben.“