Michael Smiths Karriere war stets ein Kampf gegen Widrigkeiten. Von unzähligen Niederlagen auf den größten Bühnen bis zum WM-Triumph 2023 hat sich der „Bully Boy“ durch seine Widerstandskraft ausgezeichnet. Doch das vergangene Jahr stellte ihn härter auf die Probe als je zuvor – sportlich wie privat. Verletzungen, mentale Hürden und der Absturz in der Rangliste machten ihm schwer zu schaffen. Trotzdem glaubt der Engländer weiter an sein Comeback.
In einem offenen Interview mit Online Darts sprach Smith über seine Diagnose, die verpassten Turniere und die mentalen Folgen seines Formtiefs. Dabei machte er deutlich, dass er trotz aller Rückschläge nicht ans Aufhören denkt.
Verletzungen, die nicht verschwinden wollen
Zunächst erklärte Smith, wie es ihm seit seinen letzten Auftritten ergangen ist. „Gut. Ich habe die freie Zeit genossen. Seit der letzten Pro Tour hatte ich keine schwere Belastung mehr.. Es war hart, aber es war auch gut.“
Doch schnell rückte das Thema in den Vordergrund, das ihn seit Monaten begleitet – seine Schulter. „Ich war im Urlaub, es war also das dritte Turnier, das ich verpasst habe. Dann kam das MRT-Ergebnis: eine schwere Arthrose. Der nächste Schritt sind Injektionen für Schulter und Handgelenk. Im schlimmsten Fall brauche ich irgendwann eine neue Schulter. Das wäre aber erst nach meiner Karriere.“
Die Diagnose ließ Smith aufschrecken. „Eine neue Schulter wäre wie Dartspielen von vorne lernen. Ich bekam Panik, als ich googelte, was da auf mich zukommt. Kortison, PRP, Rotatorenmanschette – das machte mir Angst. Aber die Operation wird frühestens kommen, wenn ich 45 oder 46 bin. Bis dahin kämpfe ich weiter.“
Spielend durch den Schmerz
Seine Verletzung wurde erstmals beim Masters öffentlich, nachdem Smith sie zuvor verheimlicht hatte. „Es ist nicht schön, in der Rangliste abzurutschen. Aber ich hatte trotzdem ein paar Halbfinals, auch bei den UK Open. Nur da, wo ich sein möchte, bin ich noch nicht.“
Er erinnert sich: „Ich habe mich am Weihnachtstag verletzt, beim Masters zum ersten Mal gespürt – trotzdem spielte ich mit einem 93er-Average. Danach folgten Spiele mit über 100, sogar 110 gegen Humphries, aber dann wieder Rückfälle in die 80er. Es fehlt die Konstanz. Es liegt nicht nur an der Schulter, sondern an meinem Kopf. Ich denke vor jedem Match: Hält die Schulter? Hält das Handgelenk? Dieses Grübeln macht es schlimmer.“
Auch andere Probleme erschwerten seinen Alltag. „Vor der letzten Pro Tour konnte ich kaum auf meinem linken Fuß laufen. Erst dachte ich, es sei Gicht. Aber der Fuß schwoll an wie ein Ballon. Am Ende hieß es: Vielleicht auch dort Arthritis. Ich habe Antibiotika, Schmerzmittel, Steroide – nichts half wirklich.“
Smith gibt zu: „Ehrlich gesagt war mein WM-Sieg das Schlimmste. Mein Körper schien zu sagen: ‚Du hast es geschafft, du kannst aufhören zu kämpfen.‘ Aber genau diese Kampfmentalität brauche ich zurück.“
Auf der Suche nach Lösungen
Smith prüft verschiedene Behandlungsmethoden, die ihm ohne Operation helfen sollen. „Kortison hat nach dem Masters geholfen – danach kam ich ins UK-Open-Halbfinale. Aber ich werde auch PRP brauchen. Mein Fuß muss ich ebenfalls in den Griff kommen. Es ist ein Teufelskreis. Doch aufhören werde ich nicht. Ich kenne nichts anderes als Darts und Kämpfen.“
