„Raymond hat schon viel Mist in seinem Leben erzählt" – Michael van Gerwen widerspricht Raymond van Barneveld in dessen Aussagen über eine mögliche Premier-League-Teilnahme von Beau Greaves

PDC
Sonntag, 09 November 2025 um 00:45
Michael van Gerwen & Raymond van Barneveld (1)
Michael van Gerwen war nach seinem Auftaktsieg beim Grand Slam of Darts 2025 sichtlich beeindruckt von Beau Greaves – und zugleich vorsichtig im Urteil der Öffentlichkeit. Der niederländische Superstar besiegte die 21-jährige Engländerin in einem intensiven Eröffnungsmatch in Wolverhampton und bezeichnete sie anschließend als „die beste Dartspielerin aller Zeiten“. Doch er warnte davor, sie zu früh in das Rampenlicht einer Premier League zu drängen.
Van Gerwen sprach offen über den Druck, der auf beiden lastete, über Barnevelds provokante Kommentare und darüber, was Greaves nach seiner Ansicht erst noch beweisen muss, um dauerhaft in der Männerdomäne Darts zu bestehen.

Respekt für ein Ausnahmetalent

Das Publikum in Wolverhampton war klar auf der Seite der jungen Engländerin. Beau Greaves, mehrfache Weltmeisterin und aktuell die herausragende Spielerin der Women’s Series, trat mit einer beeindruckenden Ruhe ans Oche. Van Gerwen, vom Publikum gewohnt ironisch als „Pantomime-Bösewicht“ betitelt, war sich der besonderen Atmosphäre nur zu bewusst.
beau greaves 4
Van Gerwen sieht in Beau Greaves die "beste Dartsspielerin aller Zeiten".
„Wenn man sich ihr Talent und ihre bisherigen Erfolge ansieht, gab es meiner Meinung nach noch nie eine bessere Dartspielerin“, sagte van Gerwen nach dem Spiel. „Fair Play für sie – aber jetzt muss sie den nächsten Schritt machen. Es reicht nicht, ein paar Highlights im Jahr zu zeigen. Sie muss Woche für Woche abliefern – und das ist eine völlig neue Herausforderung.“
In der kommenden Saison will Greaves erstmals die komplette PDC Tour spielen. Van Gerwen glaubt, dass genau hier ihre größte Bewährungsprobe liegt. „Verstehen Sie mich nicht falsch“, so der Niederländer, „aber die Tour ist eine Männerwelt. Anastasia Dobromyslova und Lisa Ashton haben gezeigt, wie hart dieser Weg ist. Beau ist jung, talentiert – aber wir wissen nicht, wie sie mit dem Druck umgehen wird.“
Er selbst, betont van Gerwen, habe genug mit seinem eigenen Spiel zu tun: „Wenn ich anfange, mir über andere Gedanken zu machen, wird’s für mich nur schwerer. Ich muss mein Spiel kontrollieren – nicht das anderer.“

