Mit sieben Viertelfinal-Teilnahmen und einem Titelgewinn nach elf Turnieren war bereits vor der
Swiss Darts Trophy 2024 klar, dass Martin Schindlers
European Tour-Kampagne in die deutsche Darts-Geschichte eingehen würde. Doch The Wall hatte noch ein Ass im Ärmel und erlebte in der St. Jakobshalle sein ganz persönliches Wunder von Basel.
Nach Erfolgen über Anton Östlund (6-1) und Stephen Bunting (6-4) stand Schindler zum insgesamt siebten Mal in dieser Saison in der Finalsession eines European Tour-Turniers. Dank eines spektakulären 160er-Checkouts gegen Raymond van Barneveld (6-4) zog The Wall anschließend in das Halbfinale der Swiss Darts Trophy ein, wo er Josh Rock mit 7-2 abfertigte.
Trotz seines fulminanten Final-Einzugs war Schindler seinem Kontrahenten Ryan Searle zu Beginn des Endspiels chancenlos unterlegen. Mit 4-0 marschierte Heavy Metal in Führung und machte deutlich, dass das Warten auf seinen ersten European Tour-Titel am Sonntagabend ein Ende haben sollte. Doch Schindler glaubte weiterhin an den Sieg und glich nach einem zwischenzeitlichen 7-4-Rückstand zum 7-7 aus. Nachdem Searle auf dramatische Weise sieben Matchdarts verpasst hatte, spielte Schindler einen überragenden Decider und kehrte mit einem Grinsen im Gesicht und 32 Punkten Rest an das Oche zurück. The Wall verwandelte seinen dritten Dart auf der Doppel-16 und krönte sich zum ersten deutschen Spieler, der zwei Titel auf der European hält.
"Ich hatte von vornherein das Gefühl, dass ich das Potenzial und das Spiel habe, um mit Ryan mitzuhalten. Aber ich bin ehrlich: Es war glücklich, dass ich dieses Finale gewonnen habe", sagte Schindler wenige Augenblicke nach seinem Titelgewinn gegenüber Philip Brzezinski. Während der unterlegene Finalist Searle seine Interview-Pflichten erledigte, war im Hintergrund zu sehen, wie Schindler Tränen und Emotionen freien Lauf ließ. "Ich sehe das immer noch nicht als selbstverständlich an, Titel zu gewinnen", erklärte Schindler
gegenüber Sport1.
"Mir ist bewusst, dass das bei den anderen immer so locker aussieht. Aber bei mir ist es halt noch nicht so. Ich weiß auch nicht, ob es jemals so werden kann oder vielleicht auch werden sollte", ergänzte der 28-Jährige. Weniger emotionale Bilder müssen Schindler-Fans aber auch in Zukunft nicht befürchten: "Ein Titelgewinn ist im Endeffekt die Bestätigung der Arbeit der vergangenen Jahre. Das ist der Grund, weshalb es wahrscheinlich auch in Zukunft nicht ohne Tränen gehen wird."
Eine besondere Verbindung zur European Tour
Es ist ein Bild, das bereits nach Schindlers erstem Titelgewinn im April um die Darts-Welt ging:
Martin Schindler in Aktion auf der European Tour - allerdings nicht als Spieler auf der Bühne, sondern als Steward bei der Ticket-Kontrolle. "Vor 10 Jahren stand ich bei diesen Turnieren vor den Einlass-Türen. Ich habe mir den Arsch abgearbeitet, um heute hier zu sein", sagte The Wall im Interview nach dem Finale.
Doch auch rein sportlich gesehen hatte die European Tour einen gehörigen Einfluss auf Schindlers bisherige Karriere. Nachdem sich der gebürtige Strausberger 2021 eindrucksvoll seine Tour Card bei der Q-School zurückgeholt hatte, machte er ein Jahr später regelmäßig auf der European Tour-Bühne auf sich aufmerksam. Beim German Darts Grand Prix in München besiegte er Ryan Searle mit 6-1 und 109 Punkten im Average, wodurch sich Schindler für das Viertelfinale qualifizierte. In den darauffolgenden Wochen erreichte er das Achtelfinale von Leverkusen und marschierte ins Viertelfinale von Stuttgart - es sollte der endgültige Durchbruch der späteren deutschen Nummer eins sein.
Internationale Anerkennung
Bereits Anfang April erläuterte Darts-Experte
Wayne Mardle via X, dass er Martin Schindler für den "am meisten unterschätzten / unterbewertetsten Dartspieler auf der Tour" hält. Einige Monate und zwei Titel später dürfte sich Hawaii 501 in seiner Annahme bestätigt fühlen.
Auch nach Schindlers Gewinn der Swiss Darts Trophy brachten renommierte Darts-Journalisten ihre Anerkennung für den 28-Jährigen zum Ausdruck. "Herzlichen Glückwunsch an Martin Schindler, ein weiterer Sieg in einer beachtlichen Reihe von Titeln, die noch folgen werden", schrieb Darts Now-Journalist
Conor Cain.
Ben Hudd ging noch einen Schritt weiter und bezeichnete Schindler als den "besten Spieler, den Deutschland je hervorgebracht hat".
"Er ist ein komplettes Paket, er ist ein sehr, sehr guter Spieler. Und er ist ein Spieler, der seine besten Leistungen auf der großen Bühne bringt", sagt Burton DeWitt in der neuesten Folge des Weekly Dartscast-Podcasts. "Er zeigt, dass er nahezu jeden Spieler auf der European Tour-Bühne schlagen kann - nun ist es Zeit, dies auf der Major-Bühne zu tun. Ein Major-Titel oder eine Finalteilnahme bei den großen Turnieren in den kommenden Wochen könnte ihm sogar einen Platz in der Premier League einbringen", ergänzt DeWitt.