Vor allem mental sei die Belastung hoch. „Deshalb habe ich die letzten beiden European Tour Turniere in Deutschland und Belgien abgesagt. Dass ich das Matchplay verpasst habe, hat mich geärgert, aber ich war nicht bereit. Lieber warte ich, bis ich wirklich fit bin. Selbst wenn ich die European Darts Championship verpasse – wichtig ist, dass ich ab Dezember wieder aufbauen kann. Dann will ich bei der WM ein paar Runden gewinnen und zurück in die Top 10.“
Die Rangliste rutscht – aber keine Panik
Aktuell ist Smith aus den Top 16 gefallen. Doch Panik verspürt er nicht. „Ich weiß, dass die Fans sich Sorgen machen. Aber ich komme wieder. Ich habe bei zwei Turnieren 820.000 Pfund verloren – allein 485.000 durch mein frühes WM-Aus. Es liegt nicht daran, dass ich schlecht spiele. Es war falsches Zeitplanmanagement. Nach dem WM-Titel habe ich zu viele Events ausgelassen.“
Bedauern empfindet er nicht. „Nein, kein bisschen. Ich habe die WM gewonnen – das zählt. Natürlich würde ich es beim nächsten Mal anders machen, mehr wie Humphries. Aber nach zwölf Saisons hatte ich eine Pause verdient. Nur ist es das erste Mal, dass mich Verletzungen wirklich stoppen.“
Das Matchplay verpassen
Das World Matchplay in Blackpool bedeutete Smith immer viel. Umso härter traf es ihn, 2025 von zuhause zuschauen zu müssen. „Am Anfang war ich am Boden zerstört. Nach der Niederlage bei der Pro Tour war ich auf der Heimfahrt still wie ein Stein. Nach 20 Minuten dachte ich: ‚Na gut. So ist es eben.‘ Ich werde sicherstellen, dass mir das nicht noch einmal passiert.“
Motivation und der lange Weg zurück
Smith glaubt, dass der nächste große Titel sogar noch wertvoller wäre als sein WM-Sieg. „Wenn ich sie wiedergewinne, wird es noch schöner. Geduld ist nicht meine Stärke, aber genau die brauche ich. Ich habe mich schon öfter von Rückschlägen erholt. Diesmal ist es nur ein weiterer Stolperstein.“
Die Unterstützung von außen war gering, doch das ist ihm recht. „Nur ein paar, Jamie Banks und Dave Allen, haben mir geschrieben. Ich mag es, wenn ich meine Ruhe habe. Sobald ich zu Hause bin, schalte ich vom Dartsport ab. Fragen nach meinem Zustand erinnern mich nur an die Probleme. Ich kümmere mich lieber allein darum.“
„Ich kenne nichts anderes als Darts und Kämpfen“
Die Spekulationen um ein Comeback mit seinen alten Darts weist er zurück. „Nein. Ich weiß nicht einmal, wo sie sind. Meine Frau vielleicht, aber ich nicht. Irgendwann kommen sie in einen Rahmen, aber ich habe sie seit Jahren nicht angerührt.“
Stattdessen motivieren ihn Erinnerungen an frühere Erfolge. „An der Wand hängt ein großes Bild von meinem WM-Titel. Es erinnert mich daran, wer ich bin und wohin ich zurückwill. Ich weiß, dass die glorreichen Tage wiederkommen. Ich muss nur meinen Kopf frei bekommen.“
Die WM wird er als ungesetzter Spieler bestreiten – eine Rolle, die er spannend findet. „Auf jeden Fall. Natürlich wäre es schön, Gezzy mal wieder zu schlagen. Wenn ich 90 bis 95 Prozent spiele, kann ich weit kommen. Mit 100 Prozent schaffe ich Averages von 110+. Ich weiß genau, wozu ich fähig bin.“
Trotz Schmerzen, Rückschlägen und Ranglistenabsturz bleibt Smith trotzig. „Das ist nur ein weiteres Hindernis. Ich kenne nichts anderes als Darts und Kämpfen. Ich werde zurückkommen.“