Trotz der schwierigen Bedingungen ging Gurney mit einer 4:1-Führung in die erste Pause: „Er hätte genauso gut 4:1 führen können. Ich hatte einfach Glück, dass wir beide mit den Bedingungen zu kämpfen hatten.“ Zufrieden war der Nordire dennoch nicht: „Ich habe mit Gian van Veen vor dem Turnier trainiert – der hat nichts verfehlt. Ich habe richtig gut mitgehalten, und dann komme ich auf die Bühne und spiele so. Das war enttäuschend, auch wenn’s für den Sieg gereicht hat.“
„Ich weiß, dass da noch mehr kommt“
Mit einem Average von 92 Punkten blieb Gurney hinter seinen Trainingsleistungen zurück – dennoch sieht er sich auf dem richtigen Weg: „Ich habe das Gefühl, ich kann viel mehr, als ich heute gezeigt habe. Sobald ich mich entspannt habe – so ab der zweiten Pause – lief es besser. Egal, was Ross geworfen hat, ich konnte immer antworten. Wenn er eine 180 geworfen hat, wusste ich, dass ich sie kontern kann.“
Am Ende zählte vor allem eines: Gurney steht wieder unter den letzten Acht eines Major-Turniers. „Ich bin einfach froh, wieder an einem Sonntag auf einer großen Bühne zu spielen. Aber da ist noch mehr drin – ich muss es nur zwischen den Ohren hinkriegen.“
Seit Jahren ist der Nordire dafür bekannt, mit Leidenschaft und Emotion zu spielen – manchmal auch mit Wut. Doch der 39-Jährige sieht diese Phase als vorbei an:
„Ich glaube, ich kann gar nicht mehr so wütend werden wie früher. Das kostet zu viel Energie.“ Stattdessen versucht er, ruhig zu bleiben: „Im World Cup habe ich mir gesagt: Geh einfach raus, hol den Arm hoch und wirf locker. Und das habe ich heute auch gemacht. Wenn du deine Chancen nutzt und Druck machst, fällst du irgendwann über die Ziellinie – genau das ist passiert.“
Kalte Finger, heißer Kopf
Auf die Frage, ob er sich für den nächsten Tag Handwärmer zulegen werde, antwortete Gurney schmunzelnd: „Nein, das habe ich noch nie gemacht. Ich hoffe einfach, dass es morgen wärmer ist. Vor zwei Jahren habe ich hier gegen Gabriel Clemens gespielt, da war Wind auf der Bühne – das war schlimmer.“ Und falls es wieder kalt wird? „Dann rege ich mich wahrscheinlich wieder auf – und wärme mich dadurch von selbst auf.“
Routine als Vorteil
Der erfahrene Nordire weiß, wie man durch lange Turniertage kommt. „Der erste Spieltag ist immer der härteste, weil jeder frisch ist und jeder gewinnen will. Aber ich fühle mich heute nicht ausgepowert – ich bin morgen frisch.“
Aus seinen Erfolgen, etwa dem Titel bei den Players Championship Finals und dem World Cup-Sieg mit Josh Rock, hat er gelernt: „Du musst wissen, wann du isst, wann du dich vorbereitest. Beim World Cup konnte ich kaum was essen – nur einen Burger von McDonald’s – und das hat gereicht.“
Gurney über den möglichen Gegner: „Egal ob van Gerwen oder Dobey – ich bin bereit“
Im Viertelfinale trifft Gurney nun auf den Sieger des Duells zwischen Michael van Gerwen und Chris Dobey. „Ich habe keine Ahnung, wer’s wird – aber es wird so oder so hart. Beide sind absolute Topspieler. Ich freue mich auf das Match, egal gegen wen. Ich habe heute so gut trainiert, das gibt mir viel Selbstvertrauen. Ich muss nur das umsetzen, was ich am Practice-Board mache – dann kann ich jeden schlagen.“
Deutschland als gutes Pflaster
Auch emotional verbindet Gurney mit Deutschland viel: „Ich habe hier im Juni mit Josh Rock den World Cup gewonnen. Das war riesig. Wir wussten, dass wir als Team stark genug sind, um das Turnier zu holen – und haben es wirklich geschafft.“ Mit einem Lächeln erinnert sich der Nordire an den Spaß mit Kollegen Adrian Lewis: „Adrian hat erzählt, Josh sei wegen Rückenschmerzen im Krankenhaus, weil er mich durch das Turnier getragen hat. Ich habe ihn daran erinnert, dass er selbst nach dem letzten Spiel mit Phil Taylor in Rente gegangen ist.“
Nun hofft Gurney, dass Dortmund ihm weiteres Glück bringt: „Ich war hier schon zweimal im Halbfinale, 2017 und 2019. Damals war ich vielleicht ein besserer Scorer, heute bin ich der bessere Finisher. Wenn ich das beides zusammenbringe, kann hier wieder etwas Großes passieren.“