„Zu viele Spieler verhalten sich wie Fanboys“ – Vincent van der Voort kritisiert Littlers Konkurrenten

PDC
durch Nic Gayer
Mittwoch, 22 Oktober 2025 um 20:15
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Vincent van der Voort redet wie immer nicht um den heißen Brei. Der ehemalige Topspieler aus den Niederlanden, der viele Jahre auf höchstem Niveau aktiv war, betrachtet den aktuellen Zustand des internationalen Dartsports mit einer Mischung aus Bewunderung und Sorge.
Während einer Exhibition in Stevenage, England, sprach er mit Online Darts über die Entwicklung des Sports, die Dominanz von Luke Littler und die Situation seines guten Freundes Michael van Gerwen. „Das Niveau ist enorm hoch“, sagte van der Voort. „Darts ist momentan in guter Verfassung, aber es gibt auch Dinge, die besser laufen könnten.“

Littler: Dominanz und Herausforderung für die Konkurrenz

Gerwyn Price hatte kürzlich geäußert, viele Spieler hätten Angst vor Littler. Van der Voort sieht das differenzierter: „Nicht alle haben Angst, aber ein großer Teil schon. Ich habe nach der Weltmeisterschaft gesagt, dass sich zu viele Spitzenspieler wie Fanboys verhalten, statt wie Konkurrenten. Littler ist unglaublich stark, aber man muss sagen: Er ist gut, und ich werde alles tun, um ihn zu schlagen. Man sollte ihm nicht zu viele Federn in den Hintern stecken.“
Der Nordholländer erkennt ein Muster, das er schon bei Phil Taylor und Michael van Gerwen beobachtet hat: „Das ist ein Teil davon, ein dominanter Spieler zu sein. Andere müssen volles Risiko gehen. Price hätte beim Grand Prix gewinnen können, hat es aber nicht geschafft. Dann wird es beim nächsten Mal noch schwieriger. Jemand muss ihn einmal schlagen.“
Van der Voort betont, dass es für den Sport gesund sei, wenn Littler gelegentlich Niederlagen einstecken muss: „Jetzt gewinnt er fast jedes Turnier, das er anpeilt. Das ist clever, aber es ist auch eine Herausforderung für die Konkurrenz. Sie müssen versuchen, in seinen Kopf zu kommen, ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen – sonst rennt er zu weit.“

Mentaler Hunger und Vergleich zu van Gerwen

Van der Voort zieht Parallelen zwischen Littlers aktueller Form und der Zeit, als van Gerwen unantastbar war: „Solange man gewinnt, bleibt das Selbstvertrauen automatisch hoch. Ich habe das bei Michael hautnah miterlebt. Jedes Match war für ihn eine Chance, jemanden zu schlagen. Littler befindet sich gerade in einer solchen Phase. Irgendwann wird er Rückschläge haben, dann zeigt sich, wie stark er mental wirklich ist. Aber im Moment muss man schon sehr gut spielen, um ihn zu schlagen.“