„Raymond hat schon viel Mist erzählt“ – Van Gerwen kontert Barneveld

In Van Gerwens typischer Art blieb auch die jüngste Diskussion um Greaves’ mögliche Aufnahme in die Premier League nicht unkommentiert. Raymond van Barneveld hatte zuvor angedeutet, die Engländerin könne bei einem starken WM-Auftritt ein Kandidat für das prestigeträchtige Event sein.
Van Gerwen reagierte trocken, mit einem typischen Grinsen: „Raymond hat schon viel Mist in seinem Leben erzählt, weißt du, was ich meine?“ Ihm zufolge käme ein solcher Schritt deutlich zu früh. „Natürlich hat Beau das Talent. Aber lass sie erst einmal die ganze Tour spielen, sich an Reisen, Spielrhythmus und Druck gewöhnen. Die Premier League hat schon einige Karrieren ins Wanken gebracht.“
Mit seiner Erfahrung weiß Van Gerwen, wovon er spricht. Die Premier League gilt nicht nur als Showbühne, sondern auch als mentaler Härtetest. „Wenn du Woche für Woche vor Tausenden in großen Arenen spielst, brauchst du eine dicke Haut. Das ist nichts für Einsteiger – egal, wie groß dein Talent ist.“
Greaves war das Gesprächsthema des Abends – und Van Gerwen spürte selbst den medialen Wirbel rund um das Duell. „Jeder hat sie hochgejubelt, und das erzeugt zusätzlichen Druck – für beide Seiten“, erklärte er. „Ich bin schon lange genug dabei, um das auszublenden. Aber für sie war es sicher nicht einfach. Diese Erwartungen sind brutal.“
Er lächelte, als er die Diskussionen über ihre Favoritenrolle erwähnte: „Wenn die Leute sagen, sie sei der Favorit – bitteschön. Ich kümmere mich nicht darum. Ich kann nur versuchen, für mich selbst das Maximum herauszuholen.“
Im Match selbst habe Greaves mehrfach ihre Stärke gezeigt. „Bei 4:2 dachte ich, ich hätte das Spiel im Griff, aber sie kam zurück – stark und präzise. Fast jedes Mal steckte ein Triple im Board. Da macht man sich automatisch selbst Druck. Und ja – manchmal redest du mit dir selbst: ‚Komm schon, Mike, warum machst du’s dir so schwer?‘ Aber so ist das im Darts – du kämpfst, du bleibst dran, du gewinnst.“

Ein harter Weg durch eine „brutale Gruppe“

Der Auftaktsieg war für Van Gerwen der erste Schritt in einer schweren Gruppe, in der auch Niko Springer und Gary Anderson antreten. „Jetzt müssen sie mich jagen“, sagte er mit spürbarer Kampfansage. „Aber das Feld ist hart. Ich hätte es leichter treffen können, aber das ist mir egal. Man stellt sich der Herausforderung, lernt daraus und geht gestärkt weiter.“
Van Gerwen weiß, dass kleine Fehler in dieser Phase teuer werden: „Wenn du dominant sein willst, musst du solche Spiele konsequent zu Ende bringen. Dann kommt der Rhythmus – und das Selbstvertrauen.“
Seit 2017 wartet Van Gerwen auf seinen vierten Grand-Slam-Titel. Der Sieg gegen Greaves soll nun Schwung bringen. „Das war ein guter Start – aber nur ein Schritt. Ich will das Turnier gewinnen, keine Spiele zählen“, sagte er. „Es bedeutet viel, wenn du spürst, dass du wieder die Kontrolle hast. Ich bin bereit, zu liefern.“
Obwohl er in diesem Jahr die Qualifikation für die Players Championship Finals verpasste, gönnt er sich kaum Erholung. „Vielleicht zwei Tage Pause, höchstens zweieinhalb“, lachte er. „Ich bin ständig auf Achse – aber das gehört dazu. Darts ist kein Job für Bequemlichkeit. Wenn du besser sein willst als andere, musst du immer wieder aufstehen und liefern.“
Er blickt bereits in Richtung Weltmeisterschaft im Alexandra Palace: „Das ist der Ort, der alles verändert. Du spürst dort Geschichte, Druck, Emotion – das will jeder Spieler erleben. Dafür trainiere ich.“

Zwischen Anerkennung und Anspruch

Van Gerwen ist niemand, der leichtfertig Lob verteilt. Umso bemerkenswerter war sein Urteil über Greaves – ehrlich, respektvoll, aber auch nüchtern.
„Sie hat alles, um Geschichte zu schreiben“, sagte er zum Abschluss. „Aber jetzt beginnt der schwierigste Teil: jede Woche beweisen, dass man es kann. Dann zeigt sich, wer man wirklich ist.“
Diese Worte resümieren den Abend in Wolverhampton treffend. Ein Match, das mehr war als ein Auftakt – ein Moment, in dem zwei Generationen des Sports aufeinandertrafen. Van Gerwen machte deutlich, dass Beau Greaves in seinen Augen schon jetzt ein Ausnahmetalent ist – und dass Größe im Darts erst dann entsteht, wenn man Konstanz über Wochen, Monate und Jahre zeigt.
Zwischen Standing Ovations und lauten Chants schwang deshalb mehr mit als nur der Jubel eines Matches: Es war ein Zeichen, dass Frauen-Darts endgültig in der Weltspitze angekommen ist – und die Besten der Welt genau hinschauen.
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