Michael van Gerwen: Mentaler Rückschlag

Das Gespräch wandert zu van Gerwen, der in den letzten zwei Jahren wacklige Leistungen zeigte. „Es gibt viele Spieler, die zu kämpfen haben, aber Michael definitiv auch“, so van der Voort. „Bei den Ranglistenturnieren liegt er zwischen Platz 25 und 30. Sein Scoring ist nicht das Problem, aber der Siegeshunger fehlt. Diese Mentalität muss zurückkommen, sonst wird er Probleme bekommen.“
Vincent van der Voort äußert erneut Zweifel am Erfolgshunger seines guten Kumpels Michael van Gerwen
Vincent van der Voort äußert erneut Zweifel am Erfolgshunger seines guten Kumpels Michael van Gerwen
Van der Voort macht deutlich, dass die Ursachen zum Teil abseits des Boards liegen: „Er hat eine schwierige Zeit hinter sich, eine Scheidung ist heftig. Vielleicht ist er zu früh wieder eingestiegen. Jetzt hat er einen mentalen Rückschlag erlitten. Er muss sich Zeit nehmen, den Kopf frei bekommen und dann wieder wie ein echter Profi alles in den Dartsport investieren – trainieren, leben, atmen. Sonst ziehen die jungen Spieler an ihm vorbei.“
Van der Voort fügt hinzu: „Er spielt momentan kaum Darts. Das sagt alles. Er muss wieder anfangen, den Sport zu lieben. Motivation muss von innen kommen.“ Gleichzeitig sieht er Hoffnung: „Das Talent ist nicht verschwunden. Schaut euch die World Series Finals an – er spielte einen Average von 102 über das gesamte Turnier. Aber er muss wieder den Drang verspüren, jeden schlagen zu wollen. Der Sport wartet nicht.“

Preisgeld, Ranglisten und Turnierentwicklung

Ab diesem Jahr erhält der Weltmeister ein Preisgeld von einer Million Pfund. Van der Voort hält dies für angemessen, kritisiert jedoch das Ranglistensystem: „Es ist gut, dass Spieler solche Summen verdienen können, aber das Ranking muss fairer sein. Die WM wiegt zu schwer; wer sie gewinnt, kann vieles andere auslassen. Ein Punktesystem wäre fairer, dann müssten Spieler das ganze Jahr über Leistung bringen, und auch die unteren Runden könnten besser honoriert werden.“
Die World Series wird 2026 nach Saudi-Arabien reisen. Van der Voort zeigt Verständnis: „Ich habe es kommen sehen. Wenn man sieht, wie stark die Hearns involviert sind, überrascht das niemanden. Die Verantwortung liegt bei der Organisation, nicht bei den Spielern. Gute Angebote nimmt man an – so funktioniert Sport.“

Kritik an Clayton und Ausbau der European Tour

Van der Voort kritisiert zudem britische Spieler, die Turniere in Deutschland oder den Niederlanden meiden wollen: „Johnny Clayton sagte, er wolle keine Pro Tours in Deutschland spielen. Das ist kurzsichtig. Turniere sollten in ganz Europa stattfinden – und auch nach Asien ausgedehnt werden. Viele Talente hätten sonst keine Chance.“
Die European Tour wird weiter ausgebaut, mit neuen Stationen in Polen und der Slowakei. Van der Voort: „Warum nicht auch Irland oder Schottland? Spanien, Italien – alles gute Ziele. Früher gab es zu viele Turniere in Deutschland, das war nötig zum Aufbau. Jetzt kann man expandieren.“

Beau Greaves und Gian van Veen

Van der Voort fand außerdem lobende Worte für die frischgebackene Jugend-WM-Finalistin Beau Greaves: „Die beste weibliche Dartspielerin, die ich je gesehen habe. Sie wirft 100+ Averages zum Spaß. Gegen Humphries bei den UK Open – unfassbar gut.“
Auch Gian van Veen beobachtet er optimistisch: „Er hat Potenzial, muss es aber noch auf der großen Bühne zeigen. Gegen Littler hatte er Pech, das ist ein Erstrundenmatch. Das Matchplay-Viertelfinale war stark, aber er braucht noch ein paar Top-Leistungen, um eine echte Chance auf die Premier League zu haben.“

Kritik am Premier-League-Format

Van der Voort äußert sich kritisch zum Format der Premier League, in der jede Woche Miniturniere stattfinden: „Nach ein paar Wochen langweilen sich die Zuschauer. Ich verstehe die kommerzielle Seite, aber für das Publikum ist es eintönig. Matches wie Humphries gegen Littler sollten etwas Besonderes bleiben. Wenn man solche Spiele zehnmal pro Saison zeigt, geht die Spannung verloren. Große Plakate sollten selten sein, dann freut man sich darauf.“